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Ahmadinedschad zieht die Zügel an

Teheran erhöht den Druck auf kritische Köpfe und Abweichler

Von Jan Keetman, Istanbul *

Die Teheraner Führung hat in den vergangenen Wochen den Druck auf Abweichler und kritische Köpfe aller Art merklich erhöht. Die Polizei verkündete jetzt stolz, in diesem Jahr schon 150 000 Personen wegen Verstößen gegen die strenge Kleiderordnung in Iran festgenommen zu haben.

Der Chefankläger von Teheran, Sayyed Mortazavi, erklärte vor wenigen Tagen, die Gegner der Islamischen Republik suchten Vorwände, um den Staat zu kritisieren. Dies zuzulassen hieße, die Sicherheit von »Flegeln« und »Kriminellen« zu schützen. Der Nationale Sicherheitsrat hat denn auch ein dreiseitiges Rundschreiben an die Herausgeber iranischer Medien geschickt, in dem vor der Behandlung von Themen wie der Inflation, insbesondere der Erhöhung der Benzinpreise um 25 Prozent, der Gefahr weiterer Sanktionen und der Inhaftierung dreier USA-Akademiker iranischer Abstammung gewarnt wird.

Nicht nur die Medien sind betroffen, auch Professoren wurden davor gewarnt, zu Konferenzen ins Ausland zu fahren oder Kontakte mit Ausländern zu pflegen. Generell stehen Organisationen der Zivilgesellschaft unter Druck. So wurden fünf Frauen zu Gefängnisstrafen bis zu vier Jahren verurteilt. Ihnen wurde vorgeworfen, die nationale Sicherheit gefährdet zu haben, weil sie versuchten, eine Kampagne für gleiche Rechte von Männern und Frauen zu starten. Per Internet hätten sie dafür Unterschriften gesammelt. Acht Studenten der Amir-Kabir-Universität in Teheran wurden zur Untersuchungshaft in das berüchtigte Evin-Gefängnis gebracht. Sie sollen in Studentenzeitungen Artikel mit der Behauptung verfasst haben, dass kein Mensch unfehlbar sei, nicht einmal der Prophet Mohammed und Irans religiöser Führer Ali Khamenei.

Am vergangenen Sonntag betonte der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Mohammed Ali Hosseini, dass die Morddrohung gegen den Schriftsteller Salman Rushdie weiter Bestand habe. Wenige Monate vor seinem Tod hatte der iranische Revolutionsführer Ayatollah Khomeini 1989 in einer Fatwa den Tod Rushdies wegen Blasphemie gefordert. Unter dem Präsidenten Khatami versuchte Iran, die Drohung so gut wie möglich herunterzuspielen. Doch noch immer bieten zwei iranische Stiftungen dem Mörder Rushdies eine hohe Belohnung. Eine der Stiftungen hat die Summe sogar erhöht, nachdem die britische Königin Rushdie vergangene Woche inmitten iranischer Proteste in den Ritterstand erhob.

Woher kommt die Verschärfung der innenpolitischen Gangart gerade jetzt? Eigentlich könnte Präsident Ahmadinedschad sich doch zufrieden zurücklehnen. Der Ölpreis ist hoch, der Westen hat sich in der Atomfrage von ihm vorführen lassen. Während Ahmadinedschad eine rote Linie nach der anderen demonstrativ überschreitet, wartet Europa darauf, dass Javier Solana und der iranische Chefunterhändler Ali Laridschani irgendeinen »Durchbruch« erzielen. Die USA und Israel drohen zwar leise, aber das schadet dem Präsidenten innenpolitisch kaum. Dazu kommen die USamerikanisch- russischen Spannungen, die aus Teheraner Sicht als günstige Entwicklung zu betrachten sind.

Drei Theorien für die Gründe des Teheraner Frostwetters mitten im Sommer sind im Umlauf. Eine jede hat etwas für sich. Die erste besagt, die Konservativen hätten tatsächlich Angst davor, dass die USA einen Regimewechsel zwar nicht mit Waffengewalt, aber durch die Förderung oppositioneller Kräfte der Zivilgesellschaft betreiben – eine »samtene Revolution« auf iranische Art.

Andere wiederum vermuten, Ahmadinedschad habe nur abgewartet, bis er fester im Sattel sitzt, um nun eine Art »Kulturrevolution« in Gang zu setzen – mit dem Ziel, einen perfekten islamischen Staat zu schaffen. In diesem Zusammenhang wird auch auf seinen missionarischen Eifer hingewiesen.

Eine dritte Vermutung besteht darin, dass es dem Präsidenten vor allem darum gehe, über den Umweg der Sicherheitsfrage die Kritiker seiner Wirtschaftspolitik zum Schweigen zu bringen. Seine Vorgänger Khatami und Rafsandschani haben für die Parlamentswahlen im Frühjahr 2008 ein Wahlbündnis geschmiedet, sie könnten Ahmadinedschads Konservativen die Parlamentsmehrheit wieder abjagen. Denn steigende Inflation und Arbeitslosigkeit verursachen bei vielen im Lande zunehmend Bauchschmerzen.

* Aus: Neues Deutschland, 27. Juni 2007


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