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Acht kamen durch

Über 600 Bewerber um das iranische Präsidentenamt von der Wahl ausgeschlossen. Atomstreit-Chefunterhändler Dschalili mit guten Aussichten

Von Knut Mellenthin *

Am 14. Juni wird in Iran ein neuer Staatspräsident gewählt. 686 Iraner, darunter ungefähr 30 Frauen, hatten sich als Kandidat für das Amt angemeldet. Der Wächterrat, der über die verfassungsgemäße Qualifikation der Bewerber zu entscheiden hat, ließ nur acht von ihnen zu. Das gab das Innenministerium am Dienstag abend bekannt. Unter den Abgelehnten sind Ali Akbar Haschemi Rafsandschani, der schon von 1989 bis 1997 Präsident war, und der Spitzenberater des jetzigen Amtsinhabers Mahmud Ahmadinedschad, Esfandiar Rahim Maschaei. Unter den acht zur Wahl Zugelassenen ist keine Frau. Ob der Wächterrat dabei der zumindest fragwürdigen Behauptung seines Mitglieds Mohammad Jazdi folgte, »das Gesetz« verbiete es Frauen grundsätzlich, Präsident zu werden, ist nicht bekannt: Das transparenzlos arbeitende Gremium veröffentlichte wie üblich keine Erläuterung seiner Entscheidung.

Stunde der Wächter

Die Verfassung Irans schreibt vor, daß Kandidaten für das Präsidentenamt religiöse oder politische Persönlichkeiten sein müssen, daß sie »verwaltungstechnische Fähigkeiten« haben müssen, nicht vorbestraft sein dürfen, daß sie »vertrauenswürdig und fromm« sein müssen und daß sie fest an die Grundsätze der Islamischen Republik und deren offizielle Interpretation des Islam glauben müssen. Inoffiziell brachten einige Mitglieder des Wächterrats als zusätzliches Kriterium auch noch das Alter der Kandidaten ins Spiel. Rafsandschani ist 79 – und damit immerhin acht Jahre jünger als der erste Führer der »islamischen Revolution«, Ajatollah Khomeini, bei seinem Tod war. Einige selbsternannte Wächter verlangten sogar, daß auch die Gesundheit der Bewerber geprüft werden müsse.

Rafsandschani, der als Hoffnungsträger der »Reformopposition« antreten wollte – ein seltsamer Kontrast zu seiner eigenen Amtszeit –, ließ noch am Dienstag durch seinen Wahlkampfleiter mitteilen, daß er keine Schritte gegen die Entscheidung des Wächterrats unternehmen werde. Dagegen kündigte Maschaei an, daß er alle rechtlichen und politischen Möglichkeiten ausschöpfen wolle, um seinen Ausschluß von der Wahl anzufechten. Ahmadinedschad sagte ihm öffentlich seine volle Unterstützung zu. Zugleich gab der Präsident sich zuversichtlich, daß die Angelegenheit »mit Gottes Hilfe« vom Obersten Revolutionsführer Sejjed Ali Khamenei geregelt werden würde.

Tatsächlich hat dieser bei früheren Gelegenheiten Entscheidungen des Wächterrats korrigiert und abgelehnte Bewerber nachträglich doch noch zu Wahlen zugelassen. Das läge auch im kollektiven Interesse der iranischen Führung, da sie eine möglichst hohe Wahlbeteiligung anstrebt und diese durch einen echten politischen Wettbewerb vermutlich gefördert würde. Allerdings ist die Ablehnung des vergleichsweise liberal und aufgeklärt argumentierenden Maschaei durch die Erzkonservativen sehr stark. Sie betrachten ihn als »Abweichler« oder sogar als »Ungläubigen«.

Zwei »Reformisten«

Unter den acht Bewerbern, die die strenge Prüfung durch den Wächterrat bestanden haben, sind zwei, die nach offiziellem iranischen Sprachgebrauch als »Reformisten« gelten: Hassan Rowhani und Mohammad Resa Aref. Der jetzt 64jährige Rowhani war von 1989 bis 2005 – bis zur Übernahme des Präsidentenamts durch Ahmadinedschad – Sekretär des Obersten Nationalen Sicherheitsrats und durch diese Funktion seit Oktober 2003 auch Chefunterhändler im internationalen Streit um das iranische Atomprogramm. Der zweite »Reformkandidat«, Aref, war Vizepräsident in der zweiten Amtszeit von Mohammad Khatami (2001–2005), der selbst als Reformer galt, aber nicht nur an den Verhältnissen im eigenen Land, sondern auch an der Feindseligkeit und Kompromißlosigkeit des westlichen Auslands scheiterte.

Von den sechs konservativen Kandidaten für das Präsidentenamt hat vermutlich der derzeitige Chefunterhändler im Atomstreit, Said Dschalili, die besten Aussichten, von der Mehrheit dieses politischen Lagers unterstützt zu werden.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 23. Mai 2013


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