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Bloß keine Frau

Wächterrat entscheidet über Bewerber zur iranischen Präsidentenwahl

Von Knut Mellenthin *

Der Wächterrat des Iran entscheidet am heutigen Dienstag, welche Bewerber zur Präsidentenwahl am 14. Juni zugelassen werden. Insgesamt haben sich 686 Personen als Bewerber für das Präsidentenamt registrieren lassen. Ein Sprecher des Wächterrats äußerte am Sonnabend, daß voraussichtlich etwa 40 Kandidaten zugelassen würden. Ungesicherten iranischen Medienberichten zufolge will das Gremium alle weiblichen Bewerber von der Wahl ausschließen. Wie viele das sind, ist nicht bekannt.

Die Verfassung Irans schreibt vor, daß Kandidaten für das Präsidentenamt religiöse oder politische Persönlichkeiten sein müssen, daß sie »verwaltungstechnische Fähigkeiten« haben müssen, nicht vorbestraft sein dürfen, daß sie »vertrauenswürdig und fromm« sein müssen und daß sie fest an die Grundsätze der Islamischen Republik und deren offi­zielle Interpretation des Islam glauben müssen.

Der Wächterrat besteht aus je sechs Geistlichen und Juristen. Die Kleriker werden vom sogenannten Obersten Revolutionsführer, Ali Khamenei, ernannt. Die Juristen werden vom obersten Richter vorgeschlagen und bedürfen der Zustimmung des Parlaments.

Spätestens nach Bekanntgabe der zugelassenen Bewerber beginnen die Verhandlungen innerhalb der politischen Formationen, wer zu wessen Gunsten auf seine Kandidatur verzichtet. Mohsen Rezaei, der sich selbst um das Präsidentenamt bewerben will und derzeit Sekretär des einflußreichen Schlichtungsrats ist, hat vorgeschlagen, daß die sogenannten Prinzipialisten eine »Eliteversammlung« von etwa 400 Personen einberufen sollen, um sich auf einen gemeinsamen Kandidaten zu einigen.

Die Prinzipialisten bilden den Kern der iranischen Führung und beanspruchen für sich, daß sie und nur sie allein die wahren Repräsentanten und Verfechter der »islamischen Revolution« seien. Rezaeis Idee einer so großen Versammlung scheint schon aus Zeitgründen unrealistisch, aber auch ohne förmlichen Beschluß werden vermutlich viele Politiker dieser Strömung die Kandidatur von Said Dschalili unterstützen. Er ist Sekretär des Obersten Nationalen Sicherheitsrats und durch diese Funktion zugleich auch Chefunterhändler in den internationalen Verhandlungen über das iranische Atomprogramm.

Als Kandidat der »reformistischen« Opposition versucht sich einer der reichsten und mächtigsten Männer des Landes, Akbar Haschemi Rafsandschani, zu profilieren. Der jetzt 79jährige war Präsident in den Jahren 1989 bis 1997, stand dem ersten »Revolutionsführer« Ruhollah Musavi Khomeini sehr nahe und soll die Wahl von Khamenei zu dessen Nachfolger entscheidend beeinflußt haben. Rafsandschani ist Vorsitzender des Schlichtungsrats, was ohne Khameneis Zustimmung nicht möglich wäre. Diese Tatsache, ebenso wie die gesamte Politik des Kandidaten in seiner Zeit als Präsident, relativiert seine neue Selbstdarstellung als Hoffnungsträger der Opposition.

Trotzdem haben die Prinzipialisten bereits begonnen, sich auf Rafsandschani einzuschießen. 100 Abgeordnete des Parlaments haben den Wächterrat in einem gemeinsamen Brief aufgefordert, Rafsandschani nicht zur Wahl zuzulassen. All das könnte aber mehr oder weniger auch Teil eines taktischen Rollenspiels sein.

Indessen herrscht im internationalen Streit um das iranische Atomprogramm weiterhin Stillstand. Am vergangenen Mittwoch gab es im türkischen Istanbul ein Treffen zwischen Dschalili und der EU-Außenpolitikchefin Catherine Ashton, die als Vertreterin der Sechsergruppe – USA, Rußland, China, Frankreich, Deutschland und Großbritannien – agiert. Sowohl Ashton als auch Dschalili bezeichneten ihre Begegnung als »fruchtbar« und »nützlich«, ohne sich irgendein konkretes Detail entlocken zu lassen. Offenbar wollen beide Seiten den Wahlausgang abwarten, bevor wieder Bewegung in die Verhandlungen kommen könnte.

* junge Welt, Dienstag, 21. Mai 2013


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