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Obama droht - Israel lobt

US-Präsident spricht mit Ministerpräsident Netanjahu in Washington über den Iran-Konflikt *

Israelische Politiker haben vor einem amerikanisch-israelischen Spitzentreffen die Haltung von US-Präsident Barack Obama im Konflikt um Irans Atomprogramm gelobt. Obama wollte am Montag (5. März) den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Washington treffen.

US-Präsident Obama habe in seiner Rede vor der proisraelischen Lobby-Organisation AIPAC »die Sicherheit Israels als nationales amerikanisches Interesse« bestätigt, sagte der israelische Präsident Schimon Peres dem heimischen Radio. Der rechtsgerichtete israelische Außenminister Avigdor Lieberman wies Berichte zurück, Israel habe Druck auf Obama ausgeübt. Jerusalem habe den USA nichts vorgeschrieben, zitierte ihn die Zeitung »Haaretz« am Montag (5. März).

Für Israel geht es nach Einschätzung von Sicherheitskreisen vor allem darum, von Obama eine unumstößliche Zusage zu bekommen, dass die USA eine iranische Atombombe auf jeden Fall und mit allen Mitteln verhindern. Nur dann könne Israel darauf verzichten, Iran schon jetzt anzugreifen, so lange dies noch Aussicht auf Erfolg biete. Sicherheitskreise in Israel bezweifeln, dass Iran wirtschaftlichem Druck nachgeben werde. Früher oder später bleibe nur die militärische Option.

Nach monatelangen Berichten über einen möglichen israelischen Überraschungsangriff gegen Iran hatte Obama am Sonntag seine bisher schärfste militärische Drohung mit dem an Israel gerichteten Aufruf verbunden, Sanktionen mehr Zeit zu lassen. Auch Netanjahu hatte sich sehr zufrieden mit der Rede geäußert.

Bei früheren Treffen der beiden Staatsmänner waren Differenzen etwa über den Friedensprozess mit den Palästinensern wiederholt offen zutage getreten.

Lieberman forderte, die Fragen des weiteren Vorgehens gegen das befürchtete iranische Atomwaffenprogramm hinter verschlossenen Türen zu erörtern. Entscheidungen sollten »still und verantwortlich getroffen werden. Das ganze Gerede hilft niemandem«, warnte er. Obama hatte in seiner AIPAC-Rede deutlich gemacht, dass er im Verhältnis zu Iran weiter auf Diplomatie und zugleich Druck setzt. Er drohte dem Regime in Teheran, dass seine Bereitschaft zu militärischen Schritten zunehme.

»Iran sollte keine Zweifel an der Entschlossenheit der USA haben«, unterstrich Obama. Teheran sollte auch keinen Zweifel am »souveränen Recht« Israels hegen, eigene Entscheidungen über den Schutz seiner Sicherheitsinteressen zu fällen.

Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) verfolgt unterdessen das iranische Atomprogramm weiter mit Sorge. IAEA-Generalsekretär Yukiya Amano sagte am Montag zu Beginn einer einwöchigen Sitzung des Gouverneursrates in Wien, seine Organisation sei »tief beunruhigt über eine mögliche militärische Dimension des iranischen Atomprogramms«. Nach zwei Besuchen von IAEA-Inspektoren in Iran hatte es zwischen der Regierung in Teheran und der IAEA keine Einigung über die weitere Überprüfung der iranischen Atomanlagen gegeben.

Der IAEA-Gouverneursrat, in dem 35 Staaten vertreten sind, tagt hinter verschlossenen Türen. Der Text der Eröffnungsrede Amanos wurde publik gemacht.

Die IAEA hatte in einem Bericht im November erklärt, es gebe »glaubwürdige« Hinweise, dass in den iranischen Atomanlagen entgegen den offiziellen Beteuerungen aus Teheran an einem militärischen Programm gearbeitet worden sei.

Seine Organisation werde aber auch in Zukunft zu einer »konstruktiven Zusammenarbeit« mit Iran bereit sein, versicherte Amano. Dabei müsse es darum gehen, das Vertrauen in eine »ausschließlich friedliche Nutzung der Atomenergie möglichst schnell wiederherzustellen«.

Amano forderte die Mitglieder des Gouverneursrates auf, für das weitere Vorgehen neue Anregungen einzubringen. »Um eine Lösung zu erreichen, sind die Ansichten der Mitgliedsländer von vitaler Bedeutung», betonte der IAEA-Chef.

Es war unklar, ob eine weitere Resolution des Gouverneursrates beschlossen werden sollte. Russland und China sperren sich grundsätzlich gegen eine allzu harsche Verurteilung der iranischen Atomaktivitäten.

Möglicherweise werden auch neue Verhandlungen im Kreis der fünf UN-Vetomächte sowie Deutschlands und Irans angestrebt. Der iranische Chefunterhändler Said Dschalili hatte sich Mitte Februar zu solchen Gesprächen bereit erklärt.

* Aus: neues deutschland, 6. März 2012


Nicht alle Wünsche erfüllt

Obama kommt Israel und seiner Lobby nur teilweise entgegen. Keine offizielle Festlegung auf "rote Linie" für Krieg gegen Iran

Von Knut Mellenthin **


Barack Obama hat sich erneut zum uneingeschränkten Recht Israels bekannt, im Alleingang einen Krieg gegen Iran zu beginnen. Der US-Präsident sprach am Sonntag (4. März) auf der dreitägigen Jahreskonferenz der Pro-Israel-Lobby AIPAC kurz nach deren Eröffnung. Niemand dürfe, sagte Obama unter starkem Applaus, »Israels souveränes Recht in Frage stellen, selbst zu entscheiden, was erforderlich ist, um seine Sicherheitsbedürfnisse zu erfüllen«. Die Pflicht der USA bestehe darin, die Mittel für einen solchen Krieg – vor dem viele internationale Politiker als »Katastrophe« für die Region warnen – zur Verfügung zu stellen. »Wir werden das Notwendige tun, um Israels qualitativen militärischen Vorsprung aufrechtzuerhalten, weil Israel ständig die Fähigkeit haben muß, sich selbst mit eigenen Mitteln gegen jede Bedrohung zu verteidigen.«

Mit seinem Satz über »Israels souveränes Recht« griff der Präsident offensichtlich eine Formulierung des israelischen Außenministers Avigdor Lieberman auf, die dieser kurz zuvor verwendet hatte. Grundsätzlich wurde dieses Thema aber schon im Juli 2009, ein halbes Jahr nach Obamas Amtsantritt, geklärt. Damals sagte Vizepräsident Joe Biden in einem Interview mit dem US-amerikanischen Sender ABC: Israel sei berechtigt, jederzeit den Iran anzugreifen. »Wir können einem souveränen Staat nicht vorschreiben, was er darf und was er nicht darf, wenn sie die Entscheidung treffen, daß ihr Überleben von einem anderen Land bedroht ist.«

Kurz darauf bestätigte der Sprecher des Außenministeriums, Ian Kelly, auf einer Pressekonferenz daß dies die offizielle Haltung der Obama-Administration sei. Der Frage, ob das »grünes Licht« für einen Angriff bedeute, wollte Kelly nur deshalb nicht zustimmen, weil Israel dafür von niemandem grünes Licht benötige.

In seiner Rede auf der AIPAC-Konferenz am Sonntag ging Obama mit keinem Satz darauf ein, was eine israelische Angriffsentscheidung für die Region, möglicherweise auch für die Welt insgesamt und insbesondere für die USA bedeuten würde, die fast automatisch in diesen Krieg hineingezogen würden. Der Präsident verzichtete vor diesem Publikum auch auf jede Warnung, daß Militäroperationen zum jetzigen Zeit vielleicht »unklug« sein könnten, wie führende Militärs und Geheimdienstler der USA in den vergangenen Wochen geäußert hatten. Die israelische Regierung hatte solche Aussagen als »Einmischung in die inneren Angelegenheiten« ihres Landes zurückgewiesen. Obama beschränkte sich jetzt auf die Bitte, der »Diplomatie« – gemeint ist damit die Erpressung Irans durch immer schärfere Sanktionen und permanente Kriegsdrohungen – noch eine Chance zu geben, ohne den Zeitrahmen dafür zu präzisieren.

Der Präsident kam in seiner Rede jedoch nicht dem israelischen Drängen nach, sich öffentlich auf irgendeine »rote Linie« festzulegen, an deren Überschreiten Iran von der geballten Militärmacht der USA gehindert werden würde. Politischer Dissens wurde auch in Obamas Aussage deutlich, seine Politik sei es, »Iran davon abzuhalten, Atomwaffen zu bekommen«. Israel und der AIPAC fordern, daß die US-Regierung schon das Erreichen einer – nicht klar zu definierenden – »Atomwaffenfähigkeit« Irans zum Kriegsgrund erklären müsse. Außenministerin Hillary Clinton hatte sich diese Formel am vorigen Mittwoch in einer Anhörung des Außenpolitischen Ausschusses des Abgeordnetenhauses zu eigen gemacht.

** Aus: junge Welt, 6. März 2012


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