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Neue Runde im Atomstreit

Genf: Verhandlungen über iranisches Atomprogramm wiederaufgenommen

Von Knut Mellenthin *

In Genf setzen heute die Vertreter Irans und der Sechsergruppe ihre Gespräche über eine Lösung des Streits um das iranische Atomprogramm fort, die sie am Dienstag begonnen hatten. Irans Verhandlungspartner sind die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats – China, Frankreich, Großbritannien, Rußland und die USA –, ergänzt durch Deutschland. Es ist die erste Begegnung dieser Art, seit Irans neuer Präsident Hassan Rohani am 3. August sein Amt angetreten hat.

Im Vorfeld der Genfer Gespräche hatten eine kurze telefonische Unterhaltung zwischen Rohani und seinem US-amerikanischen Kollegen Barack Obama sowie eine Begegnung zwischen den Außenministern beider Länder, John Kerry und Mohammed Dschawad Sarif, für vorsichtigen Optimismus gesorgt. Dabei handelt es sich aber bisher ausschließlich um einen oberflächlichen Stimmungswandel, der durch keinerlei praktische Maßnahmen unterstützt wird.

Sarif hatte vor einigen Tagen angekündigt, daß er mit neuen Vorschlägen seines Landes nach Genf kommen werde. Michael Mann, der Sprecher der EU-Außenpolitikchefin Catherine Ashton, teilte am Dienstag mit, daß die Iraner tatsächlich zu Beginn der Sitzung ihre Vorstellungen »im PowerPoint-Format« präsentiert hätten, wollte sich zu deren Inhalt jedoch nicht äußern. Auch von iranischer Seite gab es zunächst nur nichtssagende Andeutungen. Die Verhandlungen zwischen Iran und der Sechsergruppe werden seit Jahren weitgehend geheim geführt, und es sickern tatsächlich nur sehr selten Details durch.

Ob die Iraner überhaupt konkrete Vorschläge nach Genf mitgebracht haben, und nicht nur über einen technischen Fahrplan für den Fortgang der Verhandlungen sprechen wollen, blieb zunächst offen. Die iranische Seite hätte es erklärtermaßen bevorzugt, wenn das Genfer Treffen auf Außenminister­ebene stattgefunden hätte, und strebt dieses Format zumindest für die Zukunft an.

Israel hat noch vor Beginn der neuen Verhandlungsrunde öffentlich sein Veto gegen jede diplomatische Lösung des Streits eingelegt. Das sogenannte Sicherheitskabinett, dem nur die Leiter einiger Schlüsselministerien angehören, verabschiedete am Montag – einstimmig, wie ausdrücklich betont wurde – eine scharf formulierte Stellungnahme, in der jedes »Zugeständnis« abgelehnt und das Festhalten an allen Sanktionen gefordert wurde. Der »Druck auf Iran« müsse fortgesetzt und verstärkt werden, solange sich Teheran nicht uneingeschränkt allen Forderungen unterwirft.

Volle Unterstützung erhielt die Regierung von Benjamin Netanjahu durch zehn US-Senatoren, die am Montag einen offenen Brief an Präsident Obama veröffentlichten. Sechs der Unterzeichner sind Demokraten, vier Republikaner. Unter ihnen sind mit den Republikanern John McCain und Lindsey Graham sowie den Demokraten Robert Menendez und Charles Schumer vier notorische Hardliner, die eng mit der Pro-Israel-Lobby verbunden sind.

In ihrem Aufruf fordern die zehn Politiker von der US-Regierung, »eine glaubwürdige militärische Drohung auf dem Tisch zu lassen« und »die gegenwärtigen Sanktionen aggressiv aufrechtzuerhalten«. Deren praktische Anwendung müsse sogar noch verstärkt werden.

Nur wenn Iran sich bereit erkläre, jede Anreicherung von Uran einzustellen – eine irreale Voraussetzung –, könne als Gegenleistung angeboten werden, auf einige derzeit schon im Kongreßverfahren steckende zusätzliche Strafmaßnahmen zu verzichten. Aber erst nach der »realen, transparenten und überprüfbaren« Umsetzung dieses Versprechens könne daran gedacht werden, schrittweise an die Aufhebung der jetzt geltenden Sanktionen zu gehen. Dabei müsse jedoch neben der »Demontage des iranischen Atomwaffenprogramms« auch die »Mißachtung der Menschenrechte«, die »Verweigerung grundlegender bürgerlicher Freiheiten« und die »Destabilisierung der Region« durch den Iran berücksichtigt werden.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 16. Oktober 2013


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