Teheran antwortet mit Todesstrafen
Iranische Justiz will fünf Teilnehmer an Demonstrationen gegen Regierung hinrichten lassen
Von Jan Keetman, Istanbul *
Wegen der Proteste gegen die Wiederwahl von Präsident Mahmud
Ahmadinedschad sind in Iran bisher fünf Personen zum Tode verurteilt
worden. Wie das iranische Fernsehen unter Berufung auf eine Erklärung
der Staatsanwaltschaft in Teheran berichtete, wurden sie für schuldig
befunden, mit »Terroristen oder der Opposition« in Verbindung gestanden
zu haben. Die Todesstrafe wurde auch gegen zwölf Kurden verhängt, die
bewaffneten Untergrundgruppen angehören sollen.
Die Justiz von Teheran hat darüber informiert, dass bisher im
Zusammenhang mit den Massendemonstrationen gegen vermuteten Betrug bei
der Wahl des Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad im Juni fünfmal die
Todesstrafe verhängt wurde. Den Verurteilten wird vorgeworfen,
Beziehungen zu »antirevolutionären, terroristischen oder oppositionellen
Gruppen« gehabt zu haben. Die Namen der Verurteilten sollen erst nach
Abschluss eventueller Berufungsverhandlungen bekanntgegeben werden.
Außerdem erklärte die Justiz, dass insgesamt 89 Verfahren entschieden
worden seien. Außer den fünf Todesurteilen seien gegen 81 Angeklagte
Freiheitsstrafen zwischen einem halben Jahr und 15 Jahren Gefängnis
verhängt worden.
Von Beobachtern wird vermutet, dass es noch eine große Zahl weiterer
Prozesse hinter verschlossenen Türen gibt. Insbesondere ist nicht
bekannt, wie es um die Verfahren gegen einige prominente Reformer steht,
die im August in Filmaufnahmen von einem größeren Prozess zu sehen waren.
Indessen ist nach den Demonstrationen vom 4. November wieder Ruhe in
Teheran eingekehrt. Weitere Proteste bei sich bietender Gelegenheit sind
aber durchaus wahrscheinlich. Selbst mit einem großen Aufgebot an
Sicherheitskräften ist die Lage in Teheran schwer unter Kontrolle zu
halten. Neben Angst vor Repression herrscht bei vielen auch Enttäuschung
über den unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Mir Hussein Mussawi.
Bei Demonstrationen lässt er sich nicht mehr blicken. Es mag sein, dass
er daran gehindert wird, aber sein Mitbewerber Mehdi Karrubi schaffte es
am 4. November auf die Demonstration. Der Geistliche mit schwarzem
Turban und weißem Bart, der unter Präsident Mohammed Chatami das
wichtige Amt des Parlamentssprechers innehatte, marschierte eifrig mit.
Karrubi hat seit der Wahl mehr als einmal Mut bewiesen. Dies nicht
zuletzt mit der Veröffentlichung von Berichten über sexuelle
Misshandlungen von festgenommenen Demonstranten, weswegen ihm ein
Prozess droht.
Mut wurde auch immer wieder von Frauen gezeigt. Viele sagen, dass die
Frauen die eigentlichen Aktivisten bei den Kundgebungen sind. Von den 90
Demonstranten, die am 4. November festgenommen wurden, waren 70 Frauen.
Frauen werden in Iran nicht nur wegen ihrer Kleidung gegängelt, sie
werden auch in vielen anderen Fragen benachteiligt.
Jene fünf Demonstranten sind nicht die einzigen, denen derzeit in Iran
die Hinrichtung droht. Wie aus einem Offenen Brief der Gesellschaft für
bedrohte Völker an Bundeskanzlerin Angela Merkel hervorgeht, warten
zwölf namentlich bekannte iranische Kurden auf die Vollstreckung der
bereits gegen sie verhängten Todesstrafen. Alle sollen, heißt es in dem
Appell, Mitglieder oder Sympathisanten einer politischen Gruppe sein,
die bewaffnet gegen die Regierung kämpft.
Bereits am Dienstag sind nach Berichten der Teheraner Zeitung »Kayhan«
zwei Männer und eine Frau wegen Drogenhandels gehenkt worden. Die
Gesamtzahl der in diesem Jahr in Iran hingerichteten Personen stieg
damit nach einer AFP-Zählung auf 254.
* Aus: Neues Deutschland, 19. November 2009
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