Irans Studenten unter Druck
Regimekritiker werden weiter von den Universitäten entfernt
Von Khalid Bahman *
Irans Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad geht weiter hart gegen kritische Studenten vor. Die
reformorientierten Kräfte im Land hingegen setzen Hoffnungen auf sie – als Unterstützung im
nächsten Wahlkampf.
Beim letzten Mal wurde er ausgebuht und seine Bilder zerrissen. Er wurde als Diktator und Lügner
beschimpft. Irans Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad hatte dieses Erlebnis vor einem Jahr
wohl noch in guter Erinnerung, als er kürzlich an der Teheraner Universität eine Rede zur Eröffnung
des akademischen Jahres hielt. Denn diesmal hatte er vorgesorgt. Zutritt zum Saal erhielten nur
loyale Studenten, wie die Mitglieder der paramilitärischen Freiwilligenmiliz Basitschi-e Mostasafan,
die freien Zugang zu den Universitäten haben. Neben dem Studium haben sie dort die Aufgabe,
»ungläubige und konterrevolutionäre« Studenten zu bespitzeln. Sie haben zahlreiche islamische
Studentenschaften gebildet und ihre Zusammenarbeit mit staatlichen Organen ist kein Geheimnis.
Trotz starker Sicherheitsvorkehrungen demonstrierten wieder Studenten gegen Ahmadinedschad –
diesmal vor den Toren der Teheraner Universität. Sie riefen »Tod dem Diktator«, verglichen den
Präsidenten mit dem früheren chilenischen Diktator Augusto Pinochet und forderten die Freilassung
inhaftierter Kommilitonen. Nach Handgreiflichkeiten der Demonstranten mit Anhängern von
Ahmadinedschad schritt die Polizei ein. Sie ging mit Schlagstöcken und Tränengas gegen die
demonstrierenden Studenten vor.
Die Beziehung von Ahmadinedschad zu Studierenden und Professoren ist enorm gestört. Seit seiner
Wahl zum Staatspräsidenten ist er zugleich der Chef des Oberstenrats der Kulturrevolution. Seitdem
wurden gegen 550 Studenten Disziplinarmaßnahmen verhängt und diese von den Universitäten
entfernt. Über 100 Professoren und Universitäts-Rektoren wurden unfreiwillig in den Ruhestand
versetzt – unabhängig von ihrem Alter. Über 130 studentische Publikationen wurden verboten. Als
Beweis für die Verhaftung dreier Studenten diente ein durch das Geheimdienstministerium
gefälschtes Studentenblatt. Darin sollen die Studenten angeblich den Propheten Mohammed
beleidigt haben! Die Studenten wurden monatelang in Isolationshaft gehalten und gefoltert.
Mitglieder der Studentenorganisation Daftare Tahkim Vahdat verfassten drei Tage vor dem Auftritt
Ahmadinedschads in der Teheraner Universität einen offenen Brief, in dem sie ihn mit mehreren
Vorwürfen und Ungereimtheiten seiner Politik konfrontieren. So habe er zwar dem USamerikanischen
Präsidenten Georg Bush angeboten, in der Teheraner Universität frei reden zu
können. Sie selbst und ihre entlassenen Dozenten hingegen dürften nicht mit Ahmadinedschad
diskutieren. Sie fragen außerdem mit welcher Befugnis er Studenten von der Universität entfernen
und verhaften lasse und wann freie Parteien in Iran zugelassen werden. Der Fragekatalog der
Studenten geht hin bis zu Kritik an Ahmadinedschads Holocaust-Leugnungen.
Irans nationaler Studentenverband Tahkime Vahdat wurde nach einem Erlass des Obersten
Revolutionsführers Ayatollah Khomeini gegründet und finanziell unterstützt. Tahkim Vahdat wurde
vorgeblich geschaffen, um Khomeinis ideologischen Islam in der Studentenschaft zu stärken.
Eigentlicher Grund war jedoch, dass man die liberalen und linksgerichteten Studentenorganisationen
verdrängen wollte. Heute, 28 Jahre nach der Revolution, gehört Tahkim Vahdat zu den lautesten
Kritikern des Regimes. Die Organisation ist im ganzen Land aktiv und im Fokus der politischen
Lager in Iran. Die Erzkonservativen und die reformorientierten Kräfte haben dabei völlig
unterschiedliche Absichten. Die Erzkonservativen um Ahmadinedschad wollen die Studenten mit
Verhaftungen und Exmatrikulierung einschüchtern. Die Reformisten sehen in der Organisation
Unterstützung für die Rückkehr an die Macht. Am 16. März 2008 findet in Iran die Parlamentswahl
statt.
Zur Zeit sind die Studenten der Prügelknabe der Nation. Die Teheraner Tagszeitung Kayhan
beschimpfte die Demonstranten gegen Mahmud Ahmadinedschad als »Lakaien des israelisch-USamerikanischen
Verbrechers«.
Mahmud Ahmadinedschad hatte in seiner Rede in der Columbia Universität behauptete »Iran hat die
meisten Freiheiten der Welt«. Er hat damit wohl gemeint, dass das Militär, die Sittenwächter und das
Geheimdienstministerium die Freiheit haben, Kritiker, Studenten, Arbeiter, Frauen und Journalisten
zu verfolgen und aus dem Gesellschaftsleben auszuschließen.
* Aus: Neues Deutschland, 22. Oktober 2007
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