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USA-Iran: "Der USA-Motor ist heiß gelaufen"

Interview (deutsch) mit dem ehemaligen UN-Diplomaten Hans-Christof von Sponeck anlässlich einer Tagung der KUALA LUMPUR INITIATIVE TO CRIMINALISE WAR / Declaration (english)

Hans-Christof von Sponeck stand mehr als 30 Jahre lang in den Diensten der UNO und leitete ab 1998 das Programm »Öl für Lebensmittel« in Irak. Er trat aus Protest gegen die Sanktionspolitik und ihre katastrophalen Folgen für die Bevölkerung im Februar 2000 von seinem Amt zurück. Im malaysischen Kuala Lumpur nahm Sponeck letzte Woche (21./22. Juni 2006) an einem Forum der "Perdana Global Peace Organisation" teil, das zur Kriminalisierung des Krieges aufrief. ND-Autor Alois Leinweber befragte den ehemaligen Diplomaten.*



ND: Welche Bedeutung hatte das Forum in Kuala Lumpur für Sie?

Sponeck: Ich halte es für wichtig, dass Fragen der Kriegstreiberei viel mehr ins Bewusstsein der Öffentlichkeit eindringen. Dieses Ziel verfolgt die Organisation, zu deren internationalem Beirat ich gehöre, durch ihre »Kuala Lumpur Deklaration« und ihr Aktionsprogramm, Netzwerke mit Partnern in Europa, Lateinamerika und Asien aufzubauen. Das ist meine Hoffnung, dass die Isolation, in der viele Friedensorganisationen arbeiten, aufgehoben wird. Sonst wird überhaupt nichts erreicht werden. Angesichts einer USA-Politik im Sinne des »Projekts für das Neue Amerikanische Jahrhundert«, einer Politik der aggressiven Eindämmung jeglicher Versuche, die in irgendeiner Weise Konkurrenz für die Amerikaner darstellen könnten, besteht die Gefahr einer Eskalation: Wenn es erforderlich ist, Krieg zu führen, wird Krieg geführt, wenn nötig auch ohne UNO-Unterstützung. Wenn das an mehreren Stellen gleichzeitig notwendig erscheint, wird das auch geschehen. Man bekommt Angst, wenn man sieht, was sich da tut.

Was heißt das für die Situation in Iran? Es soll Pläne geben, in Iran auch »bunker buster« genannte kleine Atomsprengköpfe einzusetzen.

Ich bin überzeugt, dass die US-Amerikaner das alles auf dem Reißbrett schon geplant haben. Ob aus der Theorie die Praxis wird, hängt von vielen Faktoren ab. Die Amerikaner wollen auf jeden Fall auf Abruf bereit sein, so etwas umzusetzen. Iran hat der Internationalen Atomenergiebehörde Informationen über seine Nuklearforschungsarbeit verheimlicht, das ist richtig. Das ist durch Zufall herausgekommen. Aber immer mehr Länder – und so auch Iran – sagen heute: Wir sind nicht mehr bereit, mit zwei Ellen gemessen zu werden. Niemand aus der westlichen Welt erinnert die USA daran, dass sie im Sinne des Abrüstungsvertrages die Verpflichtung haben, weder zu forschen noch ihr Arsenal zu erweitern. Die USA scheuen sich im Gegenteil nicht, öffentlich zu bekennen, dass sie neue Systeme entwickeln, diese »Minibuster« bauen und in der Lage sind, andere Nuklearwaffen einzusetzen. Da ist die Frage sehr berechtigt, warum man von Iran verlangt, seine Forschungen, die ja bisher auf zivile Nutzung gerichtet sind, einzustellen. Iran wird weiter forschen. Das ist doch eine ganz natürliche Reaktion. Die Iraner werden sicher nur dann an den Verhandlungstisch gehen, wenn das ohne Vorbedingungen geschehen kann.

Welches Echo findet die USA-Politik international?

Die Iran-Krise hat erstmals einen neuen Aspekt sichtbar gemacht: Die Realisten in Washington haben gemerkt, dass ihr Motor heiß gelaufen ist. Einerseits fehlen Kapazitäten angesichts der Tatsache, dass das Irak-Problem noch nicht gelöst ist, andererseits scheinen sie gemerkt zu haben, dass sie immer einsamer geworden sind. Auch aus Europa, selbst aus London, kommt nicht mehr die Unterstützung, die es mal gegeben hat. Das hat sich auch bei der Shanghaier Kooperationsorganisation gezeigt. Iran war eingeladen. Vor allem seitens Russlands und Chinas baut sich eine ganz harte Front gegen die Hegemonialpolitik der US-Amerikaner auf. Auch in Südamerika kommt einiges in Bewegung.

Welche Rolle spielen die EU und insbesondere Deutschland?

Dass England, Frankreich und Deutschland gemeinsam eine Initiative zur Lösung des Iran-Konflikts starten, ist ebenfalls neu, das hat es während des Irak-Krieges nie gegeben.

Was erwarten Sie von der UN?

Im Falle des Irak-Krieges hat sich der Sicherheitsrat mitschuldig gemacht. Der Rat hat gewusst, welche Katastrophe in Irak wegen der Sanktionen droht, die einen Verstoß gegen die UN-Charta darstellten. Ich erwarte mehr Mut, auch vom Generalsekretär, und mehr Transparenz und die ganz bewusste Verhinderung der Versuche einer Großmacht, alles zu dominieren. Die UN braucht Reformen. Ich glaube allerdings nicht, dass sie ernsthafte Formen annehmen können, bevor in den USA die politischen Weichen gestellt worden sind. Solange solche unmöglichen und gefährlichen Menschen wie John Bolton (UN-Botschafter der USA) das Sagen haben, wird da nicht viel herauskommen.

* Aus: Neues Deutschland, 26. Juni 2006

THE KUALA LUMPUR INITIATIVE TO CRIMINALISE WAR

17th December 2005

THE Kuala Lumpur Global Peace Forum of concerned peoples from all five continents

UNITED in the belief that peace is the essential condition for the survival and well-being of the human race,

DETERMINED to promote peace and save succeeding generations from the scourge of war,

OUTRAGED over the frequent resort to war in the settlement of disputes between nations,

DISTURBED that militarists are preparing for more wars,

TROUBLED that use of armed force increases insecurity for all,

TERRIFIED that the possession of nuclear weapons and the imminent risk of nuclear war will lead to the annihilation of life on earth.

To achieve peace we now declare that:
  • Wars increasingly involve the killing of innocent people and are, therefore, abhorrent and criminal.
  • Killings in war are as criminal as the killings within societies in times of peace.
  • Since killings in peace time are subject to the domestic law of crime, killings in war must likewise be subject to the international law of crimes. This should be so irrespective of whether these killings in war are authorized or permitted by domestic law.
  • All commercial, financial, industrial and scientific activities that aid and abet war should be criminalised.
  • All national leaders who initiate aggression must be subjected to the jurisdiction of the International Criminal Court.
  • All nations must strengthen the resolve to accept the purposes and principles of the United Nations Charter and institute methods to settle international disputes by peaceful means and to renounce war.
  • Armed force shall not be used except when authorised by a Resolution passed by two-thirds majority of the total membership of the General Assembly of the United Nations.
  • All legislators and all members of Government must affirm their belief in peace and pledge to strive for peace.
  • Political parties all over the world must include peace as one of their principal objectives.
  • Non-Governmental Organisations committed to the promotion of peace should be set up in all nations.
  • Public servants and professionals, in particular in the medical, legal, educational and scientific fields, must promote peace and campaign actively against war.
  • The media must actively oppose war and the incitement to war and consciously promote the peaceful settlement of international disputes.
  • Entertainment media must cease to glorify war and violence and should instead cultivate the ethos of peace
  • All religious leaders must condemn war and promote peace.
To these ends the Forum resolves to establish a permanent Secretariat in Kuala Lumpur to:

IMPLEMENT this Initiative.

OPPOSE policies and programmes that incite war.

SEEK the cooperation of NGOs worldwide to achieve the goals of this Initiative.

Signed by:

Tun Dr Mahathir Mohamad
Imam Feisal Abdul Rauf
Prof Francis A. Boyle
Dr. Helen Caldicott
Mr Matthias Chang
Prof Michel Chossudovsky
Prof Shad Saleem Faruqi
Mr Denis J. Halliday
Dato’ Mukhriz Mahathir
Dr Chandra Muzaffar
Dato’ Michael O.K. Yeoh
Mr Hans-Christof Von Sponeck


Quelle: http://perdana4peace.org/declaration.html


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