Der Iran und sein Atomprogramm
Eine völkerrechtliche Betrachtung
Eine Analyse von YVONNE SCHMIDT *
Seit mehreren Jahren ist der Iran im Zusammenhang mit
dem vor rund 15 Jahren wieder intensiv aufgenommenen
aber schon vor Jahrzehnten begonnenen Atomprogramm in
die internationalen Schlagzeilen geraten. Gegenstand dieses
Artikels ist die Darstellung völkerrechtlicher Fragen rund um
das Atomgramm des Iran. Der erste Teil stellt eine allgemeine
Erläuterung zum Atomwaffensperrvertrag (NVV) sowie der
beiden IAEO Sicherungsabkommen INFCIRC/153 und INFCIRC/
540 dar, um die völkerrechtlichen Grundlagen des zur
Anwendung kommenden Kontroll- und Verifikationsregimes
in grundsätzlicher Hinsicht zu erklären. Der zweite Teil geht
dann in spezifischer Weise auf das Atomprogramm des Iran
ein. Die Motive und die Chronik sowie die politischen Verquickungen
und rechtlichen Konsequenzen werden hier dargestellt.
Die internationale Krise rund um das iranische Nuklearprogramm
hatte zur Folge, dass es zur Verabschiedung
von zahlreichen IAEO-Reports und Statements, sowie neun
IAEO-Resolutionen und fünf UN-Sicherheitsrats-Resolutionen
[1696 (2006), 1737 (2006), 1747 (2007), 1803 (2008) und 1835
(2008)] kam, und eine beträchtliche Fortentwicklung des Nuklearregimes
auf völkerrechtlicher Ebene einsetzte. Der letzte
Teil rekapituliert die rechtlichen und politischen Fakten und
skizziert Lösungsvorschläge.
Der Atomwaffensperrvertrag und die IAEO-Sicherungsmaßnahmen
Der Atomwaffensperrvertrag vom 1. Juli 1968
Der Atomwaffensperrvertrag oder Nukleare Nichtverbreitungsvertrag
(NVV)[1] wurde am 1. Juli 1968 von den damaligen
fünf offiziellen Atommächten (USA, Russland, GB, F,
China) unterzeichnet und ist am 5. März 1970 in Kraft getreten.
Diesem multilateralen völkerrechtlichen Vertrag gehören
derzeit 190 Staaten an.[2] Der Iran unterzeichnete den
Atomwaffensperrvertrag am 1. Juli 1968 und gehört somit zu
jenen Staaten, die das Vertragswerk als Erste unterschrieben
haben. Die Ratifizierung erfolgte durch das iranische Parlament
(Majilis) am 2. Februar 1970.[3] Israel, Indien und Pakistan
haben den NVV niemals unterzeichnet und eigneten sich
Atomwaffen in Geheimprojekten an (Israel 1968,[4] Indien
1974,[5] Pakistan 1990 [6]). Nordkorea erklärte im Januar 2003
den Rückzug vom NVV.[7]
Ursprünglich war die Gültigkeit des NVV auf 25 Jahre begrenzt,
weil er völkerrechtlich betrachtet eine Einmaligkeit
darstellte. Denn er teilt die laut UN-Charta gleichberechtigten
Nationalstaaten der Erde in zwei Gruppen ein: jene, die
Atomwaffen laut NVV legal besitzen dürfen und diejenigen,
denen das nicht erlaubt ist. Regelmäßig finden alle fünf Jahre
Überprüfungskonferenzen des NVV statt. Auf der Konferenz
im Jahre 1995 wurde der NVV auf unbegrenzte Zeit verlängert.[8]
Der NVV verbietet den offiziellen Nuklearwaffenstaaten
die Weitergabe von Nuklearwaffen an Nicht-Nuklearwaffenstaaten
sowie jede Hilfestellung oder Beeinflussung der Nicht-
Nuklearwaffenstaaten zum Bau von Nuklearwaffen (Art. I).
Weiter verbietet der NVV den Nicht-Nuklearwaffenstaaten
den Erwerb und die Herstellung von Nuklearwaffen, und
keine Unterstützung zur Herstellung anzunehmen (Art. II).
Der NVV sieht weiter vor, dass jeder Nicht-Kernwaffenstaat,
der Vertragsstaat (VS) ist, verpflichtet ist, Sicherungsmaßnahmen
anzunehmen, welche dazu dienen, die Erfüllung seiner
Verpflichtungen aus diesem Vertrag nachzuprüfen, umzu
verhindern, dass Kernenergie von der friedlichen Nutzung abgezweigt
und für Kernwaffen oder Kernsprengkörper verwendet
wird. (Art. III). Unberührt bleibt nach dem NVV das
unveräußerliche Recht jedes VS, ohne Diskriminierung und
unter Einhaltung der Art. I u. II, die Erforschung, Erzeugung
und Verwendung der Kernenergie für friedliche Zwecke zu
entwickeln (Art. IV). Mit Art. IV wird die strukturelle Schwäche
des international-rechtlichen Nuklearregimes sichtbar.
Zwar hat jeder VS das »unveräußerliche« Recht, die Kernenergie
für friedliche Zwecke zu verwenden, doch werden
damit auch jene Teile des friedlichen Brennstoffkreislaufes
(z.B. Anreicherung von Uran und die Wiederaufbereitung)
umfasst, die -- ausgelöst durch die »dual nature« der Atomenergie
-- im Falle des Irans im Mittelpunkt der Kontroverse
stehen. Uran ist im niedrig angereicherten Zustand (LEU-low
enriched uranium) für den Betrieb von Atomkraftwerken notwendig,
gleichzeitig kann es, wenn hoch angereichert (HEUhigh
enriched uranium) für Atomwaffen verwendet werden.
Waffenfähiges Plutonium kann durch Wiederaufbereitung
von Brennstäben, die in Atomkraftwerken verwendet wurden,
erlangt werden. So könnte sich ein Staat eine umfassende
Nukleartechnologie unter demVorwand der friedlichen
Verwendung aneignen, gleichzeitig diese jedoch für Art. II
NVV widersprechende militärische Zwecke verwenden, und
sich so eine Atomwaffenoption verschaffen. Laut Art. VI NVV
ist jeder VS verpflichtet, Verhandlungen zu führen über wirksame
Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens
in naher Zukunft, und zur nuklearen Abrüstung, sowie
über einen Vertrag zur allgemeinen un vollständigen Abrüstung
unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle.
Das Modellabkommen INFCIRC/153 und das Zusatzabkommen INFCIRC/540
Unter Verifikations- /Sicherungsmaßnahmen (Safeguards) der
IAEO versteht man ein gemäß Art. III NVV etabliertes Überprüfungssystem,
das auf nationalen Deklarationen und internationalen
Verifikationen nuklearer Brennstoffkreisläufe
basiert.[9] Gemäß Art. III.1 u. 4 NVV verpflichtet sich jeder
Vertragsstaat mit der IAEO Verhandlungen über ein Sicherheitsabkommen
aufzunehmen,[10] das spätestens 18 Monate nach
dem Tag des Verhandlungsbeginns in Kraft treten muss. Allerdings
hat die IAEO im Anwendungsbereich des NVV kein
Druckmittel, dass es tatsächlich zu einemAbschluss kommt.[11]
Den Verhandlungen wird von Seiten des IAEO-Sekretariates
dasModellabkommen INFCIRC/153 [153][12] zu Grunde gelegt.
Ziel des Modellabkommens INFCIRC/153 ist es, zu überprüfen,
ob Kernmaterial von der friedlichen Nutzung zur Produktion
von Kernsprengkörpern abgezweigt wird (§§1 und 2
[153] -- »Abzweigungsdelikt«). §28 [153] erwähnt als zusätzliches
Ziel der Überprüfung die Abschreckungsfunktion. Um
Abschreckung zu erreichen, sieht §1 vor, dass sämtliches
»source or special fissionable material«, welches sich auf
Grund friedlicher Aktivitäten auf staatlichem Territorium
oder unter staatlicher Hoheitsgewalt befindet, den
Überprüfungstätigkeiten unterliegt.[13]
Die Begriffe »source or special fissionable material« werden
im Art. XX IAEO-Statut -- der auf §112 [153] verweist und
eine taxative Aufzählung enthält -- konkretisiert. Rohmaterial
liegt nicht im Anwendungsbereich. Nuklearmaterial nach
§34c [153] soll nur im Falle der Eignung für die Brennstoffherstellung
oder Isotopenanreicherung Kontrollen unterliegen.
Urankonzentrat (»Yellow Cake«)[14] fällt nicht darunter.
Um feststellen zu können, ob es zur Abzweigung derartigen
Materials gekommen ist, werden dem Staat Aufzeichnungs-
und Berichtspflichten auferlegt. Deren Richtigkeit
wird durch Inspektionen überprüft.
Der Staat hat Anlageninformationen über bestehende Anlagen
der IAEO zur Verfügung zu stellen (§42 [153]). Neue Anlagen
müssen innerhalb einer genau festzulegenden Frist vor
Einführung von Nuklearmaterialmitgeteilt werden. §106 [153]
definiert den Begriff der Anlage: »A reactor, a critical facility, a
conversion plant, a fabrication plant, an isotope seperation
plant or a separate storage installation or any location where
nuclear material in amounts greater than one effective kilogramm
is customarily used.« Auf Grund der Anlagenberichte
werdenMaterialbilanzzonen (MBZ), die eine odermehrere Nuklearanlagen
umfassen, festgelegt (§46b [153]). Der Staat hat
über das Nuklearmaterial in jeder MBZ getrennt Aufzeichnungen
zu führen (§51 [153]). Spätestens 30 Tage nach dem
letzten Tag des Monats, in dem das Übereinkommen in Kraft
getreten ist, hat der Staat der IAEO einen Anfangsbericht über
das relevante Nuklearmaterial zukommen zu lassen (§62
[153]). Danach sind Inventurberichte über Bestandsaufnahmen
in MBZ zu erstellen, und jede Änderung im Nuklearmaterialbestand
in einer MBZ in Buchhaltungsberichten zu melden
(§63b [153]). Der Staat hat jeglichen Export oder Import
von Nuklearmaterial der IAEO mitzuteilen (§§92, 95 [153]).
Auf Seiten der IAEO sieht das Abkommen zur Überprüfung
der Verpflichtungen der Staaten Routine-, Ad-hoc- und Sonderinspektionen
vor. Erstgenannte Inspektionsform stellt die
Regel dar. Diese dienen nach §72 [153] dazu, festzustellen, ob
»reports are consistent with records«. Die Inspektoren haben
jedoch nur das Recht, vorher genau festgelegte strategische
Punkte innerhalb der MBZ aufzusuchen (§76c [153]); diese
Punkte werden auf Grund der vom Staat zu Verfügung
gestellten Anlageninformationen ausgesucht und in einer
abzuschließenden Ergänzungsvereinbarung festgelegt. Routinekontrollen
müssen grundsätzlich 24 Stunden vorher angekündigt
werden (§83c [153]). §84 [153] sieht hier eine Ausnahme
vor, die es den Inspektoren erlaubt, einige Kontrollen
unangekündigt durchzuführen, jedoch haben diese nach dem
Zufallsprinzip auf die verschiedenen Länder aufgeteilt zu werden.[15]
Die Inspektoren haben nicht Zugang zu allen Orten und
sind verpflichtet ihre Ankunft im Vorhinein anzukündigen.
Ad-hoc-Inspektionen dienen der Überprüfung des Anfangsberichtes
über das Nuklearmaterial, zur Festlegung von strategischen
Punkten und zur Etablierung von Routineinspektionen.
Ihre Hauptaufgabe besteht in der Kontrolle von Exporten
und Importen an bestimmte Orte. Die IAEO ist zu Kontrollen
nur berechtigt, wenn sie direkt vom Staat verständigt wurde.
Erfährt sie anderweitig von Importen besteht keine Berechtigung.
Sonderinspektionen (§73 [153]) werden subsidiär durchgeführt,
wenn sie zur Feststellung möglicher Abzweigungen
für notwendig erachtet werden. Dann bedarf es weiterer Informationen,
diemit demEinverständnis des Staates oder ausnahmsweise
auf Anordnung des Rates (§18 [153]) erlangt werden
können. Als »complementarymeasure« sehen §§29, 75d-e
[153] vor, dass durch die IAEO etwaige Versiegelungen und
Überwachungsgeräte angebracht werden können, wenn dies
so in der bereits erwähnten Ergänzungsvereinbarung festgehalten
wird. Wird auf Grund der Aufzeichnungen und Berichte
des Staates sowie der durchgeführten Inspektionen kein
ausreichender Anhaltspunkte für eine Abzweigung festgestellt,
so wird angenommen, dass eine solche nicht vorgekommen
ist.[16] Es kommt zu einer »positiven Verifikation«. Diese wird
nicht länderspezifisch vorgenommen, sondern jährlich für alle
überprüften Staaten allgemein im Jahresbericht festgehalten,
dass man auf keine Sachverhalte gestoßen sei, die eine Abzweigung
von Nuklearmaterial vermuten lassen. Ist es nicht
möglich, auszuschließen, dass eine Abzweigung erfolgte, sieht
dasModellabkommen ein »more graduated and facultative set
of responses« vor. Stößt die IAEO auf eine Materialbilanzdifferenz
(§111 [153]) oder auf Indizien (z.B. Verweigerung des
Zuganges) und ist es unmöglich, eine positive Verifikation
durchzuführen, hat das Sekretariat, als Verantwortlicher für
die Inspektionen, zuerst alle in ihrer Möglichkeit stehenden
Mittel (v.a. Sonderinspektionen) auszuschöpfen, um Aufklärung
zu erlangen. Können so die Zweifel dennoch nicht ausgeräumt
werden, hat der Generaldirektor dem Rat Bericht zu
erstatten. Der Rat hat hierauf die Möglichkeit, nach §18 [153]
den Staat aufzufordern, dass ein Handeln »essential and urgent
« ist, »in order to ensure verification (...).« Durch geradlinige
Tätigkeit des Staates kann eine positive Verifikation noch
festgestellt werden. Kommt der Rat aber nach Prüfung des Berichtes
des Generaldirektors zu demSchluss, dass »the Agency
is not able to verify that there has been no diversion (...)«, so
gibt §19 [153] die Möglichkeit, Sanktionen zu verhängen.
Stellt der Rat tatsächlich eine Verletzung des Verifikationsabkommens
fest, ist er verpflichtet gemäß §19 [153] mit Art. XII
C IAEO-Statut und Art. III.2 IAEO-UNO Abkommen die UNO-Organe
zu informieren. Gemäß Art. XII C IAEO-Statut ist der
Rat angehalten, alle Vertragsstaaten von einer derartigen Verletzung
zu informieren. Im Anwendungsbereich des Modellabkommens
sind diese jedoch auf Grund der Formulierung
»may make the reports« in §19 [153] fakultativ.
Am 19. Juni 1973 kam der Iran [17] seiner Verpflichtung
nach Art. III.2 NVV nach und schloss ein auf INFCIRC/153
beruhendes Verifikationsabkommen mit der IAEO ab. Dieses
Abkommen trat am 15. Mai 1974 nach innerstaatlicher Ratifizierung
in Kraft, und wurde von der IAEO unter INFCIRC/214 [214] publiziert.[18]
Das Modellabkommen INFCIRC/153 kann als Kompromiss
zwischen zwei entgegengesetzten Interessen verstanden
werden. Einerseits soll eine weite Kontrolle gewährleistet und
Sicherheit geschaffen werden, um keine Abzweigung im
Sinne Art. III.1 NVV zu ermöglichen. Andererseits ist die Souveränität
der jeweiligen Staaten so wenig wie möglich einzuschränken
und die wirtschaftliche Entwicklung nicht zu hemmen.
Dieser Zwiespalt führt dazu, dass die Anwendung dieses Abkommens in
einigen Fällen nicht ausreicht, ein waffenfähiges
Atomprogramm zu verhindern. Die Inspektoren haben
nur Zugang zu den bekannt gegebenen Anlagen und Materialien.
Der Überraschungseffekt ist damit gering.
Diese Mängel veranlassten die IAEO 1997 das Modellzusatzabkommen
INFCIRC/540 [19] in Ergänzung zum Modellabkommen
INFCIRC/153 auszuarbeiten,[20] um das Kontrollsystem
zu stärken. Informationspflicht des Staates und Zugangsrechte
der IAEO wurden erweitert. Inspektoren wurden berechtigt,
nicht deklarierte Anlagen, wo Nuklearaktivität oder
Lagerstätten vermutet werden, aufzusuchen. Nutzungsmöglichkeiten
modernster Kontrolltechnologien einschließlich
stationärer Kameras, Strahlungsdetektoren und Entnahme
von Umweltproben wurden gewährt. Bis zum 5. Juli 2009
haben 91 Staaten [21] das Protokoll ratifiziert.
Am 18. Dezember 2003 unterzeichnete der Iran nach
internationalem Druck das Modellzusatzabkommen INFCIRC/
540, jedoch wurde es bis dato nicht ratifiziert,[22] sodass
es für den Iran noch nicht in Kraft treten konnte.
Das Atomprogramm des Iran
Die Motive für das iranische Nuklearprogramm
Der Iran führt direkt oder indirektmehrere Gründe für das Betreiben
eines Atomprogramms ins Treffen. Zum einen sind es
zahlreiche ökonomische Gründe, die vorgebracht werden:
Durch die zivile Nutzung der Kernenergie soll die iranische
Wirtschaft und Gesellschaft allgemein voran gebracht werden.
Sie ist billiger als Gas, wenn einmal die Infrastruktur für Nuklear
Energie aufgebaut ist. Iran hat zwar die zweit größten
Erdgas-Reserven auf derWelt (nach Russland), ist aber zur Zeit
Netto-Importeur (exportiert 5,5 bcm in die Türkei und importiert
8 bcm von Turkmenistan). Iran ist der 6. größte Konsument
von Erdgas (US, Russland, Taiwan, UK, BRD). Große
Gas- (Russland) und Öl-Produzenten (Kanada) außerhalb des
Nahen Ostens nutzen Nuklear Energie. Kanadas Öl-Sand-
Reserven sind sogar größer als die saudischen Erdöl-Reserven.[23]
Andererseits steht auch ein massives Sicherheitsbedürfnis
im Raum, denn der Iran kann nicht nur auf die Erfahrungen
des 1. Golfkrieges (1980--1988) zurückblicken, sondern befindet
sich inmitten von Ländern, die US-amerikanische Militärstützpunkte
beheimaten und die dem Iran aus verschiedenen
(religiösen, historischen, kulturellen) Gründen nicht
unbedingt freundlich gegenüberstehen. Seit dem 11. September
2001 und besonders seit der Invasion der US-geführten
Streitkräfte am 20. März 2003 und der damit im Zusammenhang
stehenden militärischen Besatzung des Iraks
befindet sich der Iran in einer veritablen Zwickmühle. Dazu
trägt maßgeblich der in Bagdad weitgehend von der Weltöffentlichkeit
unbeachtet gebliebene Bau der größten US-Botschaft
derWelt (Größe des Vatikan) -- bestehend aus einer riesigen
US-Militärbasis [24] -- bei. Außerdem bekannten sich die
USA in der Nationalen Sicherheitsstragie 2002 offen dazu,
sog. »Schurken«-Staaten -- darunter expressis verbis der Iran --
dann im Vorhinein anzugreifen, wenn es eine »ausreichende
Möglichkeit einer Bedrohung« gibt (Präemptivdoktrin).[25] Danach
reicht eine latente Bedrohung aus, um einen Angriff zu
rechtfertigen, und es bedarf keines unmittelbar (!!) bevorstehenden
Angriffs (seitens des sog. Schurkenstaates), wie dies
in der -- auf den Kriterien des Caroline-Falles [26] aufgebauten
Präventivdoktrin -- noch notwendig war. Obwohl die Präemptivdoktrin
eindeutig gegen Völkerrecht verstößt, das seit
der Verabschiedung der UN-Charta und der Nürnberger Prinzipien [27]
auf dem Prinzip von Gewaltverbot [28] und dem Verbot
von Aggressionskriegen [29] beruht, kam es im März 2006
sogar zu einer Bestätigung der Präemptivdoktrin,[30] wobei der
Iran wieder ausdrücklich genannt wurde. Neben den USA
stützt sich aber auch Israel auf diese Doktrin und wurde herangezogen,
um den Angriff auf den irakischen Atomreaktor
Tamuz I durch Israels Luftwaffe 1981 zu rechtfertigen. Der
UN-SR hatte allerdings den israelischen Angriffmit Resolution
487 (19.6.1981) einstimmig verurteilt.[31] Jedenfalls könnte das
sicherheitspolitische undmilitärstrategischeMotiv der Hauptfaktor
bei der Frage nach einem möglichen iranischen Atomwaffenprogramm
sein.
Ein weiteres Motiv für das iranische Atomprogramm ist
darüber hinaus das Streben des Iran nach einer regionalen
Vormachtstellung zu erwähnen. Letztlich dürfte es auch eine
Frage der Prestige für die auf Unabhängigkeit bedachte persische
Nation sein, über den gesamten Brennstoffkreislauf zu
verfügen.[32]
Iranische Nuklearchronik -- Die wichtigsten Etappen bis 2006
Das Atomprogramm des Iran lässt sich seiner Entwicklung
nach in mehrere Phasen einteilen. Als ersten Abschnitt kann
man den Zeitraum unter der Herrschaft von Schah Reza Pahlavi
bis zur Islamischen Revolution im Jahre 1979 bezeichnen.
Im Zuge des Programms »Atoms for Peace« des US-Präsidenten
Eisenhower unterzeichneten die USA und Iran im
Jahre 1957 ein Kooperationsübereinkommen im Bereich der
Nukleartechnologie, welches im Jahre 1967 zum Bau eines
Leichtwasserforschungsreaktors mit US-Hilfe führte.[33] 1973
wurde die »Atomic Energy Organization of Iran (AEOI)« gegründet,
und als Ziel formuliert, innerhalb von 20 Jahren
einen vollständigen Brennstoffkreislauf zu errichten, der eine
Kapazität von 23000MWan Nuklearenergie erreicht. Der Iran
ging im Juli 1976 einen Vertrag mit der deutschen Firma Siemens
/KWU zur Errichtung eines Leichtwasserreaktors in Bushehr,
und eine Beteiligung an EURODIF, einem internationalen
Konsortium zur Urananreicherung, ein. Die Pläne des
Schahs wurden durch die Islamische Revolution im Jänner
1979 und durch die Machtübernahme durch Ayatollah Khomeini
beendet. Es kam zu einem weitgehenden Stillstand des
Atomprogramms.
Erst ab Mitte der 80er-Jahre führte der Iran dann wieder
Forschungen in Umwandlungs- und Brennstoffherstellungsprojekten
durch. 1984 wurde das »Esfahan Nuclear Technology
Centre« eröffnet und erste Versuche der Urananreicherungmit
Hilfe von Gaszentrifugen wurden im »Teheran Nuclear Research
Centre« vorgenommen. Die dazu notwendige Technologie
und Bestandteile erlangte der Iran im Jahre 1987 mit Hilfe
des Netzwerks A.Q. Khan [34] unter Umgehung internationaler
Kontrollen. Diese Anlagen und die Umwandlungs-, Anreicherungs-
und Brennstoffherstellungstätigkeiten wurden der IAEO
entgegen der im Sicherungsabkommen enthaltenen Berichtspflichten
über Anlagen und Nuklearmaterial nicht deklariert.
1989 kames zu verstärkten internationalen Kooperationen.
Mit Hilfe Russlands wurde 1995 der unterbrochene Reaktorbau
in Bushehr wieder aufgenommen. Eine wichtige Rolle in diesem
Zeitraum spielte auch China, das mit Iran im Jahre 1990
ein Kooperationsabkommen abschloss, das sowohl technische
Unterstützung als auch Bereitstellung von Ausrüstung zur
Laseranreicherung und Lieferung von Nuklearmaterial im Jahre
1991 beinhaltete. Die nuklearen Kooperationen Iransmit Russland
und mit China wurden auf Druck der USA jedoch eingestellt.
Dennoch setzten sowohl Russland als auch China ihre
Zusammenarbeit mit dem Iran in geringem Maße fort. Im mit
chinesischer Hilfe errichteten »Teheran Nuclear Research Centre
« wurden umfassende Versuche in der Uranumwandlung
unternommen und Wiederaufbereitungstätigkeiten gestartet.
Der Schwerpunkt wurde aber auf die weitere Entwicklung des
im »Teheran Nuclear Research Centre« begonnen Urananreicherungsprojektes
mit Hilfe von Zentrifugen gelegt. Es wurde
abermals auf Unterstützung des Netzwerkes A.Q. Khan gesetzt.
Von diesemerwarb der IranMitte der 90er-Jahre Pläne undMaterialien
zur Herstellung von P1- und P2-Zentrifugen. Dieses
Forschungsprojekt zur Urananreicherung und die weiteren erwähnten
Tätigkeiten wurden der IAEO nicht mitgeteilt. Auf
Grund der Erfolge dieses Forschungsprojektes, das 1995 in die
»Kalaye Electric Company« in Teheran verlegt wurde, begann
der Iran im Jahre 2000 mit dem Bau einer
Zentrifugenurananreicherungsanlage in Natanz zum Zwecke der Forschung
und der industriellen Anreicherung. Sämtliche Forschungstätigkeiten
im Zusammenhangmit der Zentrifugenanreicherung wurden
in folgender Zeit dorthin verlagert.
Am 14. August 2002 verkündete die im Exil tätige Oppositionsgruppe,
»The National Council of Resistance of Iran«[35], dass in Natanz eine
Urananreicherungsanlage errichtet werde und in Arak der Bau eines 40MW
Schwerwasserreaktors in Gang sei. Allerdings gab es für den Iran keine
Verpflichtung, die Bautätigkeiten in Natanz und Arak der IAEO zumelden,
so dass deren Nichtdeklarierung keine Verletzung des Sicherungsabkommens
darstellte. Die Nichtdeklarierung stellte zwar
keine Verletzung des Abkommens dar, jedoch lenkten die Tätigkeiten
die Aufmerksamkeit der internationalen Staatengemeinschaft
auf das iranische Atomprogramm. Im Februar
2003 kam es mit Einverständnis des Iran zu einer Inspektion
der Anlage von Natanz (inkl. Vornahme von Umweltproben).
Weiter offenbarte der Iran das Bestehen der »Kalaye Electric
Company« als Forschungsstätte für Zentrifugen und bekannte
sich zu nicht deklarierten Tätigkeiten, verneinte aber, Nuklearmaterial
verwendet zu haben. Dies führte aber im Juni 2003
zu einem ersten Bericht [36] des Generaldirektors an den Rat.
Darin wurde festgehalten, dass der »Iran has failed to meet its
obligations under its safeguard agreement«. Erwähnt wurden
die Nichtdeklarierung von Nuklearimporten und die Verwendung
dieses Materials sowie die nicht rechtzeitige Bekanntgabe
von Anlageninformationen. Dieser Bericht löste entgegen
den Forderungen der USA keine Feststellung durch den
Rat aus, dass der Iran in »non-compliance« iSd §19 Verifikationsabkommen
in Verbindung mit Art. XII C IAEO-Statut sei,
und damit eine Verständigung des SR notwendig würde. Nur
ein Statement wurde herausgegeben, in dem der Iran aufgefordert
wurde »not to introduce nuclear material at the pilot
enrichment plant, as a confidence-building measure.«[37]
Im August 2003 veröffentlichte der Generaldirektor seinen
Bericht [38] für das Treffen des Rates im September. Hierin
wurde festgehalten, dass die Umweltproben, die in Natanz
genommen wurden, entgegen den Behauptungen, dort noch
kein Nuklearmaterial eingeführt zu haben, Partikel hoch angereichten
Urans enthielten.Weiter wurde festgehalten, dass
von Seiten des Iran zugegeben wurde, dass das Zentrifugen-
Urananreicherungsprogramm schon 1985 mit Hilfe A.Q.
Khans begonnen worden war.[39] Außerdem, berichtet der Generaldirektor,
dass im Juni 2003 erstmals Uran in eine Zentrifuge
in Natanz zum Zwecke der Anreicherung eingeführt
wurde. In der darauf folgenden einstimmig beschlossenen Resolution
des Rates [40] wurde der Iran aufgefordert »to suspend
all uranium enrichment-related activities ... and any reprocessing
activities«, und »requests Iran to ... ratify and fully
implement the additional protocol.« Entgegen dem Verlangen
der USA kames aber zu keiner Feststellung der Verletzung
des Sicherungsabkommens und Überweisung an den SR.
Nach Verhandlungen mit den EU-3 (Deutschland, Frankreich
und Großbritannien), die eine diplomatische Initiative
starteten, kam es am 21. Oktober 2003 zur »Erklärung von Teheran
«[41], in der sich der Iran bereit erklärte, das Zusatzprotokoll
zu unterzeichnen und zu ratifizieren, und freiwillig die
Urananreicherung und Wiederaufbereitung auszusetzen.
Zu neuen Problemen kames im April und Mai 2004, nachdem der
Iran angekündigt hatte, die Uranumwandlung wieder
aufzunehmen, da er diese nicht unter den Anwendungsbereich
der Aussetzungserklärung nach der »Teheraner Erklärung
« fallen sah.[42] In der darauf folgenden Resolution des
Rates im Juni 2004 wurde der Iran aufgefordert, die freiwillige
Aussetzung aller mit der Anreicherung und Wiederaufbereitung
zusammenhängenden Tätigkeiten wieder herzustellen,
und es wurde festgestellt, dass die Zusammenarbeit »has not
been as full, timely and proactive as it should have been.«[43] Als
direkte Folge dieser Geschehnisse kames ab Juli 2004 zwischen
den EU-3 und dem Iran zu Verhandlungen in Paris, die zum
Abschluss des Pariser Abkommens [44] zwischen der EU und dem
Iran führten. Das Abkommen ist ein politisches, rechtlich
nicht verbindliches Dokument und stellt einen weiteren Versuch
der EU dar, die Krise um das Atomprogrammdes Iran auf
diplomatischem Weg, ohne Konfrontationen vor dem UN-SR
zu lösen. In diesem wiederholt der Iran sein Bekenntnis zum
NVV, und unterstreicht seine Verpflichtung nach Art. II, keine
Atomwaffen zu erlangen. Er verpflichtet sich zu umfassender
Kooperationmit der IAEO; um dies zu gewährleisten, wird die
Anwendung des Zusatzprotokolls bis zur erfolgten Ratifizierung
versprochen. Als Kernstück des Abkommens verpflichtet
sich der Iran »to continue and extend its suspension to include
all enrichment related and reprocessing activities (...).«
Im Gegensatz zur Erklärung von Teheran folgt hierauf eine detaillierte
Definition, was hierunter zu verstehen ist. So sollten
zukünftige unterschiedliche Auffassungen über die Auslegung
dieser Begriffe verhindert werden. ImGegenzug anerkennt die
EU die dem Iran nach dem NVV zustehenden Rechte ohne
Diskriminierung, und hebt hervor, »that this suspension is a
voluntary confidence building measure and not a legal obligation.
«Weiter sieht das Dokument Verhandlungen zwischen
der EU und dem Iran über ein »long term agreement« zur Beilegung
der Krise vor. Dieses soll auf der einen Seite »objective
guarantees« beinhalten, dass das Nuklearprogramm ausschließlich
friedlichen Zwecken dient, und auf der anderen
Seite dem Iran technische, wirtschaftliche und nukleare Kooperation
garantieren. Zur Erarbeitung einer solchen Übereinkunft
sieht das Pariser Abkommen die Schaffung eines
»steering committee« und dreier Arbeitsgruppen vor. Die Verpflichtung
des Iran zur Suspendierung sollte so lange aufrecht
bleiben, als Verhandlungen zu einer derartigen Übereinkunft
imGange sind.[45] Verhandlungenmit dem Ziel der Erarbeitung
eines solchen Abkommens offenbarten aber die unterschiedlichen
Standpunkte der Parteien. Für die EU galt als einzige
objektive Garantie, dass das Nuklearprogramm friedlichen
Zwecken dient, der permanente Verzicht des Iran auf sämtliche
Tätigkeiten in Verbindung mit dem Brennstoffkreislauf.
So sieht der Vorschlag der EU-3 für ein »long-termagreement«
vor, dass der Iran eine bindende Erklärung abzugeben hat,
»(...) not to pursue fuel cycle activities other than the construction
and operation of light water power and research reactors.«[46] Der
EU-Vorschlag beinhaltete entgegen Art. IV NVV die Verpflichtung für den
Iran, auf jene Aktivitäten zu verzichten, die ihm die theoretische
Möglichkeit geben würden, Atomwaffen zu erlangen. Die Ausübung seines
unveräußerlichen Rechts der Nutzung der friedlichen Kernenergie nach
Art. IV NVV sollte durch »Multinational Nuclear Agreements
(MNA)« gewährleistet werden. Der Iran auf der anderen Seite
machte klar, dass für ihn keine Lösung akzeptabel sei, die ihm sein
Recht der Urananreicherung und ähnlicher Vorgänge, nehmen würde.
In einer Mitteilung vom 1. August 2005 an die IAEO kündigte
der Iran die Wiederaufnahme der Uranumwandlung in
Esfahan an.[47] Dies erfolgte am 8. August,[48] womit das Kernstück
des Pariser Abkommens nicht mehr aufrecht war. Der
Generaldirektor bezeichnete am 19. September 2005 [49] die Geschehnisse
um das Atomprogramm des Iran als einen »special
verification case that requires additional transparency mea-
-sures«. Als Folge der Wiederaufnahme der Uranumwandlung
erließ der Rat am 24. September 2005 die Resolution GOV/
2005/77.[50] Diese wurde entgegen der sonst üblichen Praxis
nicht im Konsens sondern durch Abstimmung mit 22 zu 1
Stimme bei 12 Enthaltungen beschlossen (Russland und China
enthielten sich der Stimme, als es umdie Feststellung der »noncompliance
« nach Art. XII C IAEO-Statut ging)[51]. Erstmals
wurde ausdrücklich und entgegen früherer Resolutionen festgestellt,
dass der Iran seine rechtlichen Verpflichtungen aus seinem
Sicherungsabkommen INFCIRC/214 verletzt hat und die
Verfehlungen und Verstöße gegen das Sicherungsabkommen
»constitute non compliance in the context of Article XII.C of
the Agency's Statute«. (Verletzungen seiner Berichtspflichten
über neue Nuklearanlagen nach §42 (Anlageninformation) und
bzgl. neuen Nuklearmaterials und dessen Verwendung (§§59ff
und §§92ff). Der Rat stellte außerdem gem. Art. III B. 4 fest,
dass die Kontroversen um das Atomprogramm des Iran »have
given rise to questions that are within the competence of the
security council, as the organ bearing the main responsibility
for themaintenance of international peace and security.« Diese
beiden Beschlüsse ebneten den Weg zur Einschaltung des SR,
denn Art. XII C und Art. III B. 4 sehen als verpflichtende Folge,
die Verständigung des SR vor. Jedoch kames dazu entgegen der
zitierten Bestimmungen nicht sofort, sondern der Rat beschloss
»[to] address the timing and content of the report (...).« Diese
Vorgangsweise wurde gewählt, da Russland und China zunächst
darauf bestanden, eine Lösung des Konflikts innerhalb
der IAEO herbeizuführen. Auch bestehen zwischen Russland
und China und dem Iran enge wirtschaftliche Kontakte.[52]
Einschaltung des UN-Sicherheitsrates am 4. Februar 2006
Nachdem der Iran Anfang Januar 2006 ankündigt hatte
Forschungstätigkeiten zum Brennstoffkreislauf wieder aufzunehmen
und dies in weiterer Folge auch tat,[53] kam es am 4.
Februar 2006 durch Resolution GOV/2006/14 [54] zur Überweisung
der Angelegenheit an den SR. Mit 27 (inkl. Russland und
China) zu 3 Stimmen bei 5 Enthaltungen [55] wurde der Generaldirektor
beauftragt, alle Berichte und Resolutionen in Verbindung mit
dem iranischen Atomprogramman den SR nach dem Zusammentreten des Rates
am 6. März zu übermitteln. Konkret forderte der Rat den Iran auf,
»confidence building measures« zu setzen (Suspendierung aller
Anreicherungs- und Wiederaufbereitungstätigkeiten inklusive
Forschungstätigkeiten. Ratifikation des Zusatzprotokolls. Überdenken des
Baus des Schwerwasserreaktors in Arak.). Der Generaldirektor
wurde aufgefordert, über die Umsetzung dieser und vorangegangener
Resolutionen dem Rat zu berichten und den Bericht
zusammen mit einer etwaigen Resolution dieser Sitzung dem
SR zu übermitteln. Anläßlich der Präsentation dieses Berichtes [56]
wurde festgehalten, dass »the agency has not seen indications
of diversion of nuclear material ..., however ... there
remain uncertainties with regard to both the scope and the
nature of Iran's nuclear programme...this is a matter of concern
that continues to give rise to questions about the past
and current direction of Iran's nuclear programme.«[57] Im
Statement vom 29. März 2006 [589 forderte der SR den Iran auf,
die in Resolution GOV/2006/14 des Rates enthaltenen Forderungen
zu erfüllen, und hebt aus diesen als besonders bedeutsam
die vollständige Suspendierung jeglicher Anreicherungstätigkeit
hervor. Der SR räumte demIran hierzu insofern
eine 30-Tage-Frist ein. Zu erwähnen sei an dieser Stelle, dass
die USA und Israel bis dahin mehrmals in Verdacht geraten
waren, einen Militärschlag gegen den Iran zu planen.[59]
Die Verabschiedung von fünf UN-Sicherheitsrats-Resolutionen
Am 31. Juli 2006 kam es zur Verabschiedung der ersten SR-Resolution
1696 (2006),[60] unter Hinweis auf die Erklärung des
Präsidenten vom 29.März 2006 und tätig werdend nach Kapitel
VII Artikel 40 der UN-Charta. Der Iran wurdemit dieser Resolution
aufgefordert, die Urananreicherung ohne Verzögerung
zu suspendieren und alle mit der Anreicherung zusammenhängenden
Tätigkeiten und alle Wiederaufbereitungsaktivitäten,
einschließlich Forschung und Entwicklung auszusetzen.
Außerdem werden alle Staaten aufgefordert, entsprechend ihrer
nationalen Rechtsvorschriften und Befugnisse sowie im Einklang
mit dem Völkerrecht den Transfer aller Artikel, Materialien,
Güter und Technologien zu verhindern, die zu den mit
der Anreicherung zusammenhängenden Tätigkeiten und
Wiederaufbereitungsaktivitäten
sowie zu den Flugkörperprogrammen
des Irans beitragen könnten. Gleichzeitig werden bei
Nichteinhaltung Sanktionen gegen den Iran nach Kapitel VII
Artikel 41 angedroht. Der Iran hielt sich nicht an die geforderten
Auflagen in Resolution 1696, weshalb schon am 23. Dezember
2006 die weitere und sehr umfangreiche Resolution
1737 [61] folgte. Darin werden umfassende Sanktionen gegen den
Iran verhängt ( alle Staaten werden aufgefordert, die Reisetätigkeiten
von Personen die mit nuklearen Tätigkeiten Irans zu
tun haben, zu überwachen; Gelder, Konten, finanzielle Vermögenswerte
und wirtschaftlichen Ressourcen einzufrieren;
Technologietransfer einzuschränken u.v.m.).Weitere SR-Resolutionen
ähnlichen Inhaltes folgten: 1747 [62], 1803 [63] und zuletzt
1835 [64]. Von manchen Kommentatoren wird die Verabschiedung
dieser Resolutionen als eine für die rechtsdogmatische
Fortentwicklung des internationalen Nuklearregimes höchst
bedeutsame Entwicklung eingestuft. So wird die Entstehung
einer neuen Nichtverbreitungspolitik im Wege von SR-Resolutionen
anstatt von völkerrechtlichen Verträgen gesehen.[65]
Gleichzeitig werden aber die Grenzen dieser Entwicklung angesichts
mangelnden internationalen Konsensus, sich an die
verabschiedeten Resolutionen zu halten sichtbar.
Fazit und Lösungsvorschläge
Dem Atomprogramm des Iran liegt eine lange Geschichte zu
Grunde. Zwar konnte dem Iran keine Abzweigung von Nuklearmaterial
für nicht friedlich Zwecke iSd des §19 INFCIRC/
214 nachgewiesen werden, dennoch ist das iranische
Atomprogramm durch jahrelange Verstöße gegen die in Sicherungsabkommen
INFCIRC/214 enthaltenen Verpflichtungen
aufgefallen. Dies führte zuMisstrauen über Natur und
Umfang des Atomprogramms und veranlasste die Staatengemeinschaft
zu einem verschärften Vorgehen gegen den Iran,
der in Anbetracht der Umstände und unter internationalem
Druck aber zu weitreichenden Zugeständnissen bereit war
und sogar Maßnahmen setzte, zu denen es keine Verpflichtung
nach Art. IV NVV gab.
Die Krise zeigt aber ganz klar die sich gegenüberstehenden
unterschiedlichen Interessen und Positionen der beteiligten
Staaten auf. Auf der einen Seite findet man den Iran, der auf
sein ihm nach Art. IV NVV zustehendes Recht im vollen Umfang beharrt. So
wird von diesem auch immer ausdrücklich
festgehalten, dass das Nuklearprogramm ausschließlich der
Energiegewinnung dient, und auf dieses in Anbetracht der ausgehenden
Ölreserven nicht verzichtet werden kann. Dem gegenüber
stehen die westlichen Sicherheitsbedenken, genährt
durch die vorangegangenen Verletzungen des Sicherungsabkommens
durch den Iran, und die daraus abgeleiteten, über
Art. IV NVV hinausgehenden Forderungen. Die westliche Staatenwelt
stellt aber keine homogene Einheit dar. So versuchte
die EU entgegen den USA lange, die Krise auf diplomatischem
Weg, ohne Einschaltung des SR zu lösen. Die USA auf der anderen
Seite verlangten von Anfang an ein strengeres Vorgehen.
Russland und China betrachten die Krise zurückhaltend.
Der Nichtverbreitungsvertrag und die IAEO stellen das
Herzstück des internationalen Nichtverbreitungsregimes dar
und stehen auf Grund der Kontroversen um das Atomprogramm
des Iran vor einer großen Herausforderung. Gewiss
wird die Art und Weise, wie die Krise gelöst wird, einen bedeutenden
Einfluss auf die allgemeine Glaubwürdigkeit und
Effektivität des NVV haben. Die große Herausforderung liegt
darin, die Staatenwelt von derWichtigkeit des Modellzusatzabkommen
INFCIRC/540 weiter zu überzeugen, und es gemeinsam mit
dem Modellabkommen INFCIRC/153 zum Mindeststandard
der Kontrolltätigkeit zu machen und ihm
universelle Geltung zu verschaffen.
Das sicherheitspolitische und militärstrategische Motiv
könnte aber der entscheidende Faktor bei der Frage nach
einem möglichen iranischen Atomwaffenprogramm sein.
Daher werden sämtliche Verhandlungen mit dem Iran betreffend
dessen Atomprogramm diesen wichtigen Aspekt inkludieren
müssen. Insbesondere wird eine wie in der Vergangenheit
von USA und Israel getätigte aggressive Rethorik zu
unterlassen sein, wenn sie ihr Ziel der Abbringung des Irans
von der Entwicklung von Kernwaffen erreichen wollen.
Am 4. Juni 2009 hielt US-Präsident Barack Obama an der
Kairo-Universität eine mittlerweile viel zitierte Rede,[66] die sich
an die Muslime der Welt richtete und besonders im Nahen
und Mittleren Osten mit großer Spannung erwartet und voller
Aufmerksamkeit gehört wurde. In dieser Rede sprach der
US-Präsident von einem Neuanfang, den Amerika im Hinblick
auf die muslimische Welt machen möchte. So sagte er
wörtlich »Der Teufelskreis des Misstrauens ... müsse durchbrochen
werden«. Diese Rede Obamas gibt daher Anlass, auf
eine neue Politik auch gegenüber dem Iran zu hoffen.
Fußnoten-
Treaty on theNon-Proliferation ofNuclearWeapons (NPT) (Reproduced in
document INFCIRC/140),
www.iaea.org/Publications/Documents/Infcircs/Others/infcirc140.pdf. Der
Atomwaffensperrvertrag
wird in dieser Abhandlung mit der Abkürzung NVV zitiert.
- NPT (in alphabetical order) -- Status ofMultilateral Arms Regulation
andDisarmament Agreements,
http://disarmament2.un.org/TreatyStatus.nsf/NPT%20(in%20alphabetical%20order)?Open
View&ExpandView.
- Iran (Islamic Republic of) -- Status ofMultilateral Arms Regulation
and Disarmament Agreements,
http://disarmament2.un.org/TreatyStatus.nsf/e03053a22d4bf8478525688f00693182/429dbe88
2c1feda78525688f006d2661?OpenDocument.
- NuclearWeapons -- Israel, Federation ofAmerican Scientists
(FAS),www.fas.org/nuke/guide/israel/nuke.
- NuclearWeapons -- India Nuclear Forces, FAS,
www.fas.org/nuke/guide/india/nuke. Harald Neuber,
Sonderrechte nur für Freunde, Telepolis, 23.01.2006,
www.heise.de/tp/r4/artikel/21/21849/1.html.
- Pakistan NuclearWeapons -- FAS, www.fas.org/nuke/guide/pakistan/nuke.
- Key Issues:NuclearWeapons: Issues: Proliferation:North Korea,Nuclear
Files.org --Nuclear Age Peace
Foundation,www.nuclearfiles.org/menu/key-issues/nuclear-weapons/issues/proliferation/north-korea.
- Otfried Nassauer, Atomwaffensperrvertrag -- Oder: der nukleare
Nichtverbreitungsvertrag (NVV),
BITS Stichwort, März 2005,
www.bits.de/public/stichwort/atomwaffensperrvertrag.htm.
- IAEA Safeguards: Stemming the Spread of NuclearWeapons, IAEA 2001
Annual Report »Nuclear
Security & Safeguards«, IAEA Bulletin, Vol. 43, No. 4, 2001,
www.iaea.org/Publications/Factsheets/
English/S1_Safeguards.pdf.
- Matthew Bunn, International Safeguards: Summarizing »Traditional«
and »New« Measures,
http://ocw.mit.edu/NR/rdonlyres/Nuclear-Engineering/22-812JSpring2004/A88D2643-5744-4760-
961C-D2859A1457A1/0/lec16notes.pdf.
- Vgl. Georg Muntean, Der Atomwaffensperrvertrag und die IAEO im
Lichte der jüngsten Entwicklungen
im Iran, in Nordkorea und den USA, 2006, Graz, Kapitel 2.2.
- The Structure And Content Of Agreements Between The Agency And
States Required In Connection
With The Treaty On TheNon-Proliferation OfNuclearWeapons, Reprinted by
the IAEA June 1972 in
INFCIRC/153
(Corrected),www.iaea.org/Publications/Documents/Infcircs/Others/infcirc153.pdf.
[153].
- Muntean, supra note 11.
- The Nuclear Fuel Cycle,World Nuclear Association,
www.world-nuclear.org/education/nfc.htm.
- Muntean, supra note 11.
- IAEA Safeguards. Implementation at Nuclear Fuel Cycle Facilities,
IAEA, Vienna, 1985,
IAEA/SG/INF/6, S. 12,
www-pub.iaea.org/MTCD/publications/PDF/iaea_sg_inf_6_web.pdf.
- IAEA and Iran, Special coverage of IAEA inspection activities,
including reports, statements andmedia
coverage inrelationto theapplicationof IAEAsafeguards
inIran,www.iaea.org/NewsCenter/Focus/IaeaIran.
- The text of the agreement between Iran and the Agency for the
application of safeguards in connection
with the Treaty on the Non-Proliferation of NuclearWeapons (Reproduced
on 13.12.1974
in INFCIRC/214)
www.iaea.org/Publications/Documents/Infcircs/Others/infcirc214.pdf. [214].
- Model Protocol Additional to the Agreement(s) Between State(s) and
the Agency for the Application of
Safeguards (Reproduced in INFCIRC/540
(Corrected)),www.iaea.org/Publications/Documents/Infcircs/
1997/infcirc540c.pdf. [540].
- The 1997 IAEA Additional Protocol At a Glance;
www.armscontrol.org/factsheets/IAEAProtoco.
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- Am28. April 2004 wurde als Konsequenz vomUN-SR-Resolution 1540
einstimmig verabschiedet.
Auf einzelstaatlicher Ebene ist die »Proliferation Security Initiative
(PSI)« der USA zu erwähnen.
Vgl. Durbin, Karyn (u.a.); CriminalizingWMD Proliferation: The Role of
UN Security Council Resolution
1540; Journal of NuclearMaterialsManagement, Vol. XXXIII, No. 4, Summer
2005, S 22.
- Resolution, GOV/2003/69, 12.9.2003:
www.iaea.org/Publications/Documents/Board/2003/gov
2003-69.pdf.
- Iran Statement,
21.10.2003:www.iaea.org/NewsCenter/Focus/IaeaIran/statement_iran21102003.shtml.
- IAEA Board Report, GOV/2004/34:
www.iaea.org/Publications/Documents/Board/2004/gov2004-
34.pdf, S 4.
- Resolution, GOV/2004/49, 18.6.2004:
www.iaea.org/Publications/Documents/Board/2004/
gov2004-49.pdf
- INFCIRC/637, 26.11.2004,
www.iaea.org/Publications/Documents/Infcircs/2004/infcirc637.pdf.
- In Resolution GOV/2004/90, 29.11.2004 begrüßte der Rat den Abschluss
des Pariser Abkommens,
und zeigte sich erfreut, dass sich der Iran zu einer Suspendierung aller
Nuklearaktivitäten ab 22. November
bereit erklärte,
www.iaea.org/Publications/Documents/Board/2004/gov2004-90.pdf.
- Framework for a long term agreement between the Islamic Republic of
Iran and France, Germany
& United Kingdom, INFCIRC/651, 8.8.2005,
www.iaea.org/Publications/Documents/Infcircs/2005/
infcirc651.pdf, S 20.
- Communication dated 1.8.2005 received from the permanent mission of
the Islamic Republic of Iran
to the Agency,
INFCIRC/648,www.iaea.org/Publications/Documents/Infcircs/2005/infcirc648.pdf,
S 3
- IAEA Board Report, GOV/2005/67,
www.iaea.org/Publications/Documents/Board/2005/gov2 005-
67.pdf.
- DG Statement, 19.9.2005:
www.iaea.org/NewsCenter/Statements/2005/ebsp2005n009.html#iran
- www.iaea.org/Publications/Documents/Board/2005/gov2005-77.pdf.
- Paul Kerr, IAEA Cites Iran on Safeguards Failures; Arms Control
Today (Online-Ausgabe), Oktober
2005: www.armscontrol.org/act/2005_10/OCT-IAEAIran.asp.
- So gehört China zu den größten Importeuren iranischen Öls. Vgl.
Perkovich, George; Manzanero,
Silvia; Plan B: Using Sanctions to End Iran's Nuclear Program; Arms
Control Today (Online Ausgabe),
Mai 2004:
www.armscontrol.org/act/2004_05/PerkovichManzanero.asp#notes25. Russlands
Unterstützung beim Bau des Atomreaktors in Bushehr sei hier ebenfalls
erwähnt.
- VorangegangeneVerhandlungen der EU-3mit demIran über einenVorschlag
Russlands, der die Schaffung
eines Joint Venture zur Urananreicherung auf dem Territorium Russlands
vorsah, scheiterten.
- Abrufbar unter:
www.iaea.org/Publications/Documents/Board/2006/gov2006-14.pdf
- Paul Kerr, IAEA Reports Iran to Security Council; Arms Control Today
(Online-Ausgabe), März
2006: www.armscontrol.org/act/2006_03/MARCH-IAEAIran.asp
- IAEA Board Report, GOV/2006/15, 27.2.2006,
www.iaea.org/Publications/Documents/Board/
2006/gov2006-15.pdf
- DG Statement, 6.3.2006,
www.iaea.org/NewsCenter/Statements/2006/ebsp2006n003.html#iran
- UN Doc. SC/8679, 29.3.2006,
www.un.org/News/Press/docs/2006/sc8679.doc.htm.
- SeymourHersh, The Iran Plans; TheNew Yorker (Online Ausgabe),
17.4.2006: www.newyorker.com/
fact/content/articles/060417fa_fact.
- Security Council Demands Iran Suspend UraniumEnrichment By 31
August, Or Face Possible Economic,
Diplomatic Sanctions, Resolution 1696 (2006) Adopted By Vote Of 14 - 1
(Qatar), Iran Says
Peaceful Programme No Threat, Council's Consideration Unwarranted,
www.un.org/News/Press/
docs//2006/sc8792.doc.htm.
- UNDoc. S/RES/1737 (2006),
27.12.2006,www.iaea.org/NewsCenter/Focus/IaeaIran/unsc_res1737-2006.pdf.
- UNDoc. S/RES/1747 (2007),
24.3.2007,www.iaea.org/NewsCenter/Focus/IaeaIran/unsc_res1747-2007.pdf.
- UNDoc. S/RES/1803 (2008),
3.3.2008,www.iaea.org/NewsCenter/Focus/IaeaIran/unsc_res1803-2008.pdf.
- UNDoc. S/RES/1835 (2008),
27.9.2009,www.iaea.org/NewsCenter/Focus/IaeaIran/unsc_res1835-2008.pdf.
- Michael Rühle, Entwarnung? Der Schein trügt! Uran-Anreicherung Der
Iran bleibt eine virtuelle Nuklearmacht.
Die Bedrohung kann schnell real werden. Welche Folgen das für den
Atomwaffensperrvertrag
hat, 24.12.2008, RheinischerMerkur,
http://mainz.deutscheatlantischegesellschaft.de/
cms/upload/pdf/Michael_Ruehle_-_Entwarnung.pdf.
- THE WHITE HOUSE, Office of the Press Secretary (Cairo,Egypt), June
4, 2009, REMARKS BY
THE PRESIDENTONANEWBEGINNING,CairoUniversity,Cairo,
Egypt,www.whitehouse.gov/the_
press_office/Remarks-by-the-President-at-Cairo-University-6-04-09/.
* Dr. Yvonne Schmidt ist Vertragsassistentin am Institut für
Völkerrecht und Internationale Beziehungen der Karl-Franzens-Universität
Graz. E-Mail: yvonne.schmidt@uni-graz.at
Dieser Beitrag erschien in: International-Die Zeitschrift für internationale Politik, II/2009, S.25-30. (www.international.or.at/)
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