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Argwohn gegen Irans "Hoffnung"

Teherans Raumflugprogramm erfolgreich / Im Westen Warnungen vor neuer Gefahr

Von Richard Claus *

Iran hat aus Anlass des 30. Jahrestags der islamischen Revolution einen Satelliten gestartet. Die Systeme von »Omid« arbeiten dem Vernehmen nach normal. »Normal«, weil erwartbar, sind inzwischen auch Horror-Warnungen aus dem Westen.

»Omid« bedeutet »Hoffnung«. Über diesen Punkt sind die iranischen Weltraumingenieure nun eigentlich hinaus. Iran ist der neunte Staat, der mit einer eigenen Trägerrakete einen selbst gebauten Erdsatelliten ins All gebracht hat. Bisher war das nur der Sowjetunion, den USA, Frankreich, Japan, China, Großbritannien, Indien und Israel gelungen. Der Satellit hat – wie US-Stellen bestätigen – eine Umlaufbahn erreicht und umkreist die Erde täglich 15 Mal. Dabei soll er nicht näher bezeichnete Daten an das Teheraner Raumfahrtzentrum übermitteln.

Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad würdigte den »besonderen Erfolg für die Wissenschaftler«. Iran verfolgt sein Raumflugprogramm zielstrebig; »Omid« ist nicht der erste iranische Satellit. Bereits im Oktober 2005 war »Sinah-1« in Russland mit einer russischen Kosmos-Rakete gestartet worden. Damit war Iran das 43. Land, das einen eigenen Raumflugkörper betrieb. Auch China beförderte einen iranischen Satelliten, an dem Thailand beteiligt war, in den Weltraum.

Vor einem Jahr hatte Ahmadinedschad das erste iranische Raumfahrtzentrum eröffnet und auf einer Kundgebung in Teheran zum 29. Jahrestag der Islamischen Republik verkündet, man wolle zwei Weltraumraketen starten und einen selbst gebauten Satelliten in die Umlaufbahn bringen. Man schoss am 4. Februar 2008 zunächst eine Rakete namens »Kavoshgar 1« ins All. Am 16. August hat Iran dann versucht, mit der aus Nordkorea stammenden modifizierten Trägerrakete »Shahab 3« seinen ersten »Omid«-Satelliten in den Orbit zu bringen. Westliche Beobachter registrierten jedoch eine Explosion der zweiten Stufe in 152 Kilometern Höhe und somit ein Scheitern der Mission.

Die Bezeichnung der verwendeten Raketen gibt Rätsel auf. Sicher scheint aber zu sein, dass Teheran bei der Entwicklung seines Trägers die langjährigen Beziehungen zu China, vor allem aber nach Nordkorea nutzte, das bereits mehrstufige Raketen getestet hat. Es gibt glaubwürdige Gerüchte, wonach sich Iran finanziell an der Entwicklung nordkoreanischer Raketen beteiligt hat und so seine eigenen Entwicklungsanstrengungen minimieren konnte.

Im Westen wird das Raumfahrtprogramm Irans – ähnlich wie dessen Entwicklungen auf nuklearem Gebiet – mit Argwohn betrachtet. Die USA seien »sehr besorgt«, sagte der Außenministeriumssprecher Robert Wood. Die Technik könne möglicherweise auch zur Entwicklung von Raketen mit einer großen Reichweite genutzt werden. Ein NATO-Vertreter in Brüssel äußerte die Sorge, dass Iran künftig auch Raketen auf Israel und Europa abfeuern könnte. Der britische Außenstaatssekretär Bill Rammell meinte: »Dieser Test unterstreicht und versinnbildlicht unsere tiefen Sorgen über die Absichten des Iran.« Der Satellitentest müsse im Zusammenhang mit den atomaren Ambitionen Teherans gesehen werden, sagte ein Sprecher des französischen Außenministeriums. Das deutsche Außenministerium kündigte an, den »Vorfall« zu untersuchen.

Derartige Verdächtigungen sind Grundlage für eigene Rüstungsanstrengung. Vor allem die USA entwickeln Raketenabfang-Systeme für Polen und Tschechien. Dagegen sagte Irans Außenminister Manouchehr Mottaki: »Unser technologisches Potenzial wird friedlich für Irans Bedürfnisse genutzt. Auch unser Raumfahrtprogramm ist absolut friedlich ausgerichtet.«

* Aus: Neues Deutschland, 4. Februar 2009


Irans Hoffnung im All

Von Rainer Rupp **

Zum 30. Jahrestag der Islamischen Revolution in der kommenden Woche hat Iran einen Satelliten aus eigener Produktion ins All geschossen. »Omid« (Hoffnung) wurde mit der ebenfalls in Iran entwickelten Trägerrakete Safir-2 in die Erdumlaufbahn gebracht, wie der staatliche Rundfunk in Teheran am Dienstag meldete. Ohne Zweifel ist das ein großer Erfolg für die iranischen Wissenschaftler und Ingenieure, die wegen des UN-Embargos für alle Technologien und Systeme, die für das iranische Atom- oder Trägerraketenprogramm Verwendung finden könnten, von der Außenwelt so gut wie vollkommen abgeschnitten sind.

Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad betonte gestern, das erfolgreiche Projekt diene allein friedlichen Zwecken. »Wir brauchen Wissenschaft für Freundschaft, Brüderlichkeit und Gerechtigkeit«, sagte der Staatschef im Fernsehen. Der Iran wolle nun an einer Verbesserung seiner Trägerraketen arbeiten.

Der Satellit »Omid« soll die Erde in einer Höhe von 250 bis 400 Kilometern binnen 24 Stunden 15mal umkreisen und seine Daten an das iranische Raumfahrtzentrum übermitteln. Teheran hatte 2005 an Bord einer russischen Rakete und in Kooperation mit Moskau seinen ersten kommerziellen Satelliten ins All geschossen. Nach iranischen Angaben sollen eigene Satelliten für die Beobachtung von Naturkatastrophen und die Verbesserung des Telekommunikationsnetzes genutzt werden.

Es ist allerdings abzusehen, wie die Falken in Tel Aviv, Washington und in der EU den jüngsten Erfolg der iranischen Raumfahrttechnologie dazu nutzen werden, die Angst vor der »iranischen Bombe« zu schüren. Von der Fähigkeit, einen eigenen Satelliten in die Erdumlaufbahn zu schießen, bis zur Fähigkeit, einen nuklearen Sprengkopf mit einer Interkontinentalrakete ins Ziel zu bringen, sei es nur noch ein kleiner, technologischer Schritt, warnten am Dienstag bereits namentlich nicht näher bezeichnete »Experten« etwa in der britischen BBC. Dabei bleibt nicht nur unbeachtet, daß Teheran keine Atombombe besitzt, sondern auch, daß die Safir-2- Rakete mit einer Reichweite von 250 Kilometern nur einen leichten Satellit ins All geschafft hat. Während Iran selbst nach pessimistischen US-Einschätzungen noch Jahre von der Entwicklung eines Atomsprengkopfs entfernt sei, würde es noch länger bis zu dessen Miniaturisierung dauern, damit er auf eine Trägerrakete montiert werden könnte. Zur Erinnerung: Der vormalige US-Präsident George W. Bush hatte stets behauptet, Iran betreibe ein militärisches Atomprogramm, dafür aber nie Beweise vorgelegt. Im Gegenteil, das letzte »National Intelligence Estimate«, die gemeinsame Einschätzung der 16 US-Geheimdienste, war im November 2007 zum gleichen Schluß gekommen wie die Internationale Atomenergiebehörde, daß Iran kein militärischen Atomprogramm hat.

Dennoch besteht nun die Gefahr, daß die technologischen Erfolge Teherans absichtlich überbewertet und gegenläufige internationale Bemühungen konterkariert werden. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) plädierte am Dienstag in Washington bei seiner Amtskollegin Hillary Clinton dafür, den US-Raketenplan für Osteuropa zu überdenken, mit Rußland ein Nachfolgeabkommen für den auslaufenden START-Vertrag über strategische Nuklearwaffen abzuschließen und die Ratifizierung des Atomteststoppvertrags im US-Senat aktiv voranzutreiben.

** Aus: junge Welt, 4. Februar 2009


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