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Annäherung in Moskau

Russland und Iran verstärken Militärkooperation

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Möglicherweise könnte Russland Luftabwehrsysteme an Iran liefern. Beobachter rätseln, ob eine solche Entscheidung außen- oder innenpolitische Hintergründe hat.

Dmitri Rogosin, für den militärisch- industriellen Komplex zuständiger russischer Vizepremier und bis vor Kurzem noch Moskaus Vertreter bei der NATO, und Irans Botschafter in Russland, Mahmud Reza Sajadi, haben die Wiederaufnahme der militärischen Zusammenarbeit erörtert. Russland hatte die Kooperation 2010 eingestellt, nachdem die UNO wegen Teherans umstrittenem Kernforschungsprogramm Sanktionen gegen das Land verfügte.

Zwar wurden, wie es in Rogosins Umgebung hieß, weder konkrete Abmachungen getroffen noch Fristen vereinbart. Erörtert wurden demnach jedoch Modalitäten für die Lieferung russischer Luftabwehrsysteme des Typs S- 300. Moskau und Teheran hatten ein entsprechendes Abkommen bereits vor Jahren unterzeichnet. Präsident Dmitri Medwedjew hatte dessen Erfüllung nach den UN-Sanktionen und mit Rücksicht auf Israel jedoch ausgesetzt. Die Luftabwehrraketen des Typs S-300 gehören zu den besten weltweit.

Die Lieferung dieser Systeme an Teheran, so glaubt der unabhängige Militärexperte Pawel Felgenhauer, würde das Kräfteverhältnis in der Region »grundlegend « verändern. Allerdings sei es aus zeitlichen Gründen aber zum Scheitern verurteilt, Bombenangriffe des Westens gegen die iranische Kernforschungsindustrie seien nur noch eine Frage von Monaten. Die Moskauer Abmachungen seien daher vor allem ein politisches Signal an die USA. Der relativ liberale Medwedjew, dessen Tage im Amt gezählt sind, habe keinen Einfluss mehr auf die Außenpolitik. Der »Neustart der Beziehungen «, den der Kreml-Chef mit seinem US-Amtskollegen Barack Obama 2008 vereinbarte, sei daher null und nichtig. Und Iran habe nur die Alternativen Kapitulation oder Konfrontation – und sich für letzteres entschieden. Felgenhauers Kollege Alexander Goltz dagegen glaubt, die USA würden sich angesichts des Feldzugs in Afghanistan nicht erneut auf einen Zweifrontenkrieg wie 2003 beim Einmarsch in Irak einlassen. Das stehe indirekt auch so in Washingtons neuer Militärdoktrin.

Nikolai Petrow vom Moskauer Carnegie-Zentrum dagegen vermutet innenpolitische Gründe für die Annäherung zwischen Russland und Iran. Zum einen komme bei vielen Wählern gut an, wenn Moskau im Falle Irans wie auch Syriens offen auf Konfrontation mit dem Westen setzt. Ganz mit der Kritik der russischen Außenpolitik beschäftigt, würden Westeuropa und die USA sich zudem weniger für den Konflikt zwischen russischer Staatsmacht und Protestbewegung interessieren. Noch-Premier Wladimir Putin könne daher nach seiner erwarteten Wahl zum Staatschef im März die Daumenschrauben erneut anziehen und dem Westen dann ein Einlenken zu Syrien und Iran als Gegenleistung zum Schweigen zu russischen Menschenrechtsdefiziten anbieten, vermutet Petrow.

* Aus: neues deutschland, 13. Februar 2012


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