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Plumpe Vereinnahmung

US-Regierung täuscht "Schulterschluß" mit Moskau und Peking gegen Iran vor

Von Knut Mellenthin *

Die US-Regierung ist sich mit Rußland und China einig über das weitere Vorgehen gegen Iran. Das war zumindest der Eindruck, den Präsident Barack Obama am Wochenende bei einem Asiatisch-Pazifischen Gipfeltreffen auf Hawai zu vermitteln suchte. Mit seinen russischen und chinesischen Kollegen sei er sich einig über »unser Ziel, eine gemeinsame Antwort zu formulieren« und »zusammen sicherzustellen, daß Länder wie Iran sich an die internationalen Regeln und Normen halten«. Weder Dmitri Medwedew noch Hu Jintao, die beide zusammen mit Obama vor die Presse traten, hielten es für notwendig, sich von diesem Versuch der Vereinnahmung abzugrenzen.

Die chinesische Führung hatte schon in den vergangenen Tagen auffallend zurückhaltend und verschwommen auf die aggressive US-amerikanisch-israelische Kampagne gegen Iran reagiert. Dagegen hatte das Moskauer Außenministerium in zwei scharfen Erklärungen deutlich gemacht, daß es dieses Vorgehen als schwere Störung der »Bemühungen der internationalen Gemeinschaft um eine baldige politisch-diplomatische Beilegung der Situation« betrachtet. Zur Forderung Washingtons nach verschärften Strafmaßnahmen hatte der stellvertretende russische Außenminister Gennadi Gatilow am vorigen Mittwoch erklärt: »Die Weltgemeinschaft wird in allen zusätzlichen Sanktionen gegen Iran ein Instrument für den Regimewechsel in Teheran sehen. Dieses Herangehen ist für uns nicht akzeptabel, und die russische Seite hat nicht vor, derartige Vorschläge in Erwägung zu ziehen.«

Gleichzeitig ist Obama mit heftigen Angriffen seiner Gegner konfrontiert, die ihn dafür verantwortlich machen, daß Iran angeblich kurz vor der Produktion von Atomwaffen steht. Bei einer Fernsehdebatte der republikanischen Präsidentschaftsbewerber am Wochenende sprachen sich vor allem Mitt Romney und der ehemalige Sprecher des Abgeordnetenhauses, Newt Gingrich, für Militärschläge aus, falls die bisherige Strategie der Drohungen und Erpressungen nicht bald zu den gewünschten Ergebnissen führe.

Der Iran hat indessen die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) aufgefordert, die in ihrem jüngsten Vierteljahresbericht über das iranische Atomprogramm enthaltenen Vorwürfe zu belegen. Die Behörde möge endlich, wie von Teheran schon seit Jahren verlangt, überprüfbare, authentische Originaldokumente zu ihren Anschuldigungen präsentieren, sagte Irans Botschafter bei der IAEA, Ali Asghar Soltanijeh, am Freitag. Die IAEA hat bisher nicht einmal offenbart, von welchen Geheimdiensten welcher Länder die einzelnen »Informationen« stammen, auf die sie sich beruft.

Der einflußreiche Sprecher des iranischen Parlaments, Ali Laridschani, ein ehemaliger Chefunterhändler im Atomstreit, sprach sich am Sonntag dafür aus, die Zusammenarbeit mit der IAEA zu überprüfen. Der »feindselige« jüngste Bericht zeige, daß es für die Behörde offenbar keinerlei Unterschied mache, ob Iran kooperiert oder nicht.

* Aus: junge Welt, 14. November 2011


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