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Moskau warnt vor Krieg

Lawrow: Militärschläge tragen Risiko unvorhersehbarer Folgen

Von Knut Mellenthin *

Rußland hat am Montag (7. Nov.) die israelischen Kriegsdrohungen gegen Iran verurteilt. Gegenüber Journalisten wies Außenminister Sergei Lawrow darauf hin, daß man solche Ankündigungen »bei weitem nicht zum ersten Mal« höre. »Unsere Haltung zu diesem Thema ist wohlbekannt: Das wäre ein ernster Fehler, der das Risiko unvorhersehbarer Folgen in sich trägt.« Der einzige Weg, um mögliche Sorgen über das iranische Atomprogramm zu beseitigen, bestehe darin, alle nur erdenklichen Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme der Gespräche zwischen dem Iran und der Sechsergruppe zu schaffen, die aus China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Rußland und den USA besteht. Das letzte Treffen dieser Art hatte im Januar im türkischen Istanbul stattgefunden. Seither wurde kein Termin für eine weitere Begegnung vereinbart, obwohl Iran mehrmals sein Interesse an einer Fortsetzung der Gespräche bekundet hat.

Lawrow bezog sich mit seiner Stellungnahme auf Äußerungen des israelischen Präsidenten Schimon Peres vom Wochenende. Dieser hatte erklärt, daß zur Zeit ein militärisches Vorgehen gegen Iran sehr viel näher liege als diplomatische Lösungsversuche.

Ebenfalls seit dem Wochenende überschlagen sich die Gerüchte westlicher Medien über den Inhalt des nächsten Vierteljahresberichts der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zum iranischen Atomprogramm. Dabei soll das Papier voraussichtlich erst heute oder morgen an die Mitglieder des 35köpfigen IAEA-Vorstands verschickt werden. Bis zur nächsten Vorstandssitzung, die am 17. und 18. November stattfinden wird, gilt es als vertraulich. Schon seit Jahren ist es jedoch üblich, daß der Bericht sofort nach seiner Fertigstellung an einzelne Journalisten mit sehr einseitiger Einstellung zum Thema weitergereicht wird.

Neu ist jetzt, daß für den Start der Gerüchtekampagne nicht einmal das Vorliegen des Berichts abgewartet wurde. Eine zentrale Rolle spielte dabei David Albright, der zwar vor einigen Jahren für die IAEA gearbeitet hat, aber heute in keinem Zusammenhang mit der Behörde steht. Albright veranstaltete in der vergangenen Woche vor ausgewählten Journalisten eine private »Präsentation«, bei der er nicht überprüfbare Behauptungen über den mutmaßlichen Inhalt des noch in Arbeit befindlichen IAEA-Papiers vortrug. Wie weit sich seine Geschichten, die in einigen Medien sofort zu Tatsachen befördert wurden, wirklich mit dem Bericht decken, muß sich erst noch zeigen.

Klar ist aber von vornherein, daß die IAEA über angebliche Atomwaffenforschungen des Iran keine eigenen Erkenntnisse besitzt, sondern lediglich »Informationen« zusammenfassen kann, die sie von westlichen Geheimdiensten wie CIA, Mossad, MI6 und BND erhalten hat. Ein großer Teil des angeblichen Belastungsmaterials ist so »streng geheim«, daß er bis heute dem Iran nicht zur Prüfung und Stellungnahme vorgelegt wurde.

Indessen bereitet der Kongreß der USA bereits neue einseitige Sanktionen vor. Am Mittwoch vergangener Woche winkte der Außenpolitische Ausschuß des Abgeordnetenhauses einstimmig zwei Gesetzentwürfe durch, die möglichst noch vor Weihnachten verabschiedet werden sollen. Neben Strafmaßnahmen gegen ausländische Unternehmen und Staaten, die Geschäftsbeziehungen zum Iran unterhalten, geht es auch um die Unterbindung diplomatischer Kontakte zur Teheraner Regierung oder zu einzelnen iranischen Vertretern.

* Aus: junge Welt, 8. November 2011


»Fehler mit unvorhersehbaren Folgen«

Teheran und Moskau warnen vor Angriff auf Iran / Atombehörde will Bericht vorlegen **

Vor der Veröffentlichung des Berichts der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zu Iran hat Teheran vor einem Militärangriff gewarnt.

Israel und die USA versuchten, internationale Unterstützung für einen Militäreinsatz in Iran zu erlangen, sagte der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad in einem Interview vom Montag. »Iran hat seine Kapazitäten erhöht und entwickelt sich immer weiter«, erklärte der Staatschef gegenüber der ägyptischen Zeitung »Al-Akhbar «. »Aus diesem Grund ist es in der Welt konkurrenzfähig und Israel und der Westen, besonders die USA, zweifeln diese Kapazitäten und die Rolle Irans nun an.« Einziger Zweck eines möglichen Angriffs sei es, den gestiegenen Einfluss Irans zu bekämpfen und zu »vernichten«, sagte Ahmadinedschad weiter. Iran werde seinen Gegnern jedoch nicht erlauben, gegen das Land vorzugehen.

Der für diesen Dienstag (8. Nov.) erwartete IAEA-Bericht soll westlichen Diplomaten und Atomexperten zufolge Hinweise auf eine militärische Komponente des iranischen Atomprogramms enthalten. Die iranische Regierung bestreitet, am Bau von Nuklearwaffen zu arbeiten. Bereits am Wochenende hatte der iranische Außenminister Ali Akbar Salehi den Bericht als »Propaganda« und als »politisch« motiviert zurückgewiesen. Der Bericht beruhe zudem auf »falschen Dokumenten«. Am Montag bezeichnete der einflussreiche Geistliche Ayatollah Ahmed Chatami die IAEA als ein »Instrument« der USA.

Israels Präsident Schimon Peres hatte am Wochenende erklärt, ein Angriff Israels und anderer Länder werde »immer wahrscheinlicher«. Er sei eher zu erwarten als eine diplomatische Lösung mit Iran. Seit bald einer Woche läuft in den israelischen Medien eine hitzige Debatte über einen möglichen Angriff auf iranische Atomanlagen. Salehi sagte kürzlich bei einem Aufenthalt in Libyen, Iran sei »auf das Schlimmste vorbereitet«.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow erklärte derweil, ein militärischer Angriff »wäre ein sehr schwerer Fehler mit unvorhersehbaren Folgen«. Eine Militärintervention erhöhe nur die Zahl der Opfer und steigere das menschliche Leid. Jeder Konflikt könne nur mit den von der internationalen Gemeinschaft in der Charta der Vereinten Nationen genehmigten Maßnahmen beigelegt werden.

In Berlin sagte ein Außenamtssprecher, sollte Iran »weiterhin keine glaubhaften Maßnahmen « ergreifen, um seine internationalen Verpflichtungen zu erfüllen, werde sich auch die Bundesregierung für eine Ausweitung des »politischen und diplomatischen Drucks einsetzen«. Die internationale Gemeinschaft habe »berechtigte Fragen« an Iran und sein Atomprogramm.

Einem Bericht der »Washington Post« zufolge unternahm die iranische Regierung mit ausländischer Unterstützung bereits die entscheidenden Schritte zum Bau einer Atomwaffe. Der frühere sowjetische Atomwissenschaftler Wjatscheslaw Danilenko habe Iran dabei mindestens fünf Jahre lang offenbar entscheidend geholfen, berichtete die Zeitung unter Berufung auf westliche Diplomaten und Atomexperten. Entsprechende neue Geheimdienstinformationen würden der IAEA in den kommenden Tagen vorliegen.

Unterdessen ist Iran zu direkten Gesprächen mit Saudi-Arabien bereit, um das nach einem angeblichen iranischen Mordkomplott gegen einen saudischen Diplomaten angeschlagene Verhältnis wieder zu kitten. Dies sagte Irans Präsident Ahmadinedschad am Montag in dem Interview mit »Al-Akhbar«. Die USA wollten mit ihren »Lügen« einen Keil zwischen Teheran und Riad treiben, so der Staatschef. »Die USA haben Angst vor einer Freundschaft zwischen uns und den Saudis.« Im vergangenen Monat deckten US-Behörden einen angeblich in Iran in Auftrag gegebenen Mordplan gegen den Botschafter Saudi-Arabiens in Washington auf.

** Aus: neues deutschland, 8. November 2011


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