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Atomstreit ist für Irans Präsidenten Ruhani Chefsache

Teheran bestätigte Besitz von 18 000 Zentrifugen zur Urananreicherung *

Der neue iranische Präsident Hassan Ruhani will mehr Einfluss auf die Atomverhandlungen mit dem Westen nehmen.

Die Atompolitik sei nun Chefsache, sagte der neue iranische Atomchef Ali Akbar Salehi laut Medienberichten am Sonntag. Ruhani müsse entscheiden, ob die Verhandlungen demnächst übers Außenministerium oder weiterhin über den Nationalen Sicherheitsrat laufen sollen.

EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton hatte den Iran am Samstag zur raschen Wiederaufnahme der Atomverhandlungen aufgerufen. Die fünf UNO-Vetomächte und Deutschland stünden bereit, sagte Ashton nach Angaben ihres Sprechers in einem Telefonat mit dem neuen iranischen Außenminister Mohammed Dschawad Sarif. Die letzte große Runde der sogenannten P5+1-Gespräche war im April im kasachischen Almaty ohne Ergebnisse geblieben. Der Iran weigerte sich vor allem, auf die Hauptforderung der Verhandlungspartner nach einer Aussetzung der Urananreicherung einzugehen.

Ruhani will unbedingt einen schnellen Durchbruch im Atomstreit, um die durch internationale Sanktionen verursachte Wirtschaftskrise im Land rasch zu beenden. Dabei sollen Außenminister Sarif und Atomchef Salehi eine entscheidende Rolle spielen. Ruhani wolle, falls auch der Westen damit einverstanden wäre, die Atomgespräche entweder auf Außenministerebene oder gleich direkt mit den USA führen, hieß es.

Präsident Rohani hatte nach seinem Amtsantritt seine »ernsthafte Gesprächsbereitschaft« bekräftigt, aber klar gemacht, dass er die Urananreicherung als legitimen Schritt zur friedlichen Nutzung der Atomenergie verteidigen will. Der Westen verdächtigt den Iran, insgeheim nach einer Atombombe zu streben.

Am Samstag hatte der bisherige Chef der iranischen Atombehörde, Fereidun Abbassi Dawani, den Besitz von mehr als 18 000 Zentrifugen bestätigt. 10 000 der Zentrifugen zur Anreicherung von Uran seien im Einsatz, sagte er nach Angaben der Nachrichtenagentur Isna. Die Internationalen Atomenergiebehörde IAEA hatte im Mai die gleichen Zahlen genannt .

Ende Juli habe der Iran über 17 000 Zentrifugen der ersten Generation verfügt, von denen 10 000 aktiv seien und 7000 weitere betriebsbereit, sagte Dawani laut Isna bei der Amtsübergabe an seinen Nachfolger, den früheren iranischen Außenminister Ali Akbar Salehi. Hinzu kämen rund tausend weitere der zweiten Generation, die bereit zum Einsatz seien.

Für eine Atombombe müsste Uran auf 90 Prozent angereichert werden. Die iranische Regierung gibt an, sie reichere Uran lediglich auf fünf bis 20 Prozent an, um es für zivile Zwecke wie die Energiegewinnung und medizinische Anwendungen einzusetzen.

* Aus: neues deutschland, Montag, 19. August 2013


Irans Regierung startklar

Der neu gewählte Präsident Hassan Rohani findet im Parlament breite Unterstützung für seinen Kabinettsvorschlag. 15 von 18 Ministern gewählt

Von Knut Mellenthin **


Iran hat eine neue Regierung. Nach viertägiger Debatte stimmte das Parlament am Donnerstag weitgehend dem Personalvorschlag des zu Monatsbeginn vereidigten neuen Präsidenten Hassan Rohani zu. Nach der Verfassung war über jedes Kabinettsmitglied einzeln abzustimmen. 15 Minister erreichten die erforderliche einfache Mehrheit, nur drei wurden abgelehnt. Rohani hat jetzt bis November Zeit, den Abgeordneten andere Kandidaten für diese Posten zu präsentieren.

Irans Parlament hat 289 Abgeordnete, von denen sich an den einzelnen Abstimmungen 283 bzw. 284 beteiligten. Zehn Minister bekamen mehr als 200 Stimmen. An der Spitze lagen Wirtschafts- und Finanzminister Ali Tajjebnia, Energieminister Hamid Chitchian und Verteidigungsminister Hossein Dehqan mit 274, 272 und 269 Stimmen. Verhältnismäßig schlecht schnitt Erdölminister Bidschan Zangeneh mit nur 166 Stimmen ab. Der jetzt 60jährige hatte in dieser Funktion schon den Regierungen von Mir-Hossein Mussawi (1981–1989), Haschemi Rafsandschani (1989–1997) und Mohammad Khatami (1997–2005) angehört. Mousawi war Kandidat der Reformopposition bei der Präsidentschaftswahl 2009 und steht seit den damaligen Massenprotesten unter Hausarrest. Zangeneh wird von vielen Konservativen verdächtigt, mit der Opposition zu sympathisieren.

An diesem Vorwurf scheiterten die von Rohani für die Ressorts Erziehung sowie Sport und Jugend bzw. Wissenschaft, Forschung und Technologie Nominierten: Mohammad Ali Nadschafi, Massud Soltanifar und Dschafar Mili-Monfared. Nadschafi fehlte allerdings nur eine einzige Stimme. Insgesamt zeigen die Ergebnisse der Parlamentsdebatte, daß eine große Mehrheit der Abgeordneten bereit ist, mit dem neuen Präsidenten konstruktiv zusammenzuarbeiten und ihm zumindest in der Anfangsphase keine Steine in den Weg zu legen. Das war zuvor auch schon von Sprechern aller bedeutenden Fraktionen angekündigt worden. Rohani, ein Kleriker, hatte von 1989 bis 2005 sechzehn Jahre lang den einflußreichen Nationalen Sicherheitsrat geleitet, weit länger als irgendein westlicher Politiker in vergleichbarer Position. Mit dem Obersten Revolutionsführer Ali Khamenei, der laut Verfassung alle Grundsatzentscheidungen in Innen- und Außenpolitik trifft, hat Rohani offenbar ein vertrauensvolles Arbeitsverhältnis. Obwohl der neue Präsident seine Wahl eindeutig den Stimmen aus der Reformopposition verdankt, gilt er selbst nach iranischen Begriffen nicht als Reformer, sondern als sogenannter Zentrist. Zu den Unstimmigkeiten bei der Wahl von 2009 vertritt er die Position, daß damals auf beiden Seiten schwere Fehler gemacht worden seien, über die hinweg man sich nun jedoch gemeinsam nach vorn bewegen müsse.

Im Präsidentschaftswahlkampf hat sich Rohani, wie mehr oder weniger auch alle anderen Bewerber, hauptsächlich durch massive Angriffe gegen seinen Vorgänger Mahmud Ahmadinedschad profiliert, ohne viel von seinen eigenen Vorhaben erkennen zu lassen. Wie er künftig im Streit um das iranische Atomprogramm agieren will, in dem vermutlich im September die nächste große Verhandlungsrunde ansteht, erscheint bisher noch völlig offen. Falls Rohani, wie er immer wieder betont, am Recht auf die Anreicherung von Uran zu friedlichen Zwecken festhalten will, besteht keine Chance, daß die USA und ihre europäischen Partner die Sanktionen lockern werden. Unter diesen Umständen kann sich aber die Wirtschaftslage, mit der große Teile der Bevölkerung unzufrieden sind, nicht entscheidend verbessern.

** Aus: junge Welt, Montag, 19. August 2013


Satans Freund ***

Er galt als Wackelkandidat im Kabinett des neuen iranischen Präsidenten Hassan Ruhani, doch Mohammed Dschawad Sarif hat in der Vorwoche schließlich auch die parlamentarische Hürde genommen und wurde am Wochenende als Außenminister vereidigt. Der 1960 in Teheran geborene Diplomat ist vor allem dem erzkonservativen Klerus in Teheran ein Dorn im Auge.

Sarif, der perfekt Englisch spricht, hat in San Francisco Politikwissenschaften und Jura studiert, an der Universität Denver promoviert und in seiner Zeit als iranischer Botschafter bei den Vereinten Nationen in New York von 2002 bis 2007 wiederholt Kontakt mit den Abgesandten des »Großen Satans« gehabt – allerdings nur hinter den Kulissen, nie offiziell. So musste der 53-Jährige bei seinen Anhörungen im Außenpolitischen Ausschuss des Parlaments immer wieder beteuern, dass er keineswegs eine unbeschränkte Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für die USA habe und seit seinem Amtsende bei den Vereinten Nationen nicht mehr in den Vereinigten Staaten gewesen sei. Auch seine Kinder befänden sich in Iran und nicht in den USA.

Der neue Staatschef hat am Sonnabend bei der Vereidigung noch einmal betont, dass er eine Abkehr vom Konfrontationskurs seines Vorgängers Mahmud Ahmadinedschad anstrebe. Er will die internationale Isolation Irans beenden, nicht zuletzt mit Blick auf sein Versprechen, die durch Sanktionen geschwächte iranische Wirtschaft zu sanieren. Außenpolitik müsse nicht das Terrain von populistischen Slogans, sondern von überdachten Äußerungen sein, erklärte Ruhani.

Auch deshalb hatte er Sarif vorgeschlagen, der ihm prädestiniert scheint für einen diplomatischen Durchbruch – gerade in den Beziehungen zum Erzfeind USA, mit dem nun direkte Verhandlungen zur Beilegung des Atomstreits angepeilt werden. In seiner Zeit als UN-Botschafter war Sarif mit der Geheimmission »Große Abmachung«, die nach Jahrzehnten der Funkstille die Differenzen zwischen beiden Ländern ausräumen sollte, noch gescheitert. Olaf Standke

*** Aus: neues deutschland, Montag, 19. August 2013




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