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Woher die Feindschaft rührt

Bahman Nirumand über die Gefahr eines Krieges zwischen Israel und Iran

Von Uli Gellermann *

Es ist die trübe Brille des Philosemitismus, durch die deutsche Medien den Konflikt zwischen Israel und Iran sehen, der nach der US-Präsidentenwahl in einen Krieg umschlagen könnte. Bahman Nirumand, ein deutsch-iranischer Intellektueller, der sowohl Gegner des Schahs als auch der religiösen Diktatur im Iran war und ist, warnt vor einem Angriff Israels auf Iran und der Gefahr eines Flächenbrandes, der die gesamte Welt verbrennen könnte.

Historisch, so Nirumand, gäbe es eigentlich keinen Grund zur Feindschaft zwischen Iran und Israel. Er erinnert an die iranischen Könige, die im 6. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung die Juden aus der babylonischen Gefangenschaft befreiten. Iran zählte zu den ersten Staaten, die den 1948 gegründeten Staat Israel anerkannten. Israel hatte das Schah-Regime beim Aufbau seines Militärs und seines Geheimdienstes unterstützt, im Gegenzug Iran Israel mit Öl versorgt. Wahrscheinlich liegt hier der Grund für die heutige Feindschaft. Als 1979 die Islamisten die Macht im Iran übernahmen, wollten sie mit den einstigen Freunden des gestürzten Schahs keine Gemeinsamkeiten mehr haben.

Nirumand sieht keine Anzeichen für einen möglichen, häufig beschworenen Angriff Irans auf Israel, da dieser einem Suizid nahe käme. Die hochgerüstete israelische Armee mit mehr als 250 Atomsprengköpfen in ihren Waffenarsenalen ist den iranischen Streitkräften weit überlegen. Beide Lager, so der Autor, versuchen von ihren inneren Problemen abzulenken, indem sie nationale Ängste mobilisieren. Derart hoffen sie auch ihre außenpolitischen Ziele zu erreichen: Iran will sich als Führungsmacht im Nahen Osten etablieren, Israel die wegen der Siedlungspolitik gesunkenen Sympathien im Westen zurückgewinnen.

Nirumand belässt es nicht bei der Nennung der Motive der beiden verfeindeten Ländern. Bereits US-Präsident Jimmy Carter drohte im Januar 1980: »Jeder Versuch einer auswärtigen Macht, Kontrolle über die Region des persischen Golfs zu erlangen, wird als Angriff auf die vitalen Interessen der USA betrachtet.« So, wie Lateinamerika jahrzehntelang als Hinterhof der USA angesehen wurde, gilt der Nahe Osten in Washington offenkundig als Vorgarten der USA. Eine Teilschuld am Iran-Israel-Konflikt trage auch der Westens. Immerhin hatte der iranische Präsident Chatami (1997 - 2005) seine Breitschaft zu mehr Kontrollen der internationalen Atomenergiebehörde erklärt und für eine gewisse Zeit die Zentrifugen in den iranischen Atomanlagen stillgelegt. Dies und die implizite Anerkennung des Staates Israel wurden ihm von den USA mit der Einordnung seiner Heimat als »Schurkenstaat« gedankt. Dadurch konnte, so der Autor, das iranische Atomprogramm zu einer Sache der nationalen Ehre hochstilisiert werden: »Wieso darf Israel ein nukleares Waffenarsenal besitzen und es mit Hilfe des Westens immer weiter ausbauen, während Iran die Urananreicherung zur friedlichen Nutzung der Atomenergie verboten werden soll?«

Verantwortlich für die zunehmende Isolation Israels sind nach Nirumand dessen Siedlungspolitik und Apartheidregime in den besetzten Gebieten. Schuld an der Zuspitzung der Krise und Verdichtung der Militärpläne gegen Iran sei insbesondere das American Israel Public Affairs Committee, ein weltweit einmaliges Bündnis aus Politikern zweier Staaten, dem u. a. Bill Clinton und Bush Junior sowie Benjamin Netanjahu und Shimon Peres angehören. In deutschen Medien und in Regierungskreisen bekommen sie Beifall, während die Staaten und Völker im arabischen Raum um ihre Existenz und ihr Leben fürchten müssen. Nirumand zitiert den ermordeten israelischen Premier Jitzschak Rabin: »Wir alle lieben dieselben Kinder, weinen dieselben Tränen, hassen dieselbe Feindschaft und beten um Versöhnung.« Und der Autor berichtet auch über eine Facebook-Kampagne, die mit der Botschaft eines Israelis an die Iraner begann: »Wir werden Euer Land nie bombardieren. Wir lieben Euch.« Worauf ein iranischer Landschaftsgärtner via Facebook antwortete: »Iran Loves Israel.«

Bahman Nirumand: Iran – Israel – Krieg. Der Funke zum Flächenbrand. Verlag Klaus Wagenbach. 112 S., br., 9,90 €.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag 18. Oktober 2012


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