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Wer narrt wen?

Von Behrouz Khosrozadeh *

Im Mai 2005 hatten die USA das Verlangen Irans nach einer Atomwaffenproduktion als sehr hoch eingestuft. Im November 2007 steht dieselbe »high confidence« dafür, dass Teheran das Programm im Herbst 2003 (während der Amtszeit Präsident Khatamis) einstellte. Es stünde auch mit »high confidence« fest, dass der Stopp mindestens bis Mitte 2007 angehalten hat – bis zur Mitte der Präsidentschaft von Ahmadinedschad. Zuvor hatte Bush vor einem Dritten Weltkrieg gewarnt. Wer hält die internationale Gemeinschaft zum Narren, die Bush-Administration oder der Iran?

Irans Entscheidung, das Atomwaffenprogramm zu stoppen, sei das Ergebnis des internationalen Drucks, so der Bericht der US-Geheimdienste. Daraus wird geschlussgefolgert, den zivilen Druck auf Teheran zu verschärfen. Es ist eine bewusst falsche Lesart des Berichts, denn der Iran stand 2003 nicht unter hohem Druck. Die Übergabe der Nuklearakte durch die Internationale Atomenergiebehörde an den UN-Sicherheitsrat erfolgte 2006 und die erste Resolution (Nr. 1696) gegen den Iran Ende Juli 2006. Irans Atomwaffenprogramm, wenn es eines gegeben hat, wurde kurz nach dem Fall Saddam Husseins eingestellt. Es richtete sich folglich wohl gegen Saddams Irak, der den Iran 1980 überfiel. Iran hätte somit weder Israel vernichten, noch Nachbarn bedrohen wollen.

Ein persisches Sprichwort besagt, man könne den Kopf des Gegners auch mit Watte abschneiden. Vielleicht kennt man solche Gedanken auch in den USA: Mit Verweis auf den Bericht will Bush das Tor für Sanktionen offen halten. Innenpolitisch könnte es ein verzweifelter Schachzug im Hinblick auf die Präsidentschaftswahl sein, die die Republikaner zu verlieren drohen. Die Administration wäre von einem Kriegszwang gegen den Iran, den sie selbst entfachte, entlastet.

Dem Bericht zufolge ist der Iran – entgegen der Dämonisierungskampagne der amerikanischen NeoCons und der Israel-Lobby – ein nach Kosten-Nutzen-Kalkulation handelnder rationaler Akteur. Optimistisch betrachtet könnten die USA begriffen haben, dass in der Region kein Weg am Iran vorbeiführt. Schließlich gehe es um die Sicherung der Energiezufuhr, Stabilität, Existenz Israels und Abwehr von Al-Qaida. Keines dieser Ziele kann ohne den Iran erreicht werden. Im Irak sind die Anschläge auf US-Soldaten enorm zurückgegangen. Das Land hat seine Apokalypse hinter sich. Im Libanon setzt sich Teheran konstruktiv für einen Konsenspräsidenten ein. Außenpolitisch hat sich Iran trotz aggressiver Rhetorik korrekt verhalten.

Es wäre mithin an der Zeit, dem Projekt einer solidarischen Staatengemeinschaft im Nahen Osten nachzugehen. Ein Projekt, das im Gegensatz zu zahllosen US-Konzepten (Großer Naher Osten, Neuer Naher Osten) nicht darauf bedacht ist, Sunniten gegen Schiiten aufzuhetzen und einen innerpalästinensischen Bürgerkrieg zu Gunsten Israels anzufachen. Ein Projekt, das sich mit einem atomwaffenfreien Nahen Osten beschäftigt und dabei auch Israels 200 atomare Sprengköpfe nicht ignoriert. Ein Projekt, das keine »Annapolis-Konferenz« ins Leben ruft, damit Israel eine Woche später den Bau von 300 Wohnungen in Ostjerusalem freigibt. Ein Projekt, das den Interessen aller Beteiligten, einschließlich der Vereinigten Staaten von Amerika und Israels, Rechnung trägt. Eine Alternative gibt es nicht.

* Der im Iran geborene Politologe publizierte im Oktober 2007: "Die Ayatollahs und der Große Satan".

Aus: Neues Deutschland, 15. Dezember 2007 ("Gastkommentar")


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