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USA frustriert

Iran baut seine Beziehungen mit Lateinamerika aus. Region ignoriert Drohungen aus Washington

Von Modaira Rubio, Caracas *

Gemeinsam mit Tausenden Menschen haben Venezuelas Präsident Hugo Chávez und sein iranischer Amtskollege Mahmud Ahmadinedschad am Dienstag in Managua an der Amtseinführung des wiedergewählten nicaraguanischen Präsidenten Daniel Ortega teilgenommen. Auch zahlreiche weitere Staatschefs und Außenminister waren zu der Zeremonie und zur Kundgebung auf der »Plaza de la Revolución« im Zentrum der Hauptstadt angereist. Nicaragua ist die zweite Station der Lateinamerikareise Ahmadinedschads, die ihn auch nach Kuba und Ecuador führen wird.

Die Reise des iranischen Präsidenten hat in Washington zu wütenden Reaktionen geführt. Wohl nicht zufällig wurde am Sonntag die venezolanische Generalkonsulin in Miami, Livia Acosta Noguera, von der US-Administration zur »unerwünschten Person« erklärt und des Landes verwiesen. Sie soll angeblich gemeinsam mit iranischen und kubanischen Agenten US-Einrichtungen ausspioniert haben, um eine Attacke auf nordamerikanische Computernetzwerke vorzubereiten. Präsident Chávez wies die Vorwürfe als »willkürlich und unbegründet« zurück. Sie stützten sich lediglich auf einen Film, den ein US-Fernsehsender ausgestrahlt habe, so der venezolanische Staatschef.

Schon vor Beginn der Lateinamerikareise Ahmadinedschads hatte ein Sprecher des US-Außenministeriums erklärt, dies sei »kein guter Zeitpunkt« für die Region, engere Beziehungen zur Islamischen Republik zu knüpfen. Zugleich entfesselten Medien in der Region eine Kampagne um die angebliche Zusammenarbeit Venezuelas und des Iran bei der Urananreicherung. »Bitte verraten Sie niemandem, daß wir hier zusammen eine Atombombe bauen«, scherzte Chávez deshalb gegenüber Journalisten über die Vorwürfe, die er als »lächerlich« bezeichnete. »Wir sind keine Kriegstreiber. Weder der Iran noch Venezuela haben jemanden angegriffen oder Bomben auf jemanden abgeworfen. Es sind diejenigen, die uns beschuldigen, die mehr als 100 Jahre lang Länder überfallen und Tausende Bomben auf wehrlose Völker abgeworfen haben, darunter auch Atombomben«, erinnerte Chávez.

Der Besuch des iranischen Präsidenten in Caracas sollte ursprünglich bereits nach der UN-Vollversammlung in New York vergangenen September stattfinden, konnte damals wegen der Erkrankung Chávez’ jedoch nicht durchgeführt werden. Für Venezuela haben die Beziehungen mit dem Iran strategische Bedeutung. So wurden mit Unterstützung Teherans bislang 14000 Wohnhäuser errichtet, insgesamt sind 34000 geplant. Dadurch soll der Erfolg der von der Regierung in Caracas gestarteten Mission »Vivienda« (Wohnung) gesichert werden, durch die jede venezolanische Familie eine eigene Wohnung bekommen soll. Insgesamt sind die Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern seit 2005 um 131 Prozent gewachsen. Aber auch andere Länder des Kontinents kooperieren mit Teheran. So erhöhte Brasilien seine Exporte in den Iran im vergangenen Jahrzehnt um 700 Prozent.

Chávez empfing Ahmadinedschad mit den Worten, die politische Allianz zwischen beiden Ländern diene dazu, »den imperialistischen Wahnsinn zu bremsen«, der eine Gefahr für die ganze Welt darstelle. »Unsere Völker werden weiter für den Frieden arbeiten. Wir wollen keinen Imperialismus, sondern die Respektierung des Selbstbestimmungsrechts der Nationen und des Völkerrechts«, so der venezolanische Präsident. In diesem Zusammenhang übermittelte Chávez seinem Gast auch die Grüße des peruanischen Präsidenten Ollanta Humala, der sich am Wochenende zu seinem ersten offiziellen Besuch in Caracas aufgehalten hatte. Dabei hatten die beiden Staatschefs eine Reihe bilateraler Abkommen unterzeichnet und über eine weitere Stärkung der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) sowie der gerade gegründeten Gemeinschaft der Staaten Lateinamerikas und der Karibik (CELAC) beraten.

* Aus: junge Welt, 11. Januar 2012


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