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Revolutionsführer skeptisch

Ajatollah Khamenei warnt Iraner vor übersteigerter Hoffnung auf direkte Verhandlungen mit US-Regierung

Von Knut Mellenthin *

Irans »Revolutionsführer« hat nach mehrtägigem Abwarten in die Diskussion um direkte Gespräche mit den USA eingegriffen. Bei einem Treffen mit Militärangehörigen äußerte sich Ajatollah Sejjed Ali Khamenei am Donnerstag sehr skeptisch über die Erfolgsaussichten solcher Kontakte. Damit kritisierte er gleichzeitig indirekt iranische Politiker und Diplomaten, die sich in den vergangenen Tagen vorsichtig optimistisch oder teilweise sogar euphorisch geäußert hatten.

Die Diskussion war am Wochenende vom Vizepräsidenten der USA, Joe Biden, ausgelöst worden. Er hatte direkte Gespräche zwischen beiden Staaten für grundsätzlich möglich erklärt, sie aber von der Bedingung abhängig gemacht, daß die iranische Führung »ernsthaft« zu Verhandlungen bereit sein müsse. Iranische Politiker, darunter Präsident Mahmud Ahmadine­dschad und Außenminister Ali Akbar Salehi, hatten Bidens Stellungnahme, die im Grunde nur die längst bekannte Position der US-Regierung bestätigte, als »Schritt in die richtige Richtung« und »positiven Vorschlag« gelobt.

Ajatollah Khamenei sagte dazu am Donnerstag: »Ein Gesprächsangebot macht nur Sinn, wenn die Seite (die es macht, jW) guten Willen zeigt.« Das sei jedoch hier nicht der Fall. An die US-Regierung gerichtet fuhr er fort: »Sie richten Ihre Waffe auf Iran und sagen: Entweder Verhandlungen oder wir drücken ab! Sie sollten wissen, daß Druck und Verhandlungen nicht zusammenpassen und daß die iranische Nation sich von solchen Dingen nicht einschüchtern lassen wird. (…) Wir verstehen selbstverständlich, warum die Amerikaner Verhandlungen brauchen: Weil ihre Nahostpolitik gescheitert ist. Um dieses Scheitern zu kompensieren, müssen sie eine Trumpfkarte ausspielen.« Diese Karte sei der Versuch Washingtons, die Welt vom eigenen guten Willen zu überzeugen. »Aber niemand sieht irgendwelchen guten Willen.«

Einige Medien interpretieren diese Worte Khameneis als Ablehnung direkter Gespräche. Ein Vergleich mit seinen früheren Äußerungen zeigt aber, daß der Ajatollah sich niemals explizit gegen solche Treffen gewendet hat, sondern immer nur dagegen argumentiert hat, sich von direkten Kontakten zu viel zu erhoffen. Der US-Regierung gehe es in Wirklichkeit gar nicht darum, das iranische Atomprogramm zu stoppen, so Khameneis Fazit, sondern um einen »Regimewechsel« und die Unterwerfung Irans. Der Atomstreit sei dabei nur ein Vorwand.

Die Gespräche über das iranische Nuklearprogramm werden zunächst am kommenden Mittwoch fortgesetzt. Eine hochrangige Delegation der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) wird dann nach Teheran kommen, um über die Zusammenarbeit bei der Kontrolle der iranischen Anlagen zu sprechen. Am 26. Februar will sich die Verhandlungsgruppe der fünf plus eins in Kasachstan mit iranischen Vertretern treffen. Sie besteht aus den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats (USA, Rußland, China, Großbritannien und Frankreich), ergänzt durch Deutschland. Die letzte Zusammenkunft dieser Art hatte im Juni 2012 in Moskau stattgefunden.

Unterdessen sind in den USA am Mittwoch neue Sanktionen in Kraft getreten. Sie richten sich hauptsächlich gegen die Staaten, die Erdöl aus dem Iran importieren. Sie sollen künftig verpflichtet werden, die Lieferungen nur noch über Verrechnungskonten zu bezahlen. Anderenfalls drohen ihnen schwere Nachteile auf dem US-Markt. Auf diese Weise könnte Iran künftig zwar weiterhin Waren aus den betroffenen Ländern kaufen, würde aber kein Geld mehr erhalten.

* Aus: junge Welt, Freitag 8. Februar 2013


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