Freibrief für den Krieg?
US-Regierung hat keine Einwände gegen israelischen Angriff auf Iran
Von Knut Mellenthin *
Die US-Regierung hat grünes Licht für israelische Militärschläge gegen
Iran gegeben. Gleichzeitig verstärken sich die Anzeichen, daß Israel
einen Angriff in den nächsten Monaten vorbereitet.
Vizepräsident Joseph Biden sagte am Sonntag (5. Juli) in einem Interview
mit dem US-amerikanischen Sender ABC: Israel sei berechtigt, den Iran
anzugreifen. »Wir können einem souveränen Staat nicht vorschreiben, was
er darf und was er nicht darf, wenn sie die Entscheidung treffen, daß
ihr Überleben von einem anderen Land bedroht ist...Israel kann selbst
bestimmen, was in seinem Interesse ist und es gegenüber dem Iran oder
irgendwem sonst tun will...Wenn die Netanjahu-Regierung sich
entscheidet, einen anderen Kurs einzuschlagen als den jetzt
praktizierten, ist das ihr souveränes Recht.«
Ein Sprecher des Weißen Hauses kommentierte Bidens Äußerungen mit der
Bemerkung, der Vizepräsident habe keine Änderung der Haltung der
US-Regierung gegenüber Israel oder Iran signalisiert, sondern im
Gegenteil »deutlich gemacht, daß sich unsere Politik nicht geändert
hat«. Tatsache ist jedoch, daß sich so eindeutig weder der frühere
Präsident George W. Bush noch dessen Außenministerin Condoleezza Rice
geäußert hatten.
Israel hat es nun mit expliziter Billigung der US-Regierung in der Hand,
jederzeit einen Krieg auszulösen, in den zwangsläufig auch die USA und
Westeuropa hineingezogen würden. Damit ist die angebliche Bereitschaft
des neuen US-Präsidenten Barack Obama, einen »direkten Dialog« mit dem
Iran aufzunehmen, als hohle Rhetorik bloßgestellt. Ihr Zweck besteht nur
darin, wie Obamas wichtigster Nah- und Mittelost-Berater Dennis Ross
schon vor Monaten verkündete, die internationale Isolierung Irans zu
erleichtern.
Abweichend von der Linie der Regierung bekundete der Stabschef der
Streitkräfte, Admiral Mike Mullen, am Sonntag gegenüber dem Sender Fox
News seine tiefe Besorgnis wegen eines militärischen Angriffs auf Iran:
»Er würde sehr destabilisierend wirken – nicht nur durch sich selbst,
sondern auch durch die unbeabsichtigten Folgen eines solchen Schlages,
die nicht vorherzusagen sind.« Auch Mullen wiederholte aber die bekannte
Formel, die USA würden gegenüber Iran »keine Option, einschließlich der
militärischen, vom Tisch nehmen«.
Israelische Regierungspolitiker haben ebenso wie maßgebliche Militärs
und Geheimdienstleute in den vergangenen Tagen erklärt, die
innenpolitischen Ereignisse nach der Präsidentenwahl seien ein
eindeutiger Beweis, daß Verhandlungen mit Iran zwecklos seien. Die
Tageszeitung Haaretz berichtete am Montag, Israel bedränge die USA »und
andere Staaten«, jetzt schon einen verbindlichen »Plan B« für den Fall
festzulegen, daß Iran den Forderungen nach Einstellung seiner
Urananreicherung nicht nachgibt. Das Blatt zitierte einen nicht
namentlich genannten hohen israelischen Regierungsbeamten mit der
Einschätzung: »In der Situation, die infolge der Proteste im Iran
entstanden ist, gibt es eine sehr viel größere internationale
Bereitschaft zu harten Schritten gegen das Teheraner Regime.«
Am vergangenen Freitag (3. Juli) war bekanntgeworden, daß die
israelische Marine im Juni erstmals seit fünf Jahren wieder
Kriegsschiffe aus dem Mittelmeer ins Rote Meer verlegt hat. darunter ein
in Deutschland produziertes U-Boot, das mit Atomraketen ausgerüstet ist.
Die Schiffe passierten mit Erlaubnis der ägyptischen Regierung den
Suez-Kanal und sind inzwischen in ihren Stützpunkt in Haifa
zurückgekehrt. Israels einziger Hafen am Roten Meer, Eilat, eignet sich
nicht für die Stationierung von U-Booten. Die kurzzeitige Verlegung
wurde in Israel und international als Drohung gegen Iran und
gleichzeitig als Zeichen für die Bereitschaft Ägyptens zur militärischen
Kooperation gewertet.
Am Sonntag (5. Juli) meldete die Sunday Times, daß Israel sich die
stillschweigende Duldung der Regierung in Riad gesichert habe, für
Angriffe gegen Iran den Luftraum über Saudi-Arabien zu durchfliegen. Die
israelische Regierung dementierte den Bericht.
* Aus: junge Welt, 7. Juli 2009
Auszug aus dem Biden-Interview im Original
Wolfgang Kuhlmann von der "FriedensTreiberAgentur" hat sich kundig gemacht und das umstrittene und unterschiedlich interpretierte Interview des US-Vizepräsidenten unter die Lupe genommen. Wir dokumentieren aus seinem Newsletter vom 6. Juli 2009:
Jagd auf den Iran - Wie nah ist Israel am Krieg?
Es wirkt zunächst erschreckend. Biden, Obamas Vize, hat in einem Interview mit dem TV-Sender ABC erklärt, die US-Regierung werde sich einem Krieg Israels gegen den Iran nicht widersetzen. Das klingt für viele Medien wie die "Genehmigung" eines Krieges Israels gegen den Iran. Doch im Interview selbst, das beispielsweise auch von BBC und SPIEGEL zitiert wird, referiert Biden, daß Israel als selbständiges Völkerrechtssubjekt gegenüber dem Iran auch eine eigenständige Politik betreiben könne. Ob die USA Israel Steine in den Weg legen werde wie beispielsweise die Verweigerung von Überflugrechten im Irak - solchen und ähnlichen Klippen wich Biden geschmeidig aus.
Die entsprechende Passage aus dem Interview im Transkript der ABC-Sendung "This Week" vom 05.07.2009, Moderator/Interviewer ist George Stephanopoulos:
STEPHANOPOULOS: And meanwhile, Prime Minister Netanyahu has made it pretty clear that he agreed with President Obama to give until the end of the year for this whole process of engagement to work. After that, he's prepared to make matters into his own hands.
Is that the right approach?
BIDEN: Look, Israel can determine for itself -- it's a sovereign nation -- what's in their interest and what they decide to do relative to Iran and anyone else.
STEPHANOPOULOS: Whether we agree or not?
BIDEN: Whether we agree or not. They're entitled to do that. Any sovereign nation is entitled to do that. But there is no pressure from any nation that's going to alter our behavior as to how to proceed.
What we believe is in the national interest of the United States, which we, coincidentally, believe is also in the interest of Israel and the whole world. And so there are separate issues.
If the Netanyahu government decides to take a course of action different than the one being pursued now, that is their sovereign right to do that. That is not our choice.
STEPHANOPOULOS: But just to be clear here, if the Israelis decide Iran is an existential threat, they have to take out the nuclear program, militarily the United States will not stand in the way?
BIDEN: Look, we cannot dictate to another sovereign nation what they can and cannot do when they make a determination, if they make a determination that they're existentially threatened and their survival is threatened by another country.
STEPHANOPOULOS: You say we can't dictate, but we can, if we choose to, deny over-flight rights here in Iraq. We can stand in the way of a military strike.
BIDEN: I'm not going to speculate, George, on those issues, other than to say Israel has a right to determine what's in its interests, and we have a right and we will determine what's in our interests.
Aus: FriedensTreiberAgentur, 6. Juli 2009; http://friedenstreiberagentur.de
Deutsche Übersetzung der wichtigsten Passagen h i e r !.
Saudi-arabische Hilfe für Israel?
Angeblich Geheimabsprache zu Überflugrechten bei Angriff auf Iran **
Saudi-Arabien hat einem britischen Pressebericht zufolge Israel in einer
Geheimabsprache das
Überflugrecht für einen möglichen Luftangriff auf iranische Atomanlagen
zugesichert.
London/Teheran (AFP/dpa/ND). Saudi-Arabien habe einer Nutzung seines
Luftraums durch die
israelische Luftwaffe stillschweigend zugestimmt, da ein Angriff auf
Irans Atomanlagen als nützlich
für beide Seiten angesehen werde, berichtete die »Sunday Times« unter
Berufung auf eine nicht
näher genannte diplomatische Quelle. Die israelische Regierung
dementierte den Bericht als
»komplett falsch und ohne Grundlage«.
Laut »Sunday Times« gab es in den vergangenen Monaten Treffen zwischen
dem Chef des
israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, Meir Dagan, und
saudi-arabischen Vertretern, auf
denen in der Angelegenheit verhandelt wurde. Dagan habe Israels
Regierungschef Benjamin
Netanjahu daraufhin über die Möglichkeit informiert, den
saudi-arabischen Luftraum für einen
möglichen Luftangriff auf die Atomanlagen in Iran nutzen zu können, hieß
es in dem Bericht. Offiziell
unterhalten Israel und Saudi-Arabien keine diplomatischen Beziehungen.
Die USA würden sich nach den Worten von Vizepräsident Joe Biden einem
Militärangriff Israels auf
Iran nicht in den Weg stellen. Die USA könnten »einer anderen souveränen
Nation nicht diktieren,
was sie tun und was sie nicht tun kann«, sagte Biden in einem am Sonntag
ausgestrahlten Interview
mit dem US-Sender ABC auf die Frage, ob Washington einen solchen Schritt
zu verhindern suchen
würde. »Israel kann selbst bestimmen – als souveräne Nation – was in
ihrem Interesse liegt und was
es in Bezug auf Iran und alle anderen macht.«
Unterdessen ist eine Gruppe moderater Geistlicher im Streit um die
iranische Präsidentschaftswahl
auf Distanz zur Führung des Landes gegangen und hat die Rechtmäßigkeit
des Ergebnisses
angezweifelt. Die Klerikergruppe aus der religiösen Hochburg Ghom warf
dem für die Prüfung des
Wahlergebnisses zuständigen Wächterrat vor, nicht unparteiisch gehandelt
und die Beschwerden
der vom Reformpolitiker Mir Hussein Mussawi angeführten Opposition
ignoriert zu haben.
Angesichts dieser Zweifel stelle sich die Frage, ob die offiziell
verkündete Wiederwahl von
Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad als rechtmäßig betrachtet werden
könne, hieß es am
Sonntag in der Erklärung der Vereinigung der Seminar-Gelehrten und
-forscher. Mussawi hatte die
Vereinigung kürzlich über seine Vorwürfe informiert.
Der frühere iranische Präsident Akbar Haschemi Rafsandschani bestritt
indes, dass die umstrittene
Präsidentenwahl am 12. Juni einen Machtkampf ausgelöst habe.
** Aus: Neues Deutschland, 6. Juli 2009
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