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Kriegshysterie in Israel

Immer neue Medienberichte über bevorstehende Militärschläge gegen Iran

Von Knut Mellenthin *

Seit einer Woche berichten die israelischen Medien über nahe bevorstehende Militärschläge gegen Iran. Begleitet wird das Kriegsgeschrei von Raketentests, Manövern und Notstandsübungen, die angeblich schon seit mindestens einem halben Jahr geplant waren und nun ganz zufällig innerhalb einer einzigen Woche zusammenfallen.

Am Freitag (28. Okt.) voriger Woche kehrten israelische Kampfflugzeuge von einer fünftägigen Teilnahme an einer NATO-Übung auf Sardinien zurück. Ein zentrales Thema war dabei das Auftanken in der Luft während längerer Flüge, wie es bei Angriffen gegen Ziele im Iran erforderlich wäre. Außerdem trainierten die israelischen Piloten gemeinsam mit deutschen und italienischen Kollegen das Agieren in Luftkämpfen. Dem Staat Israel, wohlgemerkt selbst kein NATO-Mitglied, steht schon seit Jahren der Luftraum über Italien, Griechenland und Rumänien – diese Aufzählung ist nicht unbedingt vollständig – für militärische Übungen offen.

Am Mittwoch (2. Nov.) meldete Israel den »erfolgreichen« Test einer ballistischen Rakete, deren Reichweite den Iran einschließt und die mit einem nuklearen Sprengkopf ausgerüstet werden kann. Es war der erste öffentlich bekanntgegebene Raketentest seit drei Jahren. Am Mittwoch führte das israelische Heimatfrontkommando in einem zentralen Landesteil eine Übung durch, bei der Rettungsarbeiten nach Raketenangriffen simuliert wurden. Am Donnerstag morgen heulten 90 Sekunden lang die Alarmsirenen. In der Stadt Holon wurden im Rahmen der Übung Zentren für die Aufnahme von Verletzten und für die Verteilung von Gasmasken eingerichtet.

Begonnen hatten die tollen Tage am vergangenen Freitag (28. Okt.) mit einem Artikel in der meistgelesenen Zeitung Israels, Jedioth Ahronoth. Der Verfasser, Nahum Barnea, ist einer der bekanntesten und angesehensten Journalisten des Landes. Seine Behauptung, für die er sich ausschließlich auf anonyme Insiderquellen berief: Premierminister Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Ehud Barak seien fest entschlossen, in naher Zukunft Luftangriffe gegen die iranischen Atomanlagen anzuordnen. Bedenken gegen diese Absicht gebe es jedoch aus militärischen und geheimdienstlichen Kreisen.

Am Mittwoch (2. Nov.) meldete die vorwiegend liberale Tageszeitung Haaretz unter Berufung auf einen anonymen Informanten im Regierungsapparat, daß die Meinung im engeren Kabinett, dem acht Minister angehören, geteilt sei. Netanjahu sei es zwar gelungen, Außenminister Avigdor Lieberman von der Notwendigkeit eines israelischen Alleingangs zu überzeugen, aber mehrere andere, insbesondere der – für das Thema Iran eigentlich zuständige – Minister für Strategische Angelegenheiten, Mosche Ja’alon, seien immer noch dagegen, unabhängig von den USA zu handeln.

Ebenfalls am Mittwoch wurde die Gerüchteküche von der britischen Tageszeitung The Guardian noch weiter angeheizt. Unter Berufung auf nicht weiter bezeichnete anonyme Quellen behauptete das Blatt, die US-Regierung stehe kurz vor der Entscheidung für Raketenschläge gegen Iran. Präsident Barack Obama wolle die Angelegenheit möglichst noch vor der heißen Phase des Präsidentschaftswahlkampf im nächsten Jahr hinter sich bringen. Die britischen Streitkräfte seien deshalb jetzt schon dabei, ein militärisches Eingreifen an der Seite der USA (und Israels) zu planen.

Irans Außenminister Ali Akhbar Salehi kommentierte am Donnerstag (3. Nov.), man kenne solche Drohungen, da man sie seit acht Jahren regelmäßig zu hören bekomme. Falls wirklich jemand versuchen sollte, Iran anzugreifen, sei man zur Verteidigung bereit.

* Aus: junge Welt, 4. November 2011

Auszug aus dem Artikel "UK military steps up plans for Iran attack amid fresh nuclear fears" im "Guardian"

(...) Britain's armed forces are stepping up their contingency planning for potential military action against Iran amid mounting concern about Tehran's nuclear enrichment programme, the Guardian has learned.

The Ministry of Defence believes the US may decide to fast-forward plans for targeted missile strikes at some key Iranian facilities. British officials say that if Washington presses ahead it will seek, and receive, UK military help for any mission, despite some deep reservations within the coalition government.

In anticipation of a potential attack, British military planners are examining where best to deploy Royal Navy ships and submarines equipped with Tomahawk cruise missiles over the coming months as part of what would be an air and sea campaign.

They also believe the US would ask permission to launch attacks from Diego Garcia, the British Indian ocean territory, which the Americans have used previously for conflicts in the Middle East.

The Guardian has spoken to a number of Whitehall and defence officials over recent weeks who said Iran was once again becoming the focus of diplomatic concern after the revolution in Libya.

They made clear that Barack Obama, has no wish to embark on a new and provocative military venture before next November's presidential election.

But they warned the calculations could change because of mounting anxiety over intelligence gathered by western agencies, and the more belligerent posture that Iran appears to have been taking.
(...)

The Guardian, 2 November 2011; www.guardian.co.uk




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