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Manöver und Gerüchteküche

US-Regierung dementiert Berichte über direkte Gespräche mit dem Iran

Von Knut Mellenthin *

In Israel hat gestern die Militärübung »Austere Challenge 2012« begonnen, die gemeinsam mit den Streitkräften der USA durchgeführt wird. Im Zentrum der Kriegsspiele, die etwa zwei bis drei Wochen dauern sollen, steht die integrierte Abwehr von Raketenangriffen. Es handelt sich dabei nicht nur um eines der beliebten »Signale an den Iran«, sondern auch, wie BBC-Militärkorrespondent Jonathan Marcus am Sonnabend zutreffend kommentierte, um »eine Art kleinformatigen Prototyp dessen, was die USA auch mit ihren NATO-Verbündeten aufbauen wollen«.

»Austere Challenge 2012« ist bereits die sechste amerikanisch-israelische Übung dieser Art – und einer Pressemitteilung der israelischen Streitkräfte zufolge die bisher umfangreichste. Die USA setzen rund 3500 Soldaten ein, 1000 davon direkt in Israel, die übrigen auf See und in verschiedenen europäischen Stützpunkten. Die Übung hatte zunächst schon im Frühjahr stattfinden sollen, war aber – wie sich erst später herausstellte auf Wunsch Israels – im Januar ohne Angabe plausibler Gründe verschoben worden. Das hatte damals zu gewagten Spekulationen über ein Abrücken der USA von Israel geführt. Entsprechende Gerüchte waren allerdings eindeutig vom geheimdienstnahen israelischen Desinformationsportal DEBKAfile in die Welt gesetzt worden.

Aus ähnlichen trüben Quellen scheint der am Sonnabend in der New York Times erschienene Bericht zu stammen, in dem von einer amerikanisch-iranischen Grundsatzvereinbarung über die Aufnahme direkter Gespräche nach der am 6. November stattfindenden Präsidentenwahl die Rede ist. Wie in solchen Fällen üblich, berufen sich die Autoren des Artikels, Helene Cooper und Mark Landler, für ihre Behauptungen ausschließlich auf anonyme US-amerikanische »Regierungsbeamte«. Die Journalisten räumen ein, daß überhaupt nicht klar sei, ob die angebliche Vereinbarung die Zustimmung von Revolutionsführer Ali Khamenei hat. Außerdem seien sich die Vertreter beider Seiten nicht einig, worüber gesprochen werden soll: Nur über das iranische Atomprogramm oder aber, wie die Iraner bekanntermaßen wünschen, auch über eine Vielzahl anderer Themen wie etwa Syrien.

Die Veröffentlichung des jüngsten Gerüchts durch die New York Times erfolgte offensichtlich mit Blick auf das dritte »Fernsehduell« zwischen Präsident Barack Obama und seinem republikanischen Herausforderer Mitt Romney, das am heutigen Montag stattfinden und sich mit der Außenpolitik beschäftigen soll. Der Amtsinhaber wird dadurch wieder einmal in den von den Republikanern ständig genährten Verdacht gebracht, er sei gegenüber Teheran »zu weich« und strebe klammheimlich hinter dem Rücken Israels faule Kompromisse zu dessen Nachteil an.

Das Weiße Haus ließ den Bericht der New York Times umgehend durch den Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, Tommy Vietor, dementieren: Es gebe keine Vereinbarung über die Aufnahme zweiseitiger Gespräche. Maßgeblich sei für die USA allein das Verhandlungsformat »5+1«, an dem auch Frankreich, Großbritannien, China und Rußland sowie die BRD beteiligt sind. In diesem Rahmen sei die US-Regierung allerdings auch zu direkten Treffen bereit. - Diese Tatsache ist allgemein bekannt. Iran hat solche Aufforderungen mehrmals abgelehnt.

Israelische Regierungspolitiker – darunter Außenminister Avigdor Lieberman, Vizepremier Mosche Ja’alon und Sprecher des Verteidigungsministeriums – versicherten am Sonntag, ihnen sei von einer amerikanisch-iranischen Gesprächsvereinbarung nichts bekannt.

* Aus: junge Welt, Montag, 22. Oktober 2012

Dokumentiert:

Netanyahu zu Berichten über direkte Verhandlungen zwischen USA und Iran

Ministerpräsident Binyamin Netanyahu hat sich am Sonntag zu den Berichten geäußert, denen zufolge es direkte Verhandlungen zwischen den Vereinigten Staaten und dem Iran geben könne. Netanyahu erklärte dazu:

„Israel weiß nichts über diese Kontakte, und ich kann nicht bestätigen, dass es sie wirklich gegeben hat. Ich kann sagen, dass der Iran die Gespräche und Verhandlungen mit den fünf Vetomächten genutzt hat, um Zeit für sein Atomwaffenprogramm zu gewinnen. Allein im letzten Jahr hat der Iran während der Gespräche Tausende Kilogramm Uran in seinem Nuklearprogramm angereichert. Und ich kann nicht erkennen, warum sie das nicht weiterhin tun sollten, wenn sie Gespräche mit den USA beginnen würden.

Daher sollte die internationale Gemeinschaft dem Iran gegenüber zuallererst klare Forderungen stellen: die Urananreicherung einzustellen, alles angereicherte Uran zu entfernen und die unterirdische Anlage in Ghom abzubauen.

Ich glaube, dass die größte Chance, die iranische Atom-Diplomatie aufzuhalten, in einer Kombination aus sehr harten Sanktionen und einer glaubwürdigen militärischen Option liegt. Ich kann auf jeden Fall sagen, dass, solange ich in Israel Ministerpräsident bin, ich dem Iran nicht gestatten werde, militärische nukleare Kapazitäten zu erlangen.“

(Außenministerium des Staates Israel, 22.10.12)

Quelle: Newsletter der israelischen Botschaft in Berlin, 22.10.2012




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