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Iran macht Schotten dicht

Bau neuer Anlagen zur Urananreicherung angekündigt

Iran hat den Bau mehrerer neuer Anlagen zur Urananreicherung angekündigt. Zudem will das Land nach der Rüge durch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) die Zusammenarbeit mit der UN-Organisation deutlich einschränken.

Wie staatliche iranische Medien am Sonntag (29. Nov.) berichteten, wurde die Atomenergiebehörde des Landes angewiesen, an fünf Standorten mit dem Bau neuer Anreicherungsanlagen zu beginnen. Fünf weitere Standorte sollen demnach in den nächsten beiden Monaten ausgewiesen werden. Präsident Mahmud Ahmadinedschad kündigte ferner an, sein Kabinett werde am Mittwoch (2. Dez.) über einen Plan beraten, Uran mit einem Anreicherungsgrad von 20 Prozent herzustellen.


Hier geht es zur verabschiedeten Resolution des IAEA:

Die Umsetzung des Überwachungsmechanismus nach dem Atomwaffensperrvertrag in Iran

(Implementation of the NPT Safeguards Agreement and Relevant Provisions of Security Council Resolutions 1737 (2006), 1747 (2007), 1803 (2008) and 1835 (2008) in the Islamic Republic of Iran)



Wie das iranische Fernsehen am Sonntag (29. Nov.) berichtete, unterzeichneten 226 von 290 Parlamentsabgeordneten einen Brief an die Regierung in Teheran mit dem Appell, die Kooperation mit der IAEA einzuschränken. Parlamentspräsident Ali Laridschani kündigte entsprechende Schritte an. In dem Schreiben fordern die Abgeordneten die Regierung auf, »schnell« einen Plan zur Einschränkung der Zusammenarbeit mit der IAEA zu erarbeiten und dem Parlament zur Abstimmung vorzulegen. Sie werfen US-Präsident Barack Obama vor, dem »gleichen Weg zu folgen« wie sein Vorgänger George W. Bush. Die Regierung solle ihr Atomprogramm »ohne die geringste Verzögerung« fortsetzen.

Laridschani, der frühere Chefunterhändler bei den Atomverhandlungen mit der Europäischen Union, sagte vor den Abgeordneten, die iranische Regierung könne die Zusammenarbeit mit der IAEA »ernsthaft« reduzieren.

Die USA und die anderen Mitglieder der sogenannten Sechsergruppe müssten ihre Einstellung zu Iran ändern. Durch ihre »veralteten Spielchen« und »lächerliche Zuckerbrot-und-Peitsche-Politik« würden sie keine weiteren Verhandlungen über das Atomprogramm erreichen.

Auch der iranische Botschafter bei der IAEA, Ali Asghar Soltanieh, hatte am Wochenende erklärt, Iran werde sein Atomprogramm nicht einschränken. Sein Land werde die Zusammenarbeit mit der IAEA nach der Resolution auf ein Mindestmaß reduzieren und sich nur noch an die Bestimmungen des Atomwaffensperrvertrages halten.

Der IAEA-Gouverneursrat hatte in seiner unter deutscher Führung erarbeiteten Resolution unter anderem den Baustopp für die neue, lange Zeit geheim gehaltene Urananreicherungsanlage in Fordo bei Ghom verlangt. 25 der 35 Mitglieder des Rates hatten für die Resolution gestimmt.

* Aus: Neues Deutschland, 30. November 2009


Zwei Klassen

Von Olaf Standke **

Der Streit um das iranische Nuklearprogramm spitzt sich wieder zu. Nachdem der Gouverneursrat der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) Teheran scharf gerügt und aufgefordert hat, den Bau seiner zweiten Uran-Anreicherungsanlage nahe Ghom »umgehend auszusetzen«, will Iran seinerseits die Zusammenarbeit mit der UN-Organisation deutlich einschränken. Zuvor hatte die IAEA eine von Teheran verlangte Garantie für Lieferungen angereicherten Urans aus dem Ausland verweigert. Wohlgemerkt, Iran pocht auf sein Recht zur zivilen Nutzung der Atomenergie, muss aber mit dem Vorwurf der USA und ihrer Verbündeten, insbesondere Israels, leben, unter diesem Deckmantel an der Entwicklung von Kernwaffen zu arbeiten.

Zur gleichen Stunde hat Pakistans Präsident Zardari die Kontrolle über die mehr und mehr ins Visier islamistischer Extremisten geratenen Atomwaffen seines Landes an Regierungschef Gillani abgegeben. Aus Washington fließen erhebliche Mittel, um die Arsenale zu schützen. Diese Welt braucht nicht noch mehr Atombomben. Pakistan wie Israel sind inoffizielle Nuklearmächte, beide haben im Unterschied zu Iran den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet. So manifestiert der Streit um Teherans Nuklearprogramm auch eine eklatante Ungleichbehandlung in den internationalen Beziehungen, die weder zu seiner Lösung noch dazu beiträgt, dass weitere Staaten atomare Ambitionen aufgeben.

** Aus: Neues Deutschland, 30. November 2009 (Kommentar)


Resolution erhöht Druck auf Iran

Verzicht auf Bau von neuer Urananreicherungsanlage gefordert / Teheran lehnt ab ***

Der Druck auf Iran wächst: Der Gouverneursrat der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA hat am Freitag in Wien eine Resolution gegen das islamische Land verabschiedet.

25 der 35 Länder des Aufsichtsgremiums stimmten für das Dokument, teilten Diplomaten mit. Die fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder und Deutschland hatten die Resolution erarbeitet. Sie wird als starkes politisches Signal gewertet und kritisiert vor allem den Bau der neuen iranischen Urananreicherungsanlage in Fordo bei Ghom, die die Regierung jahrelang geheim gehalten hatte.

Iran kündigte nach der Verabschiedung Konsequenzen an. Die »freiwilligen Gesten«, die Iran bisher gezeigt habe, würden als Reaktion auf das Dokument auf ein Minimum eingeschränkt, sagte der iranische Botschafter bei der IAEA, Ali Asghar Soltanieh, vor Journalisten. Sein Land werde nunmehr lediglich seinen »legalen Verpflichtungen nachkommen«. Das Dokument werde die bisherige positive Atmosphäre der Kooperation zerstören, fügte Soltanieh hinzu.

In der unter Führung Deutschlands erarbeiteten Resolution werden der sofortige Baustopp der neuen Urananreicherungsanlage und eine »vollständige Kooperation« bei der Klärung von offenen Fragen gefordert. »Unsere Antwort ist Nein. Wir werden keinem Wort davon folgen«, sagte Soltanieh. Der US-amerikanische Botschafter bei der IAEA, Glyn Davies, bezeichnete die Resolution hingegen als »gemäßigt und faktenorientiert«. Sie wolle Iran nicht »bestrafen», sondern »der Welt zeigen, wo wir mit Iran stehen«.

IAEA-Chef Mohammed al-Baradei soll das Dokument jetzt an den Sicherheitsrat weiterleiten. Mit der ersten Resolution seit 2006 bekräftigen die Weltmächte indirekt ihre Position, wonach es neue Sanktionen gegen Iran geben könnte, falls das Land im Atomstreit nicht einlenkt. Unter anderem wird darin noch einmal der Atomdeal zur Urananreicherung im Ausland begrüßt. Teheran hat sich bisher nicht offiziell zu dem IAEA-Vorschlag geäußert, der die Lieferung schwach angereicherten Urans ins Ausland vorsieht, wo das Nuklearmaterial für den Betrieb eines iranischen Forschungsreaktors weiter angereichert werden soll. Auch wenn der Atomdeal inhaltlich nichts mit der Anlage in Fordo zu tun hat, hängen beide Themen doch politisch zusammen. Wenn Iran auf den ursprünglichen Einigungsvorschlag eingegangen wäre, hätte es die Resolution wahrscheinlich nicht gegeben, hatten Diplomaten bereits am Donnerstag, dem ersten Tag des zweitägigen Gouverneursrates, betont.

Es war das letzte IAEA-Treffen unter der Führung von Baradei, der das Amt des Generaldirektors Ende des Monats an den Japaner Yukiya Amano übergibt.

*** Aus: Neues Deutschland, 28. November 2009


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