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Einigung in Bagdad steht weiter aus

Fronten bei Atomgesprächen mit Iran wieder verhärtet *

Internationale Diplomaten und Unterhändler aus Teheran haben ihre Gespräche über das iranische Atomprogramm am Donnerstag in Bagdad fortgesetzt.

Die Gespräche über das iranische Atomprogramm kommen ungeachtet positiver Signale beider Seiten im Vorfeld nicht voran. Die Aussichten für die Verhandlungen seien »unbestimmt, und sie stehen infrage«, wenn die internationale Verhandlungsdelegation die iranischen Vorschläge ablehne, berichtete der iranische Sender Press TV am Donnerstag. Nach Angaben aus iranischen Delegationskreisen in Bagdad wurden Teheran weitere Sanktionen angedroht, wenn das Land an seinem Kurs festhalte.

Internationale Diplomaten und Unterhändler aus Teheran setzten ihre Gespräche am Donnerstag in Bagdad fort. Zunächst habe es ein Treffen der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton mit dem iranischen Chefunterhändler Said Dschalili gegeben, hieß es aus Verhandlungskreisen. Danach begann eine Plenarsitzung aller Beteiligten.

Vertreter der 5+1-Gruppe (die fünf UN-Vetomächte China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA sowie Deutschland) hatten vorgeschlagen, Iran solle die Urananreicherung auf 20 Prozent beenden. Iranische Unterhändler, die eine Aufhebung der Sanktionen fordern, zeigten sich damit aber nicht einverstanden.

Die Linksfraktion im Deutschen Bundestag hat die Bundesregierung am Donnerstag in einem Antrag aufgefordert, verbindlich zu erklären, dass sich Deutschland nicht an einer militärischen Aktion gegen Iran beteiligen werde. In der ersten Lesung warnte der außenpolitische Sprecher der LINKEN, Jan van Aken, bei einer ständigen Verschärfung der Sanktionen setzten sich in Iran die Hardliner durch.

Van Aken räumte ein, Misstrauen gegenüber Iran sei berechtigt. Eine Bombardierung der verdächtigen Anlagen würde jedoch einen Flächenbrand in der Region auslösen. Joachim Hörster von der CDU versicherte hingegen, die Bundesregierung sei eine der härtesten Verfechterinnen einer friedlichen Lösung. »Niemand in dieser Region will einen Krieg haben.«

* Aus: neues deutschland, Freitag, 25. Mai 2012

Iran-Gespräche gehen in Moskau weiter

Die Gespräche über Irans Atomprogramm werden am 18. und 19. Juni in Moskau fortgesetzt. Bei den zweitägigen Gesprächen in Bagdad wurde ein drohender Rückschlag abgewendet. Die US-Regierung hält die geplante Fortsetzung der Gespräche für eine positive Entwicklung. Washington habe keinen sofortigen Durchbruch erwartet, hieß es.
(Agenturen, 25.05.2012)



Atempause am Golf

Von Roland Etzel **

Fortsetzung also in drei Wochen in Moskau. Das Ergebnis der Atomgespräche der 5+1-Gruppe ist mager, aber bei halbwegs realistischem Erwartungshorizont folgerichtig. Außenminister Westerwelle sprach von einem mühsamen Verhandlungsweg, der dennoch gegangen werden müsse - eine eigentlich alte Erkenntnis, die aber zumindest der deutschen und vor allem der US-amerikanischen Verhandlungsstrategie bisher nicht unbedingt zugrunde lag.

Die jetzt zur Schau gestellte Gelassenheit überrascht, vergleicht man sie mit dem Alarmismus vergangener Wochen, die den großen Knall im Persischen Golf als beinahe unabwendbar erscheinen ließ. Wenngleich die ruhigere Gangart uneingeschränkt zu begrüßen ist - täuschen lassen sollte man sich davon nicht. Obamas Demoskopen raten ihm derzeit und wohl bis zu den US-Wahlen im November, den Friedensfürsten zu geben. Nach dieser Atempause werden die Karten neu gemischt.

Nach wie vor verlangt der Westen von Teheran die Unterstellung aller Kernkraftwerks-Aktivitäten unter seine Kontrolle und Liefervorbehalte. Das ist politisch inakzeptabel; zum Beispiel solange Washington selbst nicht die mindeste Bemühung erkennen lässt, auf eine atomwaffenfreie Zone im Nahen Osten, unter Einschluss Israels, hinzuwirken.

** Aus: neues deutschland, Samstag, 26. Mai 2012 (Kommentar)


Mageres Angebot

Der Westen hält in Gesprächen über das iranische Atomprogramm an seinen Maximalforderungen fest. Verhandlungen sollen in Moskau fortgesetzt werden

Von Knut Mellenthin ***


Im Streit um das iranische Atomprogramm zeichnet sich keine Annäherung der Positionen ab. Zweitägige intensive Verhandlungen in der irakischen Hauptstadt Bagdad endeten am Donnerstag abend ergebnislos. Als mäßiger Fortschritt kann allenfalls die Vereinbarung gewertet werden, die Gespräche am 18. und 19. Juni in Moskau fortzusetzen. Zuvor findet eine mehrtägige reguläre Vorstandstagung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) statt, die am 4. Juni beginnt. Bis dahin muß der Generaldirektor der Behörde, Jukija Amano, seinen nächsten Vierteljahresbericht über den Stand des iranischen Atomprogramms vorlegen. Der Japaner wird dort vermutlich auch eine Einschätzung seines Besuchs in Teheran am vergangenen Montag geben. Offenbar hat man dabei Fortschritte bei der Ausarbeitung eines Abkommens erzielt, das Besuche der IAEA in nicht-nuklearen militärischen Anlagen wie Parchin regeln soll.

Zum Auftakt der Gespräche in Bagdad am Mittwoch mittag legte die aus den USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Rußland und China bestehende Verhandlungsgruppe einen gemeinsamen Vorschlag vor. Über seinen Inhalt wurde bisher nur mitgeteilt, daß es hauptsächlich um Irans Anreicherung von Uran auf 20 Prozent geht. Das Material wird benötigt, um einen noch aus den frühen 1970er Jahren stammenden kleinen Reaktor in Teheran zu betreiben, in dem Isotope für die Behandlung von Krebspatienten produziert werden. Iran war gezwungen, diesen Brennstoff selbst herzustellen, nachdem sein Wunsch abgelehnt worden war, das Material im Ausland zu kaufen. Von waffenfähigem Uran, das auf über 90 Prozent angereichert werden müßte, ist dieser Prozeß immer noch weit entfernt.

Presseberichten zufolge verlangt die Sechsergruppe von Teheran, die seit Februar 2010 laufende zwanzigprozentige Anreicherung völlig einzustellen und den bisher produzierten Brennstoff abzuliefern. Außerdem soll Iran seine Anreicherungsanlage in Fordow schließen, die erst seit Dezember 2011 in Betrieb ist. Da sie in einem Tunnelsystem unterhalb eines Bergmassivs liegt, wäre sie mit konventionellen militärischen Mitteln kaum zu zerstören.

Die von der Sechsergruppe angebotenen Gegenleistungen sind dem Vernehmen nach äußerst mager: Iran soll die benötigten Isotope für medizinische Zwecke geliefert bekommen und technische Hilfe bei der Modernisierung des Teheraner Reaktors erhalten. Außerdem könnte Iran mit Ersatzteilen für seine uralten und notorisch unfallträchtigen US-amerikanischen Passagierflugzeuge rechnen.

Der Vorschlag der Sechsergruppe bleibt weit hinter den iranischen Erwartungen zurück. Hinzu kommt, daß die USA und ihre Verbündeten darin nur einen ersten Schritt sehen und an ihrer Forderung festhalten, daß Iran jede Form von Urananreicherung aufgeben muß. Also auch die Produktion von Brennstoff für Atomkraftwerke, für den das Uran lediglich auf weniger als fünf Prozent angereichert wird. So lange Teheran das nicht akzeptiert, sollen auch die wirtschaftlichen Strafmaßnahmen, einschließlich des von der EU angekündigten Ölboykotts, in Kraft bleiben.

*** Aus: junge Welt, Samstag, 26. Mai 2012


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