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Gespräch gescheitert

Nach ergebnislosem Treffen von Sechsergruppe und Teheran wird mit neuen Sanktionen gegen Iran gerechnet

Von Knut Mellenthin *

Ein zweitägige Treffen zwischen Vertretern des Iran und der Sechsergruppe in Istanbul hat erwartungsgemäß keine Annäherung gebracht. Nicht einmal ein nächster Termin wurde vereinbart.

Die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates – China, Frankreich, Großbritannien, Russland und USA – versuchen gemeinsam mit Deutschland seit acht Jahren, den Iran dazu zu zwingen, zentrale Teile seines zivilen Atomprogramms zu demontieren. Im Dezember 2006 beschloss das Führungsgremium der Vereinten Nationen erstmals einen Katalog von Strafmaßnahmen gegen Iran. Inzwischen sind drei weitere Resolutionen gefolgt, zuletzt Anfang Juni vorigen Jahres. In dieser wurde Teheran lediglich eine Frist von 90 Tagen für die Erfüllung sämtlicher Forderungen eingeräumt. Dieser Zeitraum ist längst verstrichen, eine Diskussion über eine nochmalige Verschärfung der Sanktionen ist also überfällig.

Nach einer 14monatigen Unterbrechung der Gespräche waren Iran und die Sechsergruppe Anfang Dezember 2010 zwei Tage lang in Genf zusammengekommen. Obwohl die Begegnung von beiden Seiten als „konstruktiv“ gelobt wurde, gab es außer der der Vereinbarung, die Diskussionen im Januar 2011 fortzusetzen, keine erkennbaren Ergebnisse. Schon vor dem Genfer Treffen hatten Präsident Mahmud Ahmadinedschaft und Chefunterhändler Said Dschalili unmissverständlich angekündigt, dass Iran nicht mehr bereit sei, über sein ziviles Atomprogramm zu debattieren und seine Rechte zur Disposition zu stellen. Iran strebt stattdessen Gespräche und Verhandlungen über eine Vielzahl von gemeinsam interessierenden Themen – wie etwa Bekämpfung des Terrorismus und des Rauschgifthandels oder Stabilisierung der Lage in Afghanistan und im Irak – an. Nach iranischer Auffassung sollten dabei zunächst Fragen im Vordergrund stehen, wo sich die Interessen der Beteiligten berühren.

Die Ausgangssituation war also vor der jüngsten Gesprächsrunde völlig klar. Trotzdem verkündete die Außenpolitik-Chefin der EU, Catherine Ashton, als Sprecherin der Sechsergruppe, sie sei „enttäuscht“. Sie sei mit der Hoffnung nach Istanbul gekommen, dass Iran zu „detaillierten und konstruktiven Diskussionen“ über sein ziviles Atomprogramm bereit sein werde. Stattdessen habe die iranische Seite „unannehmbare Vorbedingungen hinsichtlich der (Uran-) Anreicherung und der Sanktionen gestellt“.

Worin diese bestanden, erläuterte Ashton nicht. Ebenso wenig wollte sie der Presse verraten, worin die „spezifischen Vorschläge“ bestanden, die sie den Iranern im Namen der Sechsergruppe präsentiert habe. Weitere Gespräche seien zur Zeit nicht geplant, sagte Ashton, so lange die iranische Seite keine Bereitschaft zum „Einlenken“ zeige. Aber trotzdem „bleiben unsere Vorschläge auf dem Tisch. Unsere Tür bleibt offen. Unsere Telefonverbindungen bleiben offen.“

Dagegen betonte Dschalili nach Ende des Istanbuler Treffens, dass Iran zur Fortsetzung der Gespräche bereit sei. „Wir haben die andere Seite immer gedrängt, die Gespräche wieder aufzunehmen. Wir denken, dass die Zeit immer richtig ist für Gespräche und Zusammenarbeit.“

Indessen wird nun allgemein damit gerechnet, dass die US-Regierung sehr schnell beginnen wird, für neue Sanktionen zu werben.

* Aus: junge Welt, 24. Januar 2011


Iran besteht auf Anreicherung von Uran

Istanbuler Gespräche der 5+1-Gruppe mit Teheran wurden auf unbestimmte Zeit vertagt **

Nachdem das Ringen um eine Lösung bei den Atomgesprächen keine Fortschritte gebracht hatte, vertagten die Vertreter der fünf UN-Vetomächte und Deutschlands weitere Treffen mit Iran auf unbestimmte Zeit. Hauptziel des Treffens in Istanbul (Türkei) war es, Iran von einer weiteren Uran- Anreicherung abzubringen.

Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad machte am Sonntag (23. Jan.) deutlich, dass er auf eine Fortsetzung der Verhandlungen hofft. »Wenn es bei der anderen Seite den Willen gibt, besteht noch immer die Chance, in künftigen Gesprächen zu einem positiven Ergebnis zu kommen«, sagte Ahmadinedschad während einer Rede, die vom iranischen Staatsfernsehen übertragen wurde.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton hatte sich am Vortag (22. Jan.) in Istanbul nach einem zweitägigen Treffen »enttäuscht« über die Haltung Teherans geäußert. »Wir hatten die Hoffnung auf eine Diskussion über praktische Wege nach vorn. Ich bin enttäuscht, nun zu sagen, dass dies nicht möglich war«, sagte Ashton. »Die Tür bleibt offen, die Entscheidung ist in den Händen Irans«, betonte die Politikerin, die die Verhandlungen für die 5+1-Gruppe (USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien sowie Deutschland) leitete. Irans Chefunterhändler Said Dschalili beharrte auf dem Recht seines Landes, Uran anzureichern.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle teilte am Sonntag (23. Jan.) mit, das Sextett wolle eine diplomatische Lösung. »Leider war Iran noch nicht zu solchen substanziellen, vertrauensbildenden Schritten in Bezug auf sein Atomprogramm bereit«, erklärte Westerwelle. »Unsere Bereitschaft für Gespräche bleibt bestehen. Ich hoffe, dass der Iran bereit ist, die ausgestreckte Hand der Völkergemeinschaft zu ergreifen.«

Iran war mit der Forderung nach Aufhebung der Sanktionen in die neuen Gespräche gegangen. Eine Aufhebung kann aber nach Einschätzung der UN-Vetomächte nicht Voraussetzung für Verhandlungen sein, sondern nur Teil einer Einigung. Der Sicherheitsrat hat wiederholt Sanktionen verhängt, weil Iran sich der Forderung nach einem Stopp der Anreicherung widersetzt und auf sein Recht auf zivile Nutzung der Atomkraft pocht.

In Istanbul wurden Möglichkeiten für einen Austausch von Uran geprüft. Dazu trafen sich Vertreter der sogenannten Wiener Gruppe, die für einen Austausch gebildet worden war. Iran verfügt bisher nach Angaben der internationalen Atombehörde über mindestens 3183 Kilogramm schwach angereichertes Uran. Nach Teherans Plänen für einen Uran-Austausch würde eine größere Menge davon in Iran verbleiben. Unklar ist zudem, was mit mindestens 40 Kilogramm höher angereichertem Uran geschehen soll, die Iran nach eigenen Angaben besitzt.

** Aus: Neues Deutschland, 24. Januar 2011


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