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Putsch für Öl

Am 13. August 1953 begann der von den USA und Großbritannien geleitete Staatsstreich gegen den gewählten iranischen Premierminister Mohammad Mossadegh

Von Sofian Philip Naceur *

Im November 1979, kurz nach der Islamischen Revolution im Iran, stürmten Studenten die US-Botschaft in Teheran. Das Gebäude wurde besetzt, Geiseln genommen und die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Staaten offiziell beendet. Die Geiselnahme ist ein Symbol für das Ende des US-amerikanischen Einflusses im Iran und ein Beispiel für die fatalen Folgen interventionistischer Außenpolitik.

Der von der CIA und dem britischen Geheimdienst MI6 organisierte Putsch gegen den iranischen Premierminister Mohammad Mossadegh im August 1953 war eine Zäsur in der damals jungen Geschichte des Geheimdienstes und ein wichtiger Beweggrund für die Botschaftsbesetzung 1979. Washington war die treibende Kraft hinter dem Sturz und eine Stütze des letzten Monarchen Mohammad Reza Pahlavi, der das Land 25 Jahre autokratisch regieren sollte. Die Ereignisse 1953 bestimmen die Geschicke des Landes noch heute, brachten die Proteste gegen den Schah 1979 doch die Mullahs an die Macht, die seither mit noch härterer Faust regieren.

Schah Pahlavi

Die seit dem 18. Jahrhundert im damaligen Persien herrschende Kadscharendynastie brach 1925 zusammen. Massenproteste gegen den politischen und wirtschaftlichen Würgegriff Großbritanniens beendeten ihre Herrschaft. Selbstbestimmung blieb dem Land dennoch verwehrt. 1921 putschte sich Reza Pahlavi mit Hilfe der Briten an die Macht. Premierminister wurde er 1923. Die Absetzung des letzten Kadscharenherrschers und Ernennung Pahlavis als neuen Schah erfolgte am 31. Oktober 1925. Londons Vormachtstellung im Land war unter ihm nicht gefährdet.

In den 1940er Jahren sympathisierte der Schah mit den Nazis, sein Bündnis mit London zerbrach. Großbritannien und die Sowjetunion besetzten 1941 das Land, setzten den Schah ab und hievten dessen 22jährigen Sohn Mohammad Reza auf den Thron. Dieser konnte den im Aufwind stehenden iranischen Nationalismus nicht stoppen. Das Parlament wurde mächtiger. 1947 verabschiedete die vier Jahre zuvor frei gewählte Volksvertretung ein Gesetz, das die Vergabe von Erdölkonzessionen an ausländische Konzerne verbot und die Regierung anwies, die Konzession der Anglo-Iranian-Oil-Company (AIOC) neu zu verhandeln. 1901 hatten die Kadscharen einem britischen Unternehmer ein Exklusivrecht auf alle Vorkommen im Land gewährt. 1913 übernahm die britische Regierung 51 Prozent der Konzession und damit die Kontrolle bei der AIOC, das schnell zum profitabelsten britischen Unternehmen weltweit aufstieg.

Der Schah hatte 1933 eine höhere Gewinnbeteiligung für den Iran ausgehandelt, die bis 1961 gültige Konzes­sion aber um 32 Jahre verlängert. Der von Mohammad Mossadegh geführten Nationalen Front (NF) reichte das nicht. Schließlich flossen nach wie vor 80 Prozent der Gewinne in die Tasche der AIOC. Die Idee, die Firma zu enteignen, wurde populärer. Die kommunistische Tudeh-Partei, ein politischer Gegner Mossadeghs, und die Geistlichkeit unter Ajatollah Kaschani schlossen sich 1951 der NF an und setzten Premierminister Ali Razmara, der die Enteignung ablehnte, damit massiv unter Druck. Im März wurde Razmara von Islamisten ermordet. Nur eine Woche später verabschiedete das Parlament das von der NF eingebrachte Gesetz zur Verstaatlichung der AIOC. Die Machtdemonstration der NF auf der Straße und im Parlament zwang den Schah, am 29. April 1951 Mossadegh zum Regierungs­chef zu ernennen.

Großbritannien schaltete den UN-Sicherheitsrat ein und ließ seinen Abgesandten verkünden, das Öl unter Irans Boden sei »eindeutig Eigentum der AIOC«. Es kam zu keiner Resolution, auch weil US-Präsident Harry Truman Verhandlungen vorzog. London gab nicht nach, verhängte über den Iran ein Wirtschaftsembargo und eine Seeblockade. 1952 beschlagnahmte die britische Marine einen iranischen Tanker mit der Begründung, dieser habe gestohlenes Eigentum geladen. Daraufhin kündigten mehrere Staaten ihre Öllieferverträge mit dem Iran, was dem Land wirtschaftlich stark zusetzte. London versuchte derweil mit verdeckten Mitteln, weiter gegen Mossadegh zu intigrieren. Die Umtriebe des britischen Geheimdienstes flogen jedoch auf; Mossadegh ließ die britische Botschaft in Teheran schließen und das Personal ausweisen.

US-Engagement

Der Machtwechsel im Weißen Haus 1953 kam dem britischen Premier Winston Churchill gerade recht. Der neue US-Präsident, Dwight D. Eisenhower, gab rasch sein Einverständnis, gegen Mossadegh vorzugehen. Die CIA schickte Kermit Roosevelt, einen Enkel des ehemaligen Präsidenten Theodore Roosevelts, nach Teheran. Von der US-Botschaft aus operierend, reaktivierte dieser die von den Briten geknüpften Kontakte, erweiterte diese und schmiedete ein Bündnis gegen Mossadegh.

Roosevelt bestach Parlamentarier, Offiziere, Geistliche und Zeitungsredakteure, die daraufhin eine massive Pressekampagne gegen Mossadegh lancierten. Der Schah war in das Komplott eingeweiht und erschien weder im Parlament noch signierte er mehr Gesetze. Ajatollah Mossadegh ließ sich vom Parlament bevollmächtigen, ohne die Unterschrift des Schahs Gesetze erlassen zu können. Ajatollah Kaschani, auch von Roosevelt bestochen, nutzte dies als Vorwand und kündigte sein Bündnis mit der NF. Er lief zu den Putschisten über und schickte seine Anhänger auf die Straße, um sie für den Schah Mohammad Reza Pahlavi demonstrieren zu lassen.

Am 13. August unterzeichnete der Schah das Dekret zur Entlassung Mossadeghs und ernannte General Fazlollah Zahedi zum neuen Premier. Doch der Putsch schlug fehl. Mossadegh wurde gewarnt und verkündete im Radio, der Umsturzversuch des Monarchen sei vereitelt worden. Der Schah floh daraufhin nach Bagdad. Roosevelt hingegen blieb in Teheran und zettelte vier Tage später den nächsten Staatsstreich an. Erneut rief Kaschani zu Protesten für den Schah auf, es kam zu Ausschreitungen zwischen Anhängern und Gegnern Mossadeghs. Roosevelt schickte bezahlte Schläger auf die Straße, die vorgaben, Tudeh und Mossadegh zu unterstützen. Sie sollten Passanten verprügeln, randalieren und auf Moscheen schießen, was sie auch taten. Das geplante Chaos war perfekt, Tehe­ran versank in Gewalt.

Am 19. August besetzten putschende Offiziere Radio Teheran, und Zahedi erklärte sich zum »rechtmäßigen Premierminister«. Mossadegh wurde verhaftet und vor ein Militärgericht gestellt. Bis 1956 blieb er in Haft, anschließend stand er bis zu seinem Tod 1967 unter Hausarrest.

1954 wurde der iranische Erdölsektor neu geordnet. Die AIOC wurde umbenannt in British Petroleum (BP) und bekam 40 Prozent der Förderrechte zugesprochen. Fünf US-Unternehmen teilten sich weitere 40 und Royal Dutch Shell und ein französischer Erdölkonzern die verbleibenden 20 Prozent der Konzession. Die Gewinnmargen für den Iran wurden erhöht, kontrolliert wurde Irans Erdölsektor fortan in London und Washington.

Antikommunistische Blaupause: Mossadeghs Sturz war Vorbild für weitere CIA-Putsche

Im Gegensatz zur US-Regierung unter Harry Truman war der Ende 1952 gewählte Dwight D. Eisenhower empfänglich für die Argumente der Briten und bereit, im Fall des Irans nachzugeben. Das Land hatte immerhin eine gemeinsame Grenze zur UdSSR und mit der Tudeh eine starke kommunistische Partei. Iran drohte sich dem Ostblock anzuschließen. Zwar hatte die Tudeh mit Mohammad Mossadegh grundsätzliche Meinungsunterschiede, war nur temporär mit ihm verbündet und kam keineswegs als Statthalter Moskaus in Frage, doch hatte die britische Regierung mit der Strategie, auf die rote Karte zu setzen, Erfolg.

Als London bei der Eisenhower-Regierung für den Sturz Mossadeghs plädierte, fand sie rasch Fürsprecher. In den frühen 1950er Jahren wurden die USA von einer beispiellosen antikommunistischen Hysterie erfaßt, angeführt vom republikanischen Senator Joseph McCarthy. Eisenhowers Außenminister John Foster Dulles und sein Bruder Allen Dulles, der neu eingesetzte CIA-Direktor, waren ausgesprochene Anhänger einer antikommunistischen Interventionslogik und lautstarke Verfechter eines harten Kurses gegen die Sowjetunion und ihre Verbündeten. Die Dulles-Brüder leiteten aber mit dem von ihnen organisierten Putsch gegen den auf demokratischem Wege an die Macht gelangten Mossadegh vor allem einen Strategiewechsel der CIA ein, die seit ihrer Gründung 1947 noch nie direkt eine Regierung gestürzt hatte. Für zahlreiche andere Einsätze des US-Geheimdiensts im Ausland diente der Putsch 1953 als Vorbild, allen voran Chile 1973.

* Aus: junge Welt, Samstag, 10. August 2013


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