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Abkommen in Gefahr

EU und USA stellen Vereinbarungen mit dem Iran nachträglich in Frage

Von Knut Mellenthin *

Das Genfer Abkommen zwischen dem Iran und seinen internationalen Verhandlungspartnern droht noch vor seinem Inkrafttreten zu scheitern. Am vorigen Donnerstag vergiftete die US-Regierung das Klima durch eine Ausweitung der bestehenden Strafmaßnahmen gegen den iranischen Ölexport: Das Finanzministerium setzte vier Personen, zwölf Firmen und 36 Tankschiffe neu auf seine schwarze Liste. Am Montag veröffentlichten die EU-Außenminister eine Erklärung zum europäischen Teil der versprochenen Sanktionserleichterungen, die weiteren Zündstoff liefern dürfte.

Es heißt dort, die EU habe sich »verpflichtet (…), die im Gemeinsamen Aktionsplan dargelegten Sanktionen außer Kraft zu setzen, sobald die IAEA die Umsetzung der nuklearbezogenen Maßnahmen Irans bestätigt hat (…)«. »Gemeinsamer Aktionsplan« ist der offizielle Titel der Vereinbarungen zwischen dem Iran und der Sechsergruppe – USA, Rußland, China, Frankreich, Großbritannien und Deutschland –, die am 24. November in Genf unterzeichnet wurden. Die IAEA ist die in Wien ansässige Internationale Atomenergiebehörde. Sie überwacht die zivilen Atomprogramme der Staaten, die dem Atomwaffensperr­vertrag beigetreten sind.

Mit der Stellungnahme der EU-Außenminister wird erstmals öffentlich und explizit eine zeitliche Abfolge der Schritte gefordert, von der im Abkommen nicht die Rede ist. Dessen Text ist so unklar gehalten und weist so viele Lücken auf, daß die praktischen Einzelheiten erst noch durch Expertengespräche zwischen den sieben beteiligten Ländern festgelegt werden müssen. Bis jetzt ist nicht einmal ersichtlich, wann das in Genf vereinbarte sechsmonatige Moratorium in Kraft treten kann und wird.

Sollte sich der Westen mit der jetzt erhobenen Forderung durchsetzen, daß zuerst der Iran alle übernommenen Verpflichtungen »verifizierbar« erfüllt haben muß, bevor an den Beginn der versprochenen Sanktionserleichterungen auch nur zu denken ist, würden diese sich während der Moratoriumsdauer kaum auswirken. Schließlich würde von der formalen Beschlußfassung bis zur praktischen Umsetzung auch noch längere Zeit vergehen.

Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif hat am Dienstag bei einem Treffen mit dem früheren italienischen Premier und Außenminister Massimo D’Alema sogleich Protest angemeldet: »In den Verhandlungen und im Text der Genfer Vereinbarung wurde ausdrücklich die Wichtigkeit der Ausgewogenheit und Gleichzeitigkeit der gegenseitigen Maßnahmen betont.«

Die Stellungnahme der EU-Außenminister wirft darüber hinaus ein weiteres Problem auf: Was genau ist mit »nuklearbezogenen Maßnahmen Irans« gemeint, die vor einer Lockerung der Sanktionen durchgeführt und verifiziert sein müßten? Teheran hat in Genf unter anderem auch Maßnahmen versprochen, deren Umsetzung aus technischen Gründen nicht von heute auf morgen erfolgen soll und kann, sondern nur schrittweise im Verlauf des Moratoriums. Das betrifft im wesentlichen die Umwandlung der Bestände an angereichertem Uran in »ungefährlichere« Formen. Sollte die EU plötzlich darauf bestehen, daß zunächst diese Arbeitsprozesse abgeschlossen sein müssen, bevor Sank­tionserleichterungen beschlossen werden könnten, wäre das Moratorium jetzt schon gestorben.

Die US-Regierung stellt inzwischen, noch nicht einmal einen Monat nach Genf, explizit zentrale Punkte des Abkommens wieder in Frage. Besonders schwerwiegend ist die Forderung, daß die während der Moratoriums ruhenden Bauarbeiten am Schwerwasserreaktor auch später nicht wieder aufgenommen werden dürften. Die US-amerikanische Verhandlungsleiterin Wendy Sherman formulierte das bei einer Kongreßanhörung in der vorigen Woche noch etwas vorsichtig, aber Außenminister John Kerry sprach es kurz darauf offen und aggressiv aus: »Arak ist für uns nicht akzeptabel.«

Das Genfer Abkommen besagt jedoch das Gegenteil. Dort wurde lediglich vereinbart, »die auf den Reaktor in Arak bezogenen Bedenken vollständig zu lösen«. Gemeint war damit nach allgemeinem Verständnis, daß Iran die verbrauchten Brennelemente ins Ausland transportiert, um ganz sicher zu gehen, daß es daraus kein Plutonium gewinnen kann.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 19. Dezember 2013


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