Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Feindbild Iran?

Interview mit Benedikt Fuhrmann über ein spektakuläres Ausstellungsprojekt *


Benedikt Fuhrmann ist Filmemacher und Fotograf. Er bereiste Iran und stellt nun dazu aus: in einer katholischen Kirche in München.


nd: Herr Fuhrmann, Sie haben fast 52 000 Euro gesammelt, um eine Ausstellung über Iran zu machen. Das Geld haben Privatpersonen über das Internet gespendet, durch sogenanntes Crowdfunding. Wie kam es dazu?

Fuhrmann: Ich hatte gar keine andere Möglichkeit, als ins Internet zu gehen. In Deutschland ist Iran ein Feindbild, große Unternehmen und Sponsoren haben Berührungsängste mit dem Land.

Sie haben sechs Jahre lang versucht Sponsoren zu finden, vergeblich ...

Ja, es hieß zum Beispiel: Wir können uns leider nicht erlauben, mit Iran in Verbindung gebracht zu werden, es steht so viel Schlechtes in den Schlagzeilen.

Aber im Internet sahen die Reaktionen anders aus?

Viele waren sehr dankbar, geradezu euphorisch, und sagten: Endlich macht mal einer so etwas. Es riefen Leute von überall auf der Welt an, aus den USA, Iran, Australien. Es ist von der Summe her das größte Projekt, das bisher über eine deutsche Crowdfunding-Plattform finanziert wurde.

In der Ausstellungsankündigung sagen Sie, in den Nachrichten dominiere ein negatives Bild von Iran, dem Sie etwas entgegensetzen wollen. Sie sind ein Jahr mit dem Auto dort herumgereist - welches Bild haben Sie gewonnen?

Oft sind die ersten Worte, die Leuten zu Iran einfallen: Atombombe, Ahmadinedschad, Islam. Mein stärkstes Wort ist: Geborgenheit. Die Gastfreundlichkeit in diesem Land ist sagenhaft, vor allem in den ländlichen Regionen. Das hat mich nachhaltig berührt. Als mein Auto auf einem Höhenpass kaputt ging, kamen viele Menschen zusammen und brachten es ins nächste Dorf, wo auch gleich ein Mechaniker aus dem Nachbarort geholt wurde. Der Mittelpunkt meiner Arbeit sind die Menschen, denn zu oft verlieren wir sie bei dem Gerede über Regime und Regierungen aus dem Blick.

Wie vermitteln Sie das in der Ausstellung »Ein Blick Iran«?

Das Konzept ist: betrachten, lauschen, erleben. Es gibt klassische analoge Fotografien aber auch Videoinstallationen und Tonräume, in denen man dem Alltag auf dem Basar oder in Moscheen zuhören kann. Es ist eine multimediale Reise. Außerdem haben wir ein Rahmenprogramm mit iranischen Künstlern, um wirkliche Begegnungen zu schaffen.

Die Schau findet einen Monat lang in der katholischen Kirche St. Maximilian in München statt. Gab das Probleme?

Nein, das wurde von Anfang an unterstützt. Aber je näher die Ausstellung rückt, desto mehr Nervosität macht sich in der Kirchengemeinde breit. Es wird zwar viel mit dem Dialog der Religionen geworben, aber wenn man wirklich etwas dafür tun will, rennt man nicht unbedingt offene Türen ein.

Zur Eröffnung am 15. Juli ist ein Friedensgebet mit Christen, Muslimen, Juden, Hindus und Buddhisten geplant. 2000 Menschen werden erwartet. Ein Signal an die Politik?

Ja natürlich, das ist ein Signal an die Politiker, dass es auch anders geht. Es ist wichtig, gemeinsam aufzustehen und zu sagen, jetzt machen wir etwas Positives. Jetzt treffen wir uns alle in der Kirche, egal welche Religion, und blicken auf ein Land, das wir so noch nicht kennen.

Fragen: Jenny Becker

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 11. Juli 2012


Zurück zur Iran-Seite

Zur Islam-Islamophopbie-Seite

Zurück zur Homepage