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Langsame Eskalation

Im Streit um das iranische Atomprogramm drohen neue Sanktionen

Von Knut Mellenthin *

Im Streit um das iranische Atomprogramm steht eine weitere Eskalation bevor. Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Mohamed ElBaradei, hat am Mittwoch einen neuen Bericht vorgelegt. Erwartungsgemäß stellt er darin fest, daß Iran der Forderung des UN-Sicherheitsrats, seine Arbeiten an der Urananreicherung einzustellen, nicht nachgekommen ist. Ein entsprechendes Ultimatum des höchsten Gremiums der Vereinten Nationen lief am Donnerstag ab.

Am 23. Dezember vorigen Jahres hatte der Sicherheitsrat erstmals Sanktionen gegen Iran beschlossen. Am 24. März wurden diese verschärft und erweitert. Jetzt droht eine dritte Resolution, über deren Inhalt bisher aber noch nichts bekannt ist. Diplomatische Kreise vermuten, daß die US-Regierung unter anderem ein obligatorisches internationales Reiseverbot für eine größere Zahl von Iranern, darunter auch führende Politiker, durchsetzen will. Bisher muß lediglich die Reisetätigkeit mehrerer Personen registriert und gemeldet werden, die im Zusammenhang mit der iranischen Atombranche stehen.

ElBaradei hat dieser Tage den Ärger der Regierungen der USA, Deutschlands, Großbritanniens und Frankreichs auf sich gezogen. In einem Interview mit der New York Times hatte der IAEA-Chef eine negative Bilanz der bisherigen Sanktions- und Einschüchterungsstrategie gegen Iran gezogen. Diese habe die Iraner nicht daran gehindert, entscheidende Fortschritte in der Urananreicherung zu machen, sondern lediglich die Kontrolle ihres Atomprogramms durch die IAEA erschwert. Die Forderung an Teheran, alle mit der Anreicherung verbundenen Arbeiten einzustellen, sei unrealistisch und durch die Entwicklung überholt. Jetzt müsse es darum gehen, Iran von der industriemäßigen Anreicherung abzuhalten – und gleichzeitig als Kompromiß das bisherige Niveau der iranischen Arbeiten zu akzeptieren.

Für die Regierung der USA war das Anlaß für eine formale Beschwerde. Frankreich, das unter seinem neuen Präsidenten Nicolas Sarkozy sofort auf scharfen Anti-Iran-Kurs gegangen ist, schloß sich dem Protest an. Bevor USA, EU, Rußland und China über die nächste Sicherheitsrats-Resolution beraten, wird es am 31. Mai in Berlin ein Gespräch zwischen den Chefunterhändlern der EU und des Iran, Javier Solana und Ali Laridschani, geben. Falls Solana dort aber nur mechanisch die alte Forderung – Einstellung aller Arbeiten an der Urananreicherung als Vorbedingung für die Aufnahme von Verhandlungen – wiederholt, wird das Treffen eine bedeutungslose Formalität sein.

Noch vor Veröffentlichung des neuen IAEA-Berichts hatte die US-Regierung am Mittwoch eine militärische Machtdemonstration gestartet: Zwei Flugzeugträger mit ihren Begleitfahrzeugen, insgesamt neun Kriegsschiffe mit über 17000 Mann, wurden zu mehrtägigen Manövern im Persischen Golf zusammengezogen. Eine ähnliche Aktion hatten die USA schon im März durchgeführt.

* Aus: junge Welt, 25. Mai 2007


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