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"Teheran respektiert eigene Gesetze nicht"

Friedensnobelpreisträgerin Ebadi protestiert gegen das Verbot ihrer Menschenrechtsorganisation

Von Kambiz Behbahani *

Die Menschenrechtsorganisation der iranischen Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi ist verboten worden.

Das »Zentrums für Menschenrechtsverteidiger« (CHRD) war vor vier Jahren von Ebadi und fünf bekannten iranischen Anwälten gegründet worden. Die Organisation engagierte sich vor allem für inhaftierte Regimekritiker und verfolgte Minderheiten. Im Schreiben des Innenministeriums an Ebadi hieß es zur Begründung des Verbots, »dass manche Mitglieder der Menschenrechtsorganisation unter dem Vorwand der Menschenrechte verschiedene Initiativen ergreifen, wie Herausgabe von Pressemitteilungen, Organisation von Veranstaltungen und Versammlungen, Briefwechsel mit Persönlichkeiten und Behörden, Kontakte mit in- und ausländischen Organen«. Weiter wurde vermerkt: »Die Organisationssatzung wurde von der Kommission Nummer 10 zur Tätigkeit der Parteien und Organisationen nicht genehmigt. Hiermit werden Ihrer Organisation zur Verteidigung der Menschenrechte jegliche Aktivitäten untersagt. Eine weitere Tätigkeit der Organisation wird gerichtlich verfolgt«.

Ebadi widersprach dieser Entscheidung in einem Interview. Sie sagte, gemäß dem iranischen Gesetz bedürfe es keiner Genehmigung »für die zivilgesellschaftlichen Tätigkeiten, solange sie die gesellschaftliche Ordnung nicht stören«. Das bedeute, die Organisation habe von Anfang keine besondere Genehmigung benötigt.

»Als wir vor vier Jahren der Regierung zeigen wollten, dass wir nicht im Untergrund arbeiten wollen und nicht die Regierung stürzen wollen – weil das grundsätzlich nicht mit Menschenrechtsarbeit zu vereinbaren sei und wir nicht über der Regierung stehen –, beantragten wir beim Innenministerium die Registrierung unserer Menschenrechtsorganisation«, erklärte die Friedensnobelpreisträgerin. Zunächst habe die Kommission Nummer 10 zur Tätigkeit der Parteien und Organisationen die Gründung des CHRD genehmigt. »Sie wollte auch unsere Satzung sehen; ein wenig wurde auch daran gefeilt.« Allerdings seien dann weder die schriftliche Genehmigung noch andere Nachrichten seitens der Kommission gefolgt. Dennoch habe die Gruppe stets in Überstimmung mit den geltenden Gesetzen gehandelt.

»Die Regierung respektierte ihr eigenes Gesetzt nicht. Darum protestiere ich gegen diese Entscheidung. Unsere Menschenrechtsorganisation ist sogar Preisträger der französischen Nationalen Menschenrechtskommission«, sagte Ebadi in dem Interview.

Erst kürzlich hatte Shirin Ebadi die iranischen Behörden zur Abschaffung der Isolationshaft aufgefordert, die ihrer Einschätzung nach mit Folter gleichzusetzen ist. »Ich rufe die Vertreter der Justiz auf, eine strikte Weisung zu erlassen, die den Gebrauch der Isolationshaft verbietet«, erklärte die iranische Menschenrechtlerin. »Warum sollen diejenigen gefoltert werden, die sagen: ›Lang lebe die Demokratie‹? Ist es ein Verbrechen, nach Freiheit und Demokratie zu streben?«

»Mit Einschüchterung wollen bestimmte Kräfte versuchen, mich zum Schweigen zu bringen«, so Ebadi. »Doch wir werden alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, um zu unserem Recht zu kommen.«

* Aus: Neues Deutschland, 8. August 2006


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