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Vor seiner Amtseinführung als Präsident Irans muß Mahmud Ahmadinedschad mit Angriffen von "Reformisten" und "Hardlinern" rechnen

Von Knut Mellenthin *

Am heutigen Montag findet in Teheran die von der iranischen Verfassung vorgeschriebene Bestätigung des alten und neuen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad durch Ajatollah Sejjed Ali Khamenei statt. Als »Führer der Islamischen Revolution«, so sein offizieller Titel, ist Khamenei die höchste politische und religiöse Autorität, an dessen Anweisungen sich auch der Präsident halten muß. Auch wenn Ahmadinedschads Vereidigung im Parlament erst am Mittwoch stattfindet, gilt der heutige Staatsakt als der eigentliche Höhepunkt der mehrtägigen Feiern zur Amtseinführung.

Ahmadinedschad, Amtsinhaber seit August 2005, bekam bei der Wahl am 12. Juni dieses Jahres nach offizieller Zählung 62,63 Prozent der Stimmen und lag damit weit vor seinem stärksten Konkurrenten Mirhossein Mussawi mit 33,75 Prozent. Mussawi war von 1981 bis 1989 Premierminister gewesen; anschließend wurde dieses Amt abgeschafft. Als Regierungschef hatte er sich durch extrem hartes Vorgehen gegen alle politischen Gegner ausgezeichnet. Zu dieser Wahl war Mussawi aber als gemeinsamer Kandidat der »reformistischen« Opposition angetreten. Zu seinen Unterstützern gehören auch Ahmadinedschads Vorgänger im Präsidentenamt, Mohammad Khatami (1997--2005) und der als ebenso »pragmatisch« wie gerissen und korrupt geltende Ali Akbar Haschemi Rafsandschani, der von 1989 bis 1997 Präsident war.

Heftige Angriffe

Am 12. Juni erklärte sich Mussawi noch vor Schließung der Wahllokale zum eindeutigen Sieger, wobei er sich auf angebliche Befragungen von Wählerinnen und Wählern nach der Stimmabgabe berief. Später tischten die Oppositionsführer einen offensichtlich gefälschten »Brief eines Angestellten des Innenministeriums« auf. Danach soll Mussawi über zwei Drittel der Stimmen erhalten haben, Ahmadinedschad hingegen nur 15 Prozent. Mehrere Umfragen vor der Wahl, darunter die eines US-amerikanischen Instituts, hatten im Wesentlichen den offiziell festgestellten Wahlausgang vorausgesagt.

Schon vor seiner erneuten Bestätigung im Amt durch Khamenei ist Ahmadinedschad heftigen Angriffen aus den Reihen der sogenannten »Prinzipientreuen« -- im Westen meist simplifizierend als »Hardliner« bezeichnet -- ausgesetzt. Unmittelbarer Anlaß war die Ernennung von Esfandjar Rahim-Maschai zum Ersten Stellvertretenden Präsidenten. Es gibt insgesamt 12 Vizepräsidenten, aber nur der erste könnte in Abwesenheit Ahmadinedschads tatsächlich dessen Amtsgeschäfte übernehmen.

Die Ernennung löste einen Proteststurm »prinzipientreuer« Geistlicher, Politiker, Parlamentarier und Verbände aus. Rahim-Maschai hatte im vorigen Jahr ihren heftigen Zorn erregt, als er erklärte, Iran sei der Freund aller Völker der Welt, auch des israelischen.

Ob Ahmadinedschad mit der Ernennung Rahim-Maschais nur einen guten Freund und nahen Verwandten begünstigen wollte -- sein Sohn ist mit dessen Tochter verheiratet --, oder ob er zugleich ein politisches Signal gegen dogmatische Engstirnigkeit setzen wollte, ist unklar.

Grundsatzstreit

Möglich ist letzteres durchaus, denn der Präsident hat sich auch schon früher mit den »Prinzipientreuen« angelegt. So löste er im Mai 2007 einen Skandal aus, als er bei einem öffentlichen Auftritt seine alte Lehrerin mit einem Handkuß begrüßte: Nach strenger religiöser Auslegung ist es einem Mann nicht erlaubt, »fremde Frauen« -- das heißt alle außer der eigenen -- zu berühren. Ahmadinedschad soll seit Gründung der Islamischen Republik der erste Politiker gewesen sein, der sich darüber hinwegsetzte. Die »Prinzipientreuen« waren auch empört, als der Fußballfan Ahmadinedschad im April 2006 anordnete, Frauen als Zuschauerinnen in die Stadien zu lassen, was bis dahin verboten war.

Im Falle seines Ersten Stellvertreters ignorierte Ahmadinedschad zunächst nicht nur die Freitagspredigten zahlreicher Ajatollahs, sondern auch einen persönlichen Brief Khameneis, in dem dieser die Ernennung förmlich annullierte. Erst als der »Führer der Islamischen Revolution« seine Botschaft im staatlichen Rundfunk verlesen ließ, gab der Präsident nach. Gleichzeitig machte er Rahim-Maschai aber zum Leiter der Präsidialverwaltung, was erneute Proteste hervorrief. Außerdem entließ er Geheimdienstminister Gholam-Hossein Mohseni-Ejei, der sich in dem Streit auf die Seite der »Prinzipientreuen« gestellt hatte.

Diese versuchen nun, den Präsidenten in einem fortdauernden Grundsatzstreit zu schwächen, indem sie ihm vorwerfen, er widersetze sich der Staatsdoktrin des »Velajat-e-Faqih«, das heißt konkret der Anerkennung Khameneis als oberste Autorität in allen Fragen. Nach der Verfassung muß der Präsident innerhalb von 14 Tagen nach der Amtseinführung dem Parlament sein neues Kabinett zur Bestätigung vorstellen. Damit hatte es Ahmadinedschad schon in seiner ersten Amtszeit schwer. Jetzt muß er noch mehr als damals damit rechnen, daß »reformistische« und »prinzipientreue« Abgeordnete ihm gemeinsam Knüppel zwischen die Beine zu werfen versuchen.

Unterdessen hat am Sonnabend (1. Aug.) in Teheran ein Prozeß gegen über 100 Führer und Anhänger der Protestbewegung gegen das Wahlergebnis begonnen. Den Angeklagten wird Verschwörung mit ausländischen Mächten zur Herbeiführung einer Revolution vorgeworfen. Die Vorwürfe richten sich absolut eindeutig auch gegen Mussawi, Khatami und Rafsandschani, die nicht unten den Angeklagten sitzen.

* Aus: junge Welt, 3. August 2009


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