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Warnschüsse überm Golf

Iranisches Kampfflugzeug soll amerikanische Drohne angegriffen haben. US-Senat will "totales Sanktionsregime" durchsetzen

Von Knut Mellenthin *

In der Nähe der iranische Küste hat es nach US-amerikanischen Angaben in der vorigen Woche einen Luftzwischenfall gegeben. Anscheinend war er mit Rücksicht auf die Endphase des Präsidentenwahlkampfs zunächst verschwiegen worden. Pentagon-Pressesprecher George Little bestätigte am Donnerstag abend Pressemeldungen, wonach am 1. November eine US-amerikanische Drohne über dem Persischen Golf beschossen worden sei. Kurz zuvor hatte erstmals CNN unter Berufung auf anonyme Informanten über den Vorfall berichtet. Die Autorin der Meldung, Barbara Starr, ist als Pentagon-verbunden bekannt.

Allerdings weicht die Darstellung Littles, die anschließend auch auf der Website des Verteidigungsministeriums veröffentlicht wurde, in Einzelheiten von Starrs Bericht ab. Dem Pressesprecher zufolge wurde der unbemannte Flugkörper vom Typ MQ-1, bekannt als Predator, nicht von zwei iranischen Jets des Typs SU-25 beschossen, sondern nur von einem. Während CNN behauptete, die beiden Maschinen hätten nicht zur regulären Luftwaffe, sondern zur Revolutionsgarde gehört, die »konfrontativer« sei, ließ Little diese Frage völlig offen. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums bestätigte auch nicht Starrs Darstellung, daß die Drohne unbewaffnet gewesen sei, sondern sagte lediglich, daß sie sich auf einem »routinemäßigen Überwachungsflug« befunden habe. Während Starr behauptete, die US-Regierung habe Teheran einen »Protest« übermitteln lassen, verwendete Little diesen Begriff nicht.

Die SU-25, die bei den sowjetischen Streitkräften schon seit 1980 eingesetzt wurde, war seinerzeit entwickelt worden, um Bodentruppen Luftunterstützung zu geben. Dieser Aufgabe entsprechend ist sie mit einer Bordkanone ausgerüstet. Sowohl CNN als auch Little sprachen explizit davon, daß die Drohne mit dieser angegriffen, aber nicht getroffen worden sei. Allerdings sollte eine SU-25 auch mit einer solchen Waffe eine Predator abschießen können, da sie mehr als viermal schneller fliegt als diese. Die iranische Luftwaffe besitzt nach unterschiedlichen Veröffentlichungen mit Sicherheit auch einige Kampfflugzeuge mit Luft-Luft-Raketen, gegen die eine Drohne keine Chance hätte. Offenbar bestand in diesem Fall nur die Absicht, einige Warnschüsse abzugeben.

Laut Little ereignete sich der Zwischenfall rund 16 Seemeilen von der iranischen Küste entfernt, also nur vier Seemeilen außerhalb der völkerrechtlich anerkannten 12-Meilen-Zone. Es habe sich seines Wissens um den ersten Zwischenfall dieser Art über dem Persischen Golf gehandelt.

Schon seit Wochen wird in den westlichen Medien spekuliert und phantasiert, daß Barack Obama gleich zu Beginn seiner zweiten Amtszeit die Initiative ergreifen könnte, um direkte Gespräche mit dem Iran aufzunehmen. Die New York Times behauptete im Oktober, daß solche Gespräche schon definitiv vereinbart seien.

In der israelischen Presse hieß es einen Tag vor der Präsidentenwahl sogar, die amerikanisch-iranischen Geheimverhandlungen hätten in Bahrain schon begonnen. Obama lasse sich dabei durch seine alte Bekannte, »enge Freundin« und »Beraterin« Valerie Jarrett vertreten. Die Anwältin aus Chicago ist unter Verdacht geraten, weil sie 1956 in der iranischen Stadt Schiras geboren wurde und dort ihre ersten fünf Lebensjahre verbracht hat: Ihr Vater, US-Amerikaner ebenso wie seine Ehefrau, war dort Arzt an einem Kinderkrankenhaus.

Indessen baut die Pro-Israel-Lobby vorsorglich ein weiteres Verhandlungshindernis auf: Im US-Senat bereiten Vertreter beider großen Parteien gemeinsam ein Gesetz vor, das alle ausländischen Unternehmen, die Güter in den Iran liefern, vom US-Markt ausschließen soll. Ziel ist ein »totales Sanktionsregime«. Ausnahmen soll es lediglich für einige Lebensmittel und Medikamente geben.

* Aus: junge Welt, Samstag, 10. November 2012


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