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Iran läßt Obama abblitzen

Forderung nach Rückgabe der Spionage-Drohne abgelehnt

Von Knut Mellenthin *

Iran hat die Forderung der US-Regierung nach Rückgabe der erbeuteten Spionagedrohne zurückgewiesen. Das Teheraner Außenministerium sprach am Dienstag von »Flucht-nach-vorn-Taktik«. Die USA müßten die Verantwortung für das Eindringen ihrer RQ-170 in den iranischen Luftraum und die sich daraus ergebenden Folgen übernehmen. Washing­ton müsse begreifen, daß solche Aktivitäten den Frieden und die Sicherheit der Welt bedrohen könnten. Verteidigungsminister Ahmad Wahidi erklärte, statt des Rückgabeverlangens sei es an den USA, sich für den Vorfall zu entschuldigen. Der stellvertretende Luftwaffenchef General Hossein Salami stellte fest, kein Staat würde Spionageausrüstungen samt der von ihnen gesammelten Informationen an das Ursprungsland zurückgeben. Es habe sich um einen »Akt der Invasion und der Kriegführung« gehandelt.

US-Präsident Barack Obama hatte am Montag bestätigt, daß seine Regierung den Iran ersucht habe, den unbemannten Flugkörper zurückzuerstatten, der den iranischen Streitkräften auf immer noch ungeklärte Weise am 4. Dezember in die Hände gefallen war. Die USA haben bisher lediglich offiziell mitgeteilt, daß ihnen eine Drohne abhanden gekommen ist, aber weder zu deren Einsatzauftrag noch zur Verletzung des iranischen Luftraums Stellung genommen.

In diesem Zusammenhang ist auffällig, daß die erste Erklärung zum »Verschwinden« der Drohne am 5. Dezember nicht von den USA, sondern von einem Sprecher der internationalen Besatzungstruppen in Afghanistan (ISAF) abgegeben wurde. Er behauptete, der Flugkörper sei in einer Aufklärungsmission über Westafghanistan unterwegs gewesen. Das wird allgemein als eine Schutzbehauptung angesehen: Die RQ-170 Sentinel, von denen die USA nur etwa ein Dutzend besitzen, ist mit Stealth-Technik ausgerüstet, die sie für feindliche Radarsysteme nahezu unsichtbar machen soll. Für Missionen über Afghanistan wäre der Einsatz dieser besonders teuren Technologie nicht sinnvoll. Die US-Medien schreiben inzwischen offen, daß die Drohne Teil eines umfassenden Programms zur Ausspionierung Irans war. Warum sich die ISAF zunächst zu dem Versuch hergab, diese Aktivitäten zu decken, ist eine offene Frage.

Am Montag (12. Dez.) wurde von westlichen Agenturen und Medien gemeldet, daß Iran die Untersuchung der erbeuteten Drohne »weitgehend abgeschlossen« habe und ihren Nachbau plane. Diese Berichte gehen jedoch ausschließlich auf persönliche Äußerungen eines einzigen iranischen Parlamentsabgeordneten, Parvis Sorouri, zurück, der anscheinend seinen großen Auftritt genoß. Sorouri gab auch zum besten, daß Iran demnächst eine Militärübung zur Sperrung der Meerenge von Hormus plane, und wurde mit dem Ausspruch zitiert: »Wenn die Welt die Region unsicher machen will, werden wir die Welt unsicher machen.« – Nichts davon geht auf offizielle Äußerungen der Regierung oder der militärischen Führung Irans zurück. Die Sorouri zugeschrieben Drohung steht sogar in klarem Widerspruch zur Haltung Irans.

Vermutlich noch in dieser Woche will das Abgeordnetenhaus der USA zwei neue Sanktionsresolutionen verabschieden, in denen es im wesentlichen um scharfe Strafmaßnahmen gegen Unternehmen und Staaten geht, die immer noch Handel mit Iran treiben. Eine große Mehrheit von Parlamentariern beider Partei ist offenbar bereit, sich über Bedenken und Einwände ihrer Regierung hinwegzusetzen, die die Folgen eines Wirtschafts- und Finanzkriegs gegen den Rest der Welt, insbesondere aber gegen China, fürchtet.

* Aus: junge Welt, 14. Dezember 2011


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