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Nicht mehr geheim

Die Vorführung einer abgefangenen US-Drohne im iranischen Fernsehen blamiert die Regierung in Washington. Teheran protestiert gegen "verdeckte Operationen"

Von Knut Mellenthin *

Iran hat am Donnerstag (8. Dez.) erstmals bestätigt, daß seinen Streitkräften eine US-amerikanische Stealth-Drohne fast unbeschädigt in die Hände gefallen ist. In einem zweieinhalbminütigen Film wurde das geheimnisumwitterte technische Wunderwerk, von dem die US-Regierung bisher nicht einmal Fotos freigegeben hatte, im Fernsehen präsentiert. Der unbemannte Flugkörper ist so konstruiert, daß er von feindlichen Radarsystem kaum entdeckt werden kann. Nach US-amerikanischen Presseberichten existieren von diesem Typ, der RQ-170, bisher nur etwa ein Dutzend Stück.

Schon am vergangenen Sonntag (4. Dez.) hatten iranische Agenturen unter Berufung auf eine anonyme »militärische Quelle« gemeldet, daß eine solche Drohne von Afghanistan her eingeflogen und in einer koordinierten Aktion der eigenen Streitkräfte »zu Boden gebracht« worden sei. Bis zum Donnerstag gab es für diesen Vorgang aber keine Bestätigung seitens der Regierung, des Militärs oder der Revolutionsgarden, die über eigene Verbände aller Waffengattungen verfügen. Die USA hatten eingeräumt, daß eine Drohne »außer Kontrolle geraten« und abhanden gekommen sei. Um welchen Typ es sich dabei gehandelt hatte, blieb zunächst unerwähnt. Sprecher der US-Regierung bekundeten jedoch zuversichtlich, daß den Iranern keinesfalls ein Abschuß der Drohne – sie fliegt immerhin in etwa 15 Kilometer Höhe – gelungen sein könne. Höchstwahrscheinlich sei sie aufgrund eines technischen Defekts abgestürzt und dadurch völlig zerstört worden, so daß Iran aus den Überresten kaum wesentliche Erkenntnisse gewinnen könne.

Nach der Vorführung der Drohne im Fernsehen sind jedoch kaum Zweifel möglich, daß den Iranern weltweit erstmalig das technische Kunststück gelungen ist, sich in die Fernsteuerung der RQ-170 einzuschalten und diese sicher zu landen. Es soll sich, wie offiziell betont wird, um eine gemeinsame Aktion der regulären Streitkräfte und der Revolutionsgarden gehandelt haben. Allerdings stellte der Umstand, daß die erbeutete Maschine der Öffentlichkeit von zwei Offizieren der Revolutionsgarden präsentiert wurde, eine andere Optik her. Einer der beiden war der Kommandeur der Luftstreitkräfte der Garden, General Amir Ali Hadschisadeh. Er erläuterte, daß die Drohne etwa 250 Kilometer weit innerhalb Irans abgefangen worden sei. Ihre Maße gab er mit rund 26 Metern Flügelspannweite, 4,5 Metern Länge und 1,84 Metern Höhe an.

Die Teheraner Regierung protestierte am Donnerstag (8. Dez.) mit einem Schreiben an UN-Generalsekretär Ban Ki Moon gegen die »provokatorischen und verdeckten Operationen der USA« gegen Iran, »die in den vergangenen Monaten gesteigert und intensiviert wurden«. Die Weltorganisation müsse »klare und wirksame Maßnahmen« ergreifen, um derartige »gefährliche und widerrechtliche Aktivitäten« zu beenden. Darüber hinaus wurde die Schweizer Botschafterin ins Außenministerium bestellt, um ein Protestschreiben an die US-Regierung entgegenzunehmen. Die Schweiz vertritt seit dem Abbruch der Beziehungen vor über 30 Jahren die Interessen der USA in Teheran.

Von der in den USA herrschenden aggressiven Stimmung gab am Freitag (9. Dez.) ein redaktioneller Leitartikel der Washington Post ein erschreckendes Bild. Unter der Überschrift »Die falschen Signale an Iran« wurde Verteidigungsminister Leon Panetta heftig angegriffen. Er hatte vor einer Woche erklärt, daß Krieg gegen Iran nur als allerletztes Mittel in Frage komme, und hatte eindringlich vor den Folgen einer militärischen Konfrontation für die gesamte Region gewarnt.

* Aus: junge Welt, 10. Dezember 2011


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