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Glückstreffer für Teheran

Iranische Regierung verhängt offenbar Nachrichtensperre über Drohnenabschuß

Von Knut Mellenthin *

Den iranischen Streitkräften ist offenbar eine streng geheime Überwachungsdrohne der USA in die Hände gefallen. Teheraner Medien hatten am Sonntag (4. Dez.) unter Berufung auf eine anonyme militärische Quelle gemeldet, daß ein unbemannter Flugkörper des Typs RQ-170 Sentinel ohne größere Beschädigung »zu Boden gebracht« worden sei. Dabei muß es sich nicht, wie zunächst allgemein angenommen wurde, um einen Abschuß gehandelt haben. Möglich ist auch, daß es dem Iran gelungen ist, sich in die Elektronik der ferngelenkten Drohne einzuschalten und deren Steuerung zu übernehmen. In diesem Fall könnte sie wertvolle Erkenntnisse liefern, während sie bei einem Abschuß aus erheblicher Flughöhe – rund 15000 Meter – vermutlich weitgehend zerstört worden wäre.

Weder die iranische Regierung noch die Führung der Streitkräfte oder der gleichfalls militärisch ausgerüsteten Revolutionsgarden haben den Vorfall bisher offiziell bestätigt. Das weitgehende Verstummen der iranischen Medien deutet sogar darauf hin, daß eine Nachrichtensperre verhängt wurde. Dagegen räumten Sprecher des US-Militärs und der internationalen Besatzungstruppen in Afghanistan (ISAF) am Montag ein, daß es sich um eine unbewaffnete Aufklärungsdrohne handeln könnte, die über Westafghanistan im Einsatz gewesen und außer Kontrolle geraten sei. Sie machten zwar keine Angaben über die Art des unbemannten Flugkörpers, dementierten andererseits aber auch nicht die iranische Behauptung, daß es sich um eine RQ-170 gehandelt habe. Inzwischen gehen die US-amerikanischen Medien allgemein davon aus, daß dies wirklich der Fall war, und zitieren Äußerungen anonymer Militärangehöriger in diesem Sinn.

Die seit einigen Jahren von Lockheed Martin produzierte RQ-170 ist in Stealth-Technik gebaut, das heißt, sie ist von feindlichen Radarsystemen kaum zu erfassen. Die Drohne ist so geheim, daß es von ihr bis heute weder ein offizielles Foto noch technische Detaildaten gibt. 2007 wurden nicht sehr scharfe Aufnahmen bekannt, die einen solchen, mit ungefähr 20 zu 27 Metern relativ großen Flugkörper im südafghanischen Kandahar zeigen sollen. Flugkörper dieses Typs sollen auch zur Vorbereitung der US-Militär­operation gegen das angebliche Versteck Bin Ladens im pakistanischen Abbottabad im Mai dieses Jahres eingesetzt worden sein.

Drohnen werden sowohl von den US-Streitkräften als auch von der CIA geflogen. Die Washington Post berichtete am Dienstag unter Berufung auf Militärangehörige, daß die im Iran niedergegangene Maschine im Dienst des Geheimdienstes gestanden habe. Dies sowie der Umstand, daß es sich um eine Stealth-Drohne gehandelt habe, spreche gegen die offizielle Darstellung, wonach der Flugkörper eine Mission über Westafghanistan gehabt habe. Die CIA sei vielmehr mit Einsätzen außerhalb Afghanistans befaßt, hauptsächlich gegen Pakistan, aber eben, wie der Vorfall nun demonstriert, auch gegen Iran. Nur für solche Aufgaben mache der spezielle Schutz gegen feindliches Radar Sinn.

* Aus: junge Welt, 7. Dezember 2011


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