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Iran: Krieg um die Dollarhegemonie?

von Jürgen Wagner*

Die Aggressivität der US-Kriegspolitik hat auch innerhalb der Linken Diskussionen ausgelöst, was die wesentlichen Triebfedern dieses Um-Sich-Schlagens sind. In diesem Kontext wird immer häufiger, auch im Hinblick auf die offensichtlichen Kriegsvorbereitungen gegen den Iran, die These vertreten, der „Krieg gegen den Terror“ sei im Kern nichts anderes als ein Kreuzzug zum Erhalt der Dollar-Hegemonie. Die Massenmedien versuchen dieses Thema entweder zu ignorieren, oder, wie der Spiegel (10.3.2006), ins Lächerliche zu ziehen. Es handele sich lediglich um eine „Legende“ verquaster Konspirationstheoretiker, sie sei „höflich gesagt, nicht plausibel.“ Zwar sollte man sich vor monokausalen Erklärungen hüten, es gibt aber dennoch triftige Gründe, die dafür sprechen dieser „Legende“ mehr Beachtung zu schenken.

Das Tributsystem des US-Imperiums

Ausgerechnet zwei Parteigänger George W. Bushs, sein ehemaliger Finanzminister Paul O’Neill und der Kongressabgeordnete Ron Paul, fungieren als Kronzeugen für den Zusammenhang zwischen Währungs- und Kriegspolitik. In einem Interview gab O’Neill aufschlussreiche Einblicke in die Denkweise der Bush-Administration. Als er sich intern gegen weitere Steuersenkungen aussprach, da diese das ohnehin gigantische US-Defizit weiter vergrößern würden, wurde er von Vizepräsident Dick Cheney folgendermaßen belehrt: „Weißt du Paul, Reagan hat bewiesen, dass Defizite nicht von Bedeutung sind.“ Die Tragweite dieses Satzes kann nicht überschätzt werden. Denn der gesunde Menschenverstand sagt einem eigentlich, dass wer mehr Güter einführt (konsumiert), als er ausführt (produziert), ein Handelsbilanzdefizit erzeugt, das nicht grenzenlos durch Verschuldung finanziert werden kann, da die Gläubiger hierzu irgendwann schlicht nicht mehr bereit sind.

In der Tat war dies schon einmal Anfang der 70er der Fall, als die Ausgaben für den Vietnamkrieg zu einer rasant ansteigenden Verschuldung der Vereinigten Staaten führten. Dies hatte zur Folge, dass sich Washington außer Stande sah, den bis zu diesem Zeitpunkt garantierten Umtausch von Dollar in Gold zu einem festen Wechselkurs (35$ pro Unze) weiter aufrecht zu erhalten. Seitdem ist der Dollar also nichts anderes mehr als ein Stück Papier, eine ungedeckte Währung.

In der damaligen Situation gab es nur zwei Optionen: Da man sich keinesfalls eine Radikalsanierung nebst drastischer militärischer Abrüstung verordnen wollte, musste eine Möglichkeit gefunden werden, sich uferlos weiter zu verschulden, indem man Staaten dazu brachte Dollarbestände bzw. US-Schatzanleihen zu kaufen. Henry Kissinger, der Architekt des modernen amerikanischen Tributsystems, fand hierfür folgende Lösung. Im Tausch gegen die Absicherung seiner Herrschaft - und unterstützt von massiven Angriffsdrohungen - veranlasste er das saudische Königshaus sein Öl grundsätzlich in Dollar abzurechnen. Die anderen Opec-Staaten schlossen sich an, so dass die beiden zentralen Handelsplätze für Öl und Gas, der International Petroleum Exchange (IPE) in London und der New Yorker NYMEX, beide auf dem Dollar basieren. Dieser Mechanismus führt zu einer gigantischen Dollarnachfrage und stützt wesentlich die Rolle des Greenbacks als Weltleitwährung: „Jeder akzeptiert Dollars, weil man mit ihnen Öl kaufen kann.“ (Asia Times, 11.4.2002)

Solange also weiterhin Dollars nachgefragt werden können sich die USA nahezu beliebig weiter verschulden, ohne, wie dies bei jedem anderen Staat mit vergleichbaren Zahlen der Fall wäre, bankrott anmelden zu müssen. Der republikanische Kongressabgeordnete Ron Paul verdeutlichte in einer Rede vor dem US-Repräsentantenhaus (15.2.2006) in beeindruckender Klarheit die Funktionsweise des US-Tributsystems: „Unser gesamtes wirtschaftliches System hängt davon ab, dass das gegenwärtige Dollar-Recycling-System Bestand hat. Wir leihen uns jährlich 700 Mrd. Dollar von unseren ‘großzügigen Wohltätern’, welche dafür hart arbeiten und unsere Dollarnoten für ihre Produkte annehmen. Weiters borgen wir uns all die Gelder aus, die wir für die Sicherung des Empires brauchen (Verteidigungsbudget: 450 Mrd. Dollar) und noch mehr. Die Militärmacht, welcher wir uns ‘erfreuen’, wird zu der ‘Deckung’ unserer Währung. ... Am wichtigsten ist, dass die Dollar-Öl-Beziehung aufrechterhalten wird, um ihn als überragende Währung zu sichern. Jeder Angriff auf diese Beziehung wird machtvoll beantwortet werden – so wie es immer schon geschehen ist.“ Soweit, so klar, die Frage ist jedoch, inwieweit die Währungsfrage auch hinsichtlich der Angriffpläne auf den Iran eine Rolle spielt.

Die iranische Ölbörse als Ende des Petrodollar Imperialismus?

Inzwischen steht mit dem Euro erstmals eine ernsthafte Alternative zum Dollar zur Verfügung. Der Run aus der US-Währung hat bereits begonnen, systematisch schichten mehr und mehr Länder - insbesondere Russland und China - ihre Währungsreserven um, was logischerweise zur Folge hat, dass die Dollarnachfrage sinkt. Dass der Greenback inzwischen erheblich an Wert verloren hat und mächtig unter Druck steht, zeigen einige Schlagzeilen der jüngsten Zeit: „Die Asiatische Entwicklungsbank schlägt wegen des Dollars Alarm“ (International Herald Tribune, 28.3.2006); „Dollar beginnt heftigen Tiefflug gegenüber anderen wichtigen Währungen“ (The Sunday Times, 30.4.2006); „Dollar fällt nach Rede des Zentralbankchefs“ (The Times 26.4.20006).

Vor diesem Hintergrund sind die iranischen Pläne, eine Ölbörse (Iranian Oil Bourse, IOB) auf der Insel Kish einzurichten, die auch Euros als Zahlungsmittel akzeptiert, von erheblicher Brisanz. Zwar wurde der ursprünglich auf den 20. März festgelegte Starttermin nach hinten verschoben, Regierungskreise bestätigten aber, das Projekt in jedem Fall umsetzen zu wollen. Die Ölbörse macht schon allein aus ökonomischer Sicht durchaus Sinn, wickelt Teheran doch 45% seines Handels mit der Eurozone ab, wohin auch ein Drittel seines Öls fließt. Die IOB ermöglicht es somit, durch die Umgehung des Dollars, Kursschwankungsrisiken und Transaktionskosten zu vermeiden. Sowohl China als auch Indien haben bereits Interesse bekundet, künftig Öl über die IOB zu beziehen. Potentielle Verkäufer wären etwa Venezuela oder auch Russland, das schon seit längerer Zeit laut darüber nachdenkt, sein Öl in Euro abzurechnen. Auch der französische Industrieminister Francois Loos hat bereits eine größere Rolle des Euro im Ölgeschäft gefordert. Es kommt nicht von ungefähr, dass der Euro gerade für jene Länder an Attraktivität gewinnt, die auf die ein oder andere Weise am deutlichsten die US-Knute zu spüren bekommen. Einige angesehene US-Experten, wie George Perkovich vom Carnegie Endowment for International Peace, machen sich jedenfalls keine Illusionen, wie die iranischen Pläne zu interpretieren sind: „Sie [die IOB] ist Teil einer sehr intelligenten und kreativen iranischen Strategie - auf jede erdenkliche Weise in die Offensive zu gehen und andere Akteure gegen die USA zu mobilisieren.“

Dass es für die USA in der Währungsfrage ums Eingemachte geht, steht außer Frage. Wie dramatisch Washington die Lage einschätzt, zeigt die Entscheidung der US-Notenbank, seit März 2006 die Veröffentlichung der Geldmenge M3 als wichtigstem Indikator für die weltweit im Umlauf befindlichen Dollarmengen einzustellen. Ein recht plumper Versuch zu verdecken, dass das US-Imperium auf tönernen Füßen steht. In dieser prekären Situation kann als gesichert angenommen werden, dass Washington jeden Schritt, der aus der absteigenden Tendenz des Dollars einen rasanten Fall machen würde, als Kriegerklärung betrachtet. Ob die IOB hierzu aber in der Lage ist, steht auf einem anderen Blatt.

Denn auch der Europäischen Union dürfte nicht an einem Totalabsturz des Dollars gelegen sein, der aller Wahrscheinlichkeit nach ihre Volkswirtschaften ebenfalls hart treffen würde. Zwar könnte eine allmähliche Wachablösung durchaus Vorteile bringen, dies würde allerdings u.a. eine grundlegende Änderung der restriktiven EZB-Geldpolitik erfordern, die augenblicklich nicht in Sicht ist. Es braucht also mehr als lediglich die Einrichtung einer iranischen Ölbörse, um den Dollar zu Fall zu bringen. In ihr somit den alleinigen Grund für die US-amerikanischen Angriffspläne zu sehen, würde ihre Bedeutung überhöhen. Die IOB zu verhindern und hiermit gleichzeitig anderen Ländern einen Wink mit dem Zaunpfahl zu geben, dass Washington bereit ist, jedes Land mit Krieg zu überziehen, das ernsthaft versuchen sollte an der Dollarhegemonie zu rütteln, dürften aber allemal wichtige Teilinteressen sein, die die extreme Aggressivität der USA gegenüber dem Iran erklären helfen.

* Jürgen Wagner ist geschäftsführender Vorstand der Tübinger Informationsstelle Militarisierung (IMI e.V.)
Vom Autor (Mitherausgeber) erschien vor kurzem im VSA-Verlag (Hamburg) das Buch "Welt-Macht-Europa: Auf dem Weg in weltweite Kriege".



Dieser Beitrag erschien in: FriedensJournal Nr. 3, Mai 2006

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