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Zum Dialog bereit

Irans Präsident betont in New York Interesse an Gesprächen mit den USA

Von Knut Mellenthin *

Same procedure as every year. Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad ist anläßlich der Vollversammlung der Vereinten Nationen wieder einmal in New York. Sein Arbeitstag ist gefüllt mit Interviews, weil fast alle bedeutenden Sender und Zeitungen darauf hoffen, daß der Vielgeschmähte sich wider alle Erfahrungen dazu hinreißen läßt, ausgerechnet ihnen eine konkret gestellte Frage tatsächlich zu beantworten. Westliche Regierungen und Diplomaten halten Dringlichkeitssitzungen ab, um sich darauf zu einigen, an welchem Punkt von Ahmadinedschads Rede in der Vollversammlung sie mit deutlich zur Schau gestellter Empörung den Saal verlassen werden und wer das Zeichen zum gemeinsamen Aufbruch geben soll.

Diesmal wird der Präsident am Mittwoch sprechen. Die israelischen Diplomaten können sich also das empörte Aufspringen sparen, da Jom Kippur –, für viele Juden der bedeutendste Feiertag überhaupt –, heuer gerade auf diesen Tag fällt. Israels UN-Botschafter Ron Prosor nahm seinen Auszug schon am Montag vorweg: Als Ahmadinedschad eine Rede auf einer Sitzung zum Thema »Herrschaft des Rechts« hielt, wartete Prosor gar nicht erst irgendeine feindselige Äußerung ab, sondern stürmte aus dem Saal, sobald der Iraner sich zum Mikrofon bewegte. »Eine Schande« sei es, wütete der Diplomat, »jemandem wie ihm« Gelegenheit zu einer Ansprache zu geben. Schließlich sei Iran »ein geächtetes Land«, das »serienweise« gegen »fundamentale Rechtsgrundsätze« verstoße. Daß Israel genau dies selber tut, schien Prosor in seiner selbstgerechten Aufregung gar nicht zu bemerken.

Daß Ahmadinedschad anscheinend auch in diesem Jahr wenig Lust hat, Fragen konkret zu beantworten, ist schade. Vor allem, wenn man sich die durchaus gescheiten Bälle anschaut, die David Ignatius in seinem langen Interview für die Washington Post dem Präsidenten zuzuspielen versuchte. Was er von dem Vorschlag halte, »neue Kommunikationslinien« zwischen Iran und den USA zu installieren, um unbeabsichtigte militärische Zwischenfälle im Persischen Golf zu vermeiden? Ahmadinedschad wich aus. Wie groß er das Risiko eines israelischen Angriffs einschätze? Ahmadinedschad redete um das Thema herum, ließ sich aber auf Nachfrage von Ignatius immerhin zur Vermutung hinreißen, Benjamin Netanjahu bluffe lediglich. Anschließend schlug der Präsident den interessanten Vorschlag von Ignatius aus, eine persönliche Botschaft an die jüdische Bevölkerung Israels zu richten.

Immerhin machte Ahmadinedschad aber in Gesprächen mit US-Journalisten sein Interesse an einer substantiellen Verbesserung der Beziehungen zwischen Teheran und Washington so deutlich wie wohl noch nie zuvor. Der Streit um das zivile Atomprogramm seines Landes sei ein Thema, das letztlich in erster Linie durch direkte Verhandlungen zwischen Iran und den Vereinigten Staaten gelöst werden müsse. Aber es komme auf die Herangehensweise der USA an. Iran sei bereit zum Dialog, zu einer grundlegenden Lösung der Probleme – aber unter Bedingungen, die auf Fairneß und gegenseitigen Respekt gegründet sind. Teheran erwarte nicht, daß ein 33 Jahre altes Problem zwischen den USA und Iran im Eiltempo gelöst wird, aber es gebe keinen anderen Weg als den Dialog.

In dem Interview mit der Washington Post sagte Ahmadinedschad, daß das iranische Atomprogramm nicht das wirkliche Problem, sondern nur ein Vorwand sei. Welche Garantien gäbe es denn, daß Iran, wenn er jetzt irgendwelche Zugeständnisse machen würde, nicht sofort mit weiteren Forderungen und Hindernissen konfrontiert wird? Man sei zum Beispiel 2009 und 2010 mehrmals bereit gewesen, auf die zwanzigprozentige Anreicherung von Uran zu medizinischen Zwecken zu verzichten, wenn Iran das Material auf dem Handelsweg hätte erhalten können. Die Antwort der 5+1-Gruppe aus USA, Rußland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland auf dieses Angebot habe nur in einer neuen Resolution des UN-Sicherheitsrats mit erweiterten Strafmaßnahmen bestanden. Dennoch sei Iran nach wie vor zum Dialog bereit.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 26. September 2012


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