Buschehr ist jetzt am Netz
Iran und Russland demonstrieren Zusammenarbeit
Von Knut Mellenthin *
Das erste iranische Atomkraftwerk ist nach jahrelangen Verzögerungen am Netz. Am heutigen
Montag soll am Standort Buschehr die Einweihungsfeier stattfinden. Als Ehrengäste wird
hochrangiger Besuch aus Russland erwartet – Sergej Kirijenko, früherer Ministerpräsident und seit
2005 Chef des Staatsunternehmens Rosatom, das die Anlage gebaut hat, sowie Energieminister
Sergej Schmatko.
Die eigentliche Inbetriebnahme des Kraftwerks erfolgte schon am vorigen Wochenende. Seine volle
Leistung von 1000 Megawatt wird Buschehr voraussichtlich Ende November oder Anfang Dezember
erreichen. Dann ist nochmals ein feierlicher Staatsakt geplant. Die Medien des Landes weisen stolz
darauf hin, dass Iran – nach Pakistan – das zweite islamische Land ist, das Strom aus
Nuklearenergie produziert, und dass die Kapazität der Anlage am Persischen Golf die
Gesamtproduktion der pakistanischen Reaktoren übertrifft. Russland hat vertraglich zugesichert, das
Kraftwerk während seiner Lebensdauer mit nuklearem Brennstoff zu versorgen. Im Gegenzug hat
Teheran sich verpflichtet, die verbrauchten Elemente zurückzuliefern. Auf diese Weise soll
ausgeschlossen werden, dass Iran daraus waffenfähiges Plutonium gewinnen könnte.
Der Bau des AKW Buschehr war in den 70er Jahren unter führender Beteiligung des deutschen
Unternehmens Siemens begonnen worden. Nach dem Sturz der Schah-Diktatur 1979 zogen sich
alle westlichen Firmen von dem Projekt zurück. Rosatom übernahm 1995 den Weiterbau. Die
zunächst schon für das Jahr 2000 geplante Fertigstellung wurde jedoch immer wieder
hinausgeschoben. Im August 2010 wurde dann mit der Einbringung der Brennelemente in den
Reaktor begonnen. Damals hieß es, dass Buschehr Ende des Jahres ans Netz gehen sollte.
Stattdessen gab es weitere Verschiebungen. Im Februar mussten sogar sämtliche Brennstäbe
wegen technischer Probleme wieder herausgeholt werden.
Diese Panne wurde von vielen mit dem mutmaßlich von israelischen und US-Dienststellen
geschaffenen Computerwurm Stuxnet in Verbindung gebracht. Tatsächlich hat dieser aber laut
iranischen und ausländischen Berichten lediglich die Steuerung der Zentrifugen in der Anlage von
Natanz gestört. Dort wird schwach angereichertes Uran hergestellt, woraus Iran Brennstäbe
produzieren will, um auf diesem Gebiet unabhängig zu werden. Aus den Berichten der
Internationalen Atomenergiebehörde geht hervor, dass die Arbeit in Natanz durch Stuxnet
vorübergehend, nicht in relevantem Umfang beeinträchtigt wurde.
Indessen ist im internationalen Streit um das iranische Atomprogramm ein Stillstand eingetreten.
Nach dem vorerst letzten Treffen zwischen Iran und der Sechsergruppe, das im Januar in Istanbul
stattfand, wurde kein neuer Termin vereinbart. Die Iran-Sechs bestehen aus den fünf ständigen
Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats (China, Frankreich, Großbritannien, Russland und USA) sowie
Deutschland. Bisher scheiterten die Verhandlungen daran, dass Iran der Forderung nach Verzicht
auf eine eigene Urananreicherung – zu der es wie alle Unterzeichnerstaaten des
Atomwaffensperrvertrags unstrittig berechtigt ist – nicht nachkommen will.
Mittlerweile hat der Sicherheitsrat vier Sanktionsresolutionen verabschiedet – zuletzt am 9. Juni
2010. Da Iran darin nur eine Frist von 90 Tagen eingeräumt wurde, sind neue Gespräche im Rat
längst überfällig. Dass sie noch nicht begonnen haben, lässt auf zunehmende
Meinungsverschiedenheiten zwischen den Weststaaten einerseits, Russland und China andererseits
schließen.
Russland hat vor einigen Wochen einen neuen Vorschlag eingebracht, um die Verhandlungen der
Sechsergruppe mit Iran wieder in Gang zu bringen. Er sieht die Möglichkeit vor, Teilzugeständnisse
Teherans mit der Aussetzung einzelner Sanktionen zu honorieren. Die bisherigen UN-Resolutionen
lassen nur ein Alles oder Nichts, aber keine schrittweise Annäherung zu. Weder die Weststaaten
noch Iran haben zu den allerdings noch nicht sehr konkreten russischen Vorstellungen definitiv
Stellung genommen.
* Aus: Neues Deutschland, 12. September 2011
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