Weder Militärschläge noch Sanktionen
Eine iranische Atombombe ist nur mit politischen Mitteln zu verhindern. Auszüge aus einer Studie des BICC
Im Folgenden dokumentieren wir Auszüge aus einem Papier, das im renommierten Bonner Institut für Konversionsforschung (BICC) entstand. Wir haben auf Teile der Einleitung und Teile des Kapitels "Zum Stand des iranischen Atomprogramms" sowie aud die Passagen über die offizielle iranische Position zu Atomwaffen verzichtet. Den Abschnitt "Umkehr zu Dialog und Entspannung haben wir stark verkürzt und zusammengefasst, um stattdessen die Schlussempfehlungen an die deutsche Politik im Wortlaut wiederzugeben. Außerdem haben wir auf den wissenschaftlichen Apparat verzichtet.
Das Originalpapier ist hier herunterzuladen:www.bicc.de
Atomkonflikt Iran: Diplomatische Lösung noch immer möglich?!
Von Jerry Sommer *
AUSZÜGE
(...) Das iranische Atomprogramm schreitet voran.
Insbesondere wird die Urananreicherungsanlage
in Natanz langsam aber stetig ausgebaut. Inzwischen
hat der Iran nach Angaben des letzten Berichtes
der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) vom November 20112 4.922 Kilogramm an 3,5-prozentigem, leicht angereicherten Uran
hergestellt. Solch leicht angereichertes Uran wird
benötigt, um Kernbrennstäbe für Leichtwasser-
Nuklearreaktoren zur Gewinnung von Energie zu
produzieren. Seit Jahren besitzt der Iran schon
mehr als 1.200 Kilogramm an 3,5-prozentigem
leicht angereicherten Uran. Soviel reicht, um bei
weiterer Anreicherung auf über 90 Prozent genug
waffenfähiges Uran für eine Atombombe zu erzeugen.
Zudem hat der Iran zu Beginn des Jahres 2010 begonnen,
einen Teil seines leicht angereicherten
Urans in der Pilotanreicherungsanlage in Natanz
weiter auf 20 Prozent anzureichern. Auch solches
Uran gilt als leicht angereichertes Uran.
Der Iran braucht es, um Brennstäbe für einen
kleinen Teheraner Forschungsreaktor anzufertigen,
der medizinische Isotope für die Behandlung
von über 870.000 Krebspatienten im Lande
herstellt. Inzwischen hat der Iran 73,7 Kilogramm
an 20-prozentigem Uran produziert. (...)
Diese Anlagen stehen alle unter strenger Kontrolle
der IAEO. Die IAEO hat erneut bestätigt, dass aus
diesen Anlagen kein Nuklearmaterial abhanden
gekommen ist. Sollte der Iran entscheiden,
das vorhandene leicht angereicherte Uran zu
90-prozentigem waffenfähigen Uran weiterzuverarbeiten,
müssten erst die IAEO-Inspektoren
des Landes verwiesen werden. Auch dann noch
würde es mehrere Monate dauern, bis die höhere
Anreicherung erfolgreich abgeschlossen wäre.
Eine unmittelbare Gefahr einer „iranischen Atombombe“
ist deshalb weiterhin nicht gegeben.
IAEO-Bericht wirft Fragen auf
Der jüngste Bericht des IAEO-Generaldirektors
Yukiya Amano über das iranische Atomprogramm
hat „ernsthafte Sorgen über mögliche militärische
Dimensionen des iranischen Nuklearprogramms“
zum Ausdruck gebracht. Diese beziehen sich auf
„Informationen, die darauf hinweisen, dass der
Iran Aktivitäten unternommen hat, die für die Entwicklung
eines Atomsprengkopfs relevant sind.“
Der Bau eines einsatzfähigen Sprengkopfes ist neben
der Urananreicherung selbst die zweite technische
Hürde, wenn man eine Bombe bauen will.
In den Medien wurde dieser Bericht weitgehend
so interpretiert, als habe die IAEO „praktisch
nachgewiesen, dass Teheran heimlich eine Atombombe
baut“ (Süddeutsche Zeitung). Dass der Iran „die Bombe will“, „nach der Bombe strebt“ etc. ist ohnehin die vorherrschende verbreitete
Meinung vieler westlicher Politiker und Medien.
Der jüngste IAEO-Bericht wurde genutzt, um diese
Auffassung zu stützen. Doch diese Darstellungen
sind grobe Missdeutungen des Berichts.
Zuerst einmal muss an die Einschätzung des Chefs
aller US-amerikanischen Geheimdienste, James
Clapper, vom 10. März 2011 bei seiner Anhörung
im Senatausschuss erinnert werden. Zu dem
Zeitpunkt lagen den US-Geheimdiensten mit Sicherheit
alle Informationen vor, die auch dem
späteren IAEO-Bericht zur Verfügung standen. In
seinem vorbereiteten Statement erklärte Clapper:
„Wir schätzen nach wie vor ein, dass der Iran
sich die Option offen hält, Atomwaffen zu entwickeln
… Wir wissen allerdings nicht, ob sich der
Iran irgendwann einmal entscheiden wird, solche
Waffen zu bauen … Wir sind nach wie vor der Auffassung,
dass die Entscheidungsfindung des Iran
von einer Kosten-Nutzen-Analyse bestimmt wird,
die der internationalen Gemeinschaft Möglichkeiten
bietet, Teheran zu beeinflussen.“
Auf die Nachfrage des Ausschussvorsitzenden
Carl Levin, ob die US-Geheimdienste davon ausgingen,
„dass der Iran bisher nicht entschieden
hat, sein Nuklearwaffenprogramm wieder in Gang
zu setzen“, antwortete Clapper: „Ja, Sir.“ Auf die
erneute Nachfrage, wie sicher sich die Geheimdienste
dieser Aussage wären, ob sie von „einem
hohen Wahrscheinlichkeitsgrad ausgingen“, erwiderte
Clapper: „Ja, so ist es.“
Zum zweiten enthält sich auch der IAEO-Bericht
jeder Aussage darüber, ob der Iran gegenwärtig
an der Atombombe baut oder wie weit er mit
bestimmten Forschungsaktivitäten zur Entwicklung
eines Sprengkopfes überhaupt gekommen ist.
Ebenso äußert sich der Bericht nicht zu der Frage,
ob der Iran derzeit überhaupt die Intention hat,
eine Atombombe zu bauen. Die IAEO sagt selbst,
dass entsprechend den ihr vorliegenden Informationen
das vermutete iranische „strukturierte
Programm“ zur Arbeit an einem Atomsprengkopf
„durch einen ziemlich abrupten ‚Halt-Befehl’ Ende
2003 gestoppt wurde.“ Nur einige Aktivitäten sollen
auch nach 2003 – allerdings nicht im Rahmen eines strukturierten Programms – fortgesetzt worden
sein und „könnten“ auch gegenwärtig noch
stattfinden.
Zum dritten sind Zweifel an den Quellen angebracht,
auf die sich die IAEO wie die US-Geheimdienste
berufen, wenn sie ein strukturiertes iranisches
Atomwaffenprogramm bis 2003 vermuten.
Die meisten Hinweise auf iranische atomwaffenspezifische
Aktivitäten gehen auf die sogenannten
„vermeintlichen Studien“ (alleged studies) zurück.
Dabei handelt es sich um „Studien“, die dem
Bundesnachrichtendienst angeblich von der Frau
eines inzwischen wohl verstorbenen iranischen
Agenten des deutschen Bundesnachrichtendienstes
außer Landes gebracht und über den BND an die US-Geheimdienste weitergegeben worden waren, wie das Washingtoner Institute for
Science and International Security, das gute
Verbindungen sowohl zur IAEO in Wien wie zu den
US-Geheimdiensten hat, berichtete.
In der Tat ist Skepsis gegenüber der Authentizität
dieser „Studien“ angebracht. Jahrelang haben
die USA behauptet, die „Studien“ seien auf einem
„Lap-Top“ enthalten gewesen, der ihnen
zugespielt wurde. Nun ist nicht einmal klar, ob die
„Studien“ auf einem USB-Stick oder DVDs aus dem
Iran kamen. Die USA weigern sich nach wie vor,
die ursprünglich erhaltenen Materialien zu einer
Überprüfung herauszugeben. Zudem scheint es in
den bekannt gewordenen Teilen dieser „Studien“
einige logische Widersprüche zu geben.
Auch sind die Formulierungen und Schlussfolgerungen
des letzten IAEO-Berichtes über den Iran,
der sich zum übergroßen Teil auf diese „Studien“
stützt, in die Kritik geraten. So hat Robert Kelley,
ein US-Physiker, der viele Jahre an der US-Atomwaffenforschung
beteiligt war, dann in der Position
eines „Directors“ für die IAEO in Wien gearbeitet
hat und nun für das schwedische Friedensforschungsinstitut
SIPRI tätig ist, die Zusammenstellung
als „amateurhaft“ und insgesamt nicht
wissenschaftlichen Standards entsprechend kritisiert.
Einige Dinge seien „schlicht falsch“, andere
„höchst irreführend“.
So kritisiert er zum Beispiel folgende Aussage des
IAEO-Bericht: „Die IAEO erkennt an, dass es nicht
nukleare Anwendungen, wenn auch nur wenige,
für Zünder mit Exploding Bridgewire Detonators“
gibt. Wegen deren Nützlichkeit für Atomsprengköpfe sei die Entwicklung solcher Zünder durch den Iran aber „ein Grund zur Sorge“. Diese Aussage
hält Kelley für manipulativ. Denn solche
Zünder würden für zahlreiche zivile Sprengungen,
zum Beispiel in der Ölindustrie, sowie für konventionelle
militärische Sprengkörper verwendet.
Auch wundert sich der Experte über die Behauptung
der IAEO, dass hydrodynamische Sprengstoffexperimente
in einem Container stattgefunden
haben sollen, was laut IAEO „starke Hinweise
auf mögliche Waffenentwicklungen“ seien.
Atomwissenschaftler Kelley: „Man muss verrückt
sein, um hydrodynamische Explosionen in einem
Container durchzuführen.“ Solche Exprimente, so
sie denn für Atomwaffenforschung relevant sind,
würden im Freien durchgeführt, wo man sie auch
viel besser messen könnte.
Auch die Aussage der IAEO, dass der verdächtige
Container für Experimente mit bis zu 70 Kilogramm
konventionellen Sprengstoff gedacht war, schätzt
Kelley nicht als Hinweis für eine Atomwaffenforschung
ein. Denn eine konventionelle Sprengladung,
um einen nuklearen Sprengkopf zu zünden,
würde weit mehr als diese Menge benötigen.
Kelleys Schlussfolgerung: „Wir werden an
der Nase herumgeführt, damit wir glauben, dass
dieser Container (als Beleg für eine Atomwaffenforschung,
d. V.) wichtig ist, wenngleich er überhaupt
nicht wichtig ist.“ Der erwähnte Container
ist nach Angaben eines ukrainischen Wissenschaftlers
zur Herstellung von künstlichen Diamanten
gebaut worden.
Zweifel an der wissenschaftlichen Haltbarkeit des
IAEO-Berichtes sind also durchaus begründet, da
er andere – entlastende – Interpretationen der
Situation kaum einbezieht und analysiert. (...)
Militärschläge und Sanktionen – Wege tiefer in die Sackgasse
Militärschlag
Will man den Iran davon abhalten, die rote Linie zu
überschreiten und Atomwaffen herzustellen, so ist es
sicherlich das falscheste, mit militärischen Angriffen
auf das Land zu drohen. „Ich glaube, man kann niemanden
durch Androhung von Gewalt von einem
Atomprogramm abbringen – das führt wohl eher
dazu, dass sich derjenige noch mehr damit beeilt,
um sich verteidigen zu können“, schätzt Hans Blix,
ehemaliger Generaldirektor der IAEO und Mitglied
des Internationalen Beirates des BICC richtigerweise
ein. Tatsächlich könnten Gewaltandrohungen dazu
beitragen, das innenpolitische Kräfteverhältnis im
Iran zugunsten einer Befürwortung von Atomwaffen
in der Elite zu verschieben. Allerdings ist dies – trotz der
hitzig geführten Debatte in Israel – gegenwärtig kein wahrscheinliches Szenario, zumal die Drohung mit Militärschlägen seit Jahren periodisch wiederkehrt.
Zwar würde ein militärischer – völkerrechtswidriger –
Präventivschlag, der ohne die aktive und massive
Einbeziehung der USA nicht möglich wäre, das Atomprogramm
des Iran sicher um Jahre zurückwerfen.
Gleichwohl ist Know-how nicht zu zerbomben. Ein
Angriff auf den Iran wäre höchstwahrscheinlich die
Garantie dafür, dass er danach – anders als heute –
mit hoher Geschwindigkeit nach der Atombombe
streben würde. Diejenigen Kräfte in der iranischen
Führung und Gesellschaft, die den militärischen Nutzen
der Atombombe bezweifeln, hätten dann kaum
noch Aussichten, sich durchzusetzen.
Sanktionen
Auch verschiedene Wirtschaftssanktionen – von der
UN verabschiedete, aber auch einseitige von den
USA und ihren Bündnispartner erklärte – haben bisher
nicht bewirkt, dass der Iran, wie vom UN-Sicherheitsrat
gefordert, seine Urananreicherung einstellt.
Keine Urananreicherung im Iran und eine Abgabe
des schon vorhandenen leicht angereicherten Urans
wäre sicher die beste Möglichkeit, um sicherzustellen,
dass der Iran kein waffenfähiges Nuklearmaterial
besitzt oder produziert. Allerdings ist dieses Ziel zunehmend
unrealistisch, da das Urananreicherungsprogramm
immer größer geworden ist. Eine Zustimmung
zu einem Rückbau der vorhandenen Anlagen ist
höchst unwahrscheinlich, zumal das bisher zivile Nuklearprogramm
im Iran als Symbol für technologischen
Fortschritt, Prestige und nationale Unabhängigkeit
angesehen und deshalb nicht nur von der gegenwärtigen
politischen Führung, sondern auch von
der politischen „grünen“ Opposition unterstützt wird.
Außerdem sind die bisherigen Anlagen und ihre Verwendung
entsprechend dem Atomwaffensperrvertrag
legal und legitim.
Weitere kleinere Sanktionen werden an diesen
Grundparametern nichts ändern. Umfassende UNSanktionen
– ein totales Wirtschaftsembargo zum
Beispiel, sozusagen ein „Wirtschaftskrieg“ – würden
jedoch nicht die Unterstützung von Russland oder
China finden, solange nicht eindeutig bewiesen ist,
dass der Iran eine Atombombe herstellt, indem er zum Beispiel Uran auf 90 Prozent anreichert und die
IAEO-Inspektoren des Landes verweist.
Neue einseitige Sanktionen, wie sie der Westen gegenwärtig
diskutiert und umsetzt, sind wahrscheinlich
genauso effektiv wie die bisherigen: das politische
Ziel, den Iran zur Aufgabe seiner Urananreicherung
zu zwingen, haben sie nicht erreicht Die wirtschaftlichen
Folgen waren zwar durch die Verteuerung von
Produkten spürbar und trafen insofern die Bevölkerung.
Aber die Wirtschaft des Iran haben sie nur marginal
getroffen. Den Iran als drittgrößten Ölexporteur
der Welt, als ein Land mit großen Öl- und Gasvorkommen
und wachsenden Handelskontakten in der Region
sowie nach Asien und Russland international zu
isolieren, ist nicht realistisch. Der Wert der iranischen
Ölexporte ist 2010 gegenüber dem internationalen
Krisenjahr 2009 um 20 Prozent angestiegen. 2011
haben China, Indien, Südkorea und die Türkei ihre
Ölimporte erhöht. Das iranische Bruttosozialprodukt
wird 2010/2011 laut Berechnungen des Internationalen
Währungsfonds um 3,2 Prozent zunehmen. Die
iranischen Exporte außerhalb des Ölsektors haben
sich von 6,4 Milliarden US-Dollar 2004 auf einen Wert
von 26,3 Milliarden US-Dollar 2010 vervierfacht. Die
ausländischen Direktinvestitionen sind von 2008 bis
2010 von 1,6 Milliarden US-Dollar auf 3,6 Milliarden USDollar
angewachsen.
Sanktionen, wie zum Beispiel gegen die iranische
Zentralbank und ein Verbot von Ölimporten aus dem
Iran, wie sie in der EU diskutiert werden, schaden eher
den Ländern selbst: durch höhere Ölpreise oder auch
durch Verlust von Marktanteilen am iranischen Import/
Export an russische und chinesische Firmen. Das vollmundig
von Bundesaußenminister Guido Westerwelle
propagierte Ziel: „Wir müssen die Quellen für das iranische
Atomprogramm austrocknen“ ist durch einseitige
EU-Sanktionen nicht erreichbar. Nur 18 Prozent
der iranischen Ölexporte gehen in die EU. Da über
50 Prozent des iranischen Staatshaushaltes durch die Öleinnahmen finanziert werden, würde zudem auch eine nur teilweise erfolgreiche „Austrocknung“ vor allem die iranische Bevölkerung treffen. Das politische Ergebnis wäre damit eher eine Stärkung der Hardliner
im Iran als ein Nachgeben gegenüber der Forderung
nach Aufgabe der Urananreicherung.
Hinzu kommt, dass nicht von der UN beschlossene
Sanktionen von einer wachsenden Zahl von Staaten
abgelehnt werden. So haben zum Beispiel die Vertreter
der BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien,
China) bei einem Außenministertreffen Ende November
betont, dass „zusätzliche und einseitige Sanktionen
gegen den Iran kontraproduktiv (seien) und
nur die Lage verschärfen.“
Dies ist zweifellos eine Gefahr. Genauso wie der
Stuxnet-Virus-Cyberkrieg gegen den Iran sowie die
Ermordung von iranischen Wissenschaftlern – hinter
denen der israelische und/oder der US-Geheimdienst
vermutet werden – können weitere Sanktionen das
Misstrauen in Teheran gegen die „guten Absichten“
des Westens nur erhöhen. Eine Eskalation entsprechend
dem Aktions-Reaktions-Schema hat nach den
jüngsten britischen Sanktionen mit den Übergriffen
auf die britische Botschaft in Teheran schon eingesetzt.
Zwar könnten weitere Sanktionen, zumindest zeitweise,
den Kriegsbefürwortern in den USA und in
Israel ein wenig den Boden entziehen. Mittelfristig
bestärken sie jedoch die übertriebene Bedrohungswahrnehmung
und können, bei zu erwartendem
Misserfolg, den argumentativen Boden für einen militärischen
Angriffskrieg bereiten. Auf jeden Fall sind sie
aber für die Entwicklung eines Dialogs und die Suche
nach Kompromissen schädlich.
[Unter der Überschrift "Umkehr zu Dialog und Entspannung" schlägt der Autor eine Reihe von Maßnahmen vor, die dazu beitragen sollten, gegenseitiges Vertrauen herzustellen. So werden etwa folgende Forderungen gestellt (wir fassen hier die Seiten 6-9 des Papiers zusammen):-
20-prozentiges Uran an den Iran liefern. Dieser Ansatz nimmt das im September 2011 von Ahmadinedjad mehrmals in
Interviews mit US-Medien erklärte Angebot auf: „Wenn
ihr (USA und Europa) uns jetzt 20-prozentiges Uran
gebt, dann stoppen wir unsere Produktion”. ... Ein solcher Deal könnte als Türöffner dienen, der ein wenig gegenseitiges Vertrauen herstellt. Hätte der Westen einem anderen Angebot, das der Iran
zusammen mit Brasilien und der Türkei im Frühjahr
2010 vorgelegt hatte, zugestimmt, hätte der Iran die
Produktion von 20-prozentigem Uran gar nicht erst
so weit entwickelt. Damals hatten Brasilien und die
Türkei sämtliche vorher von Washington geforderten
Bedingungen für einen Austausch von Kernmaterial
zugunsten von Kernbrennstäben für den Teheraner
Forschungsreaktor gegenüber dem Iran durchgesetzt,
aber die USA sagten trotzdem Nein.
-
Iran bei der Herstellung von Kernbrennstäben helfen. Würde der Westen, Russland oder andere Staaten darüber hinaus dem Iran helfen, aus den 120 Kilogramm an 20-prozentigem Uran Kernbrennstäbe für
den kleinen Teheraner Forschungsreaktor herzustellen,
wäre die breakout-Gefahr noch weiter reduziert.
Denn Kernbrennstäbe sind nicht als waffenfähiges
Material zu benutzen.
-
Urananreicherung im Iran akzeptieren gegen scharfe
Kontrollen. Eine Einigung über das 20-prozentig angereicherte
Uran würde jedoch den Grundkonflikt
des iranischen Atomprogramms nicht lösen: der Iran
würde weiterhin Uran auf 3,5 Prozent anreichern. Es ist
allerdings völlig unrealistisch, das Ziel einer „Null-Anreicherung“
im Iran weiter zu verfolgen. Stattdessen
sollte eine noch umfassendere internationale Kontrolle
der iranischen Atomanlagen durch die IAEO
angestrebt werden. Wenn der Iran das so genannte
„Zusatzprotokoll“ der IAEO anwenden würde, hätten
die Inspektoren über bestehende IAEO-Kontrollen
hinausgehende Inspektionsrechte. Eine noch weiter
reichende Möglichkeit zusätzlicher internationaler
Kontrollen wäre durch eine Internationalisierung der
Urananreicherungsanlagen im Iran gegeben. Solche
Vorschläge gibt es schon seit Jahren, sie werden
aber leider von der Politik bisher nicht aufgegriffen.
-
Politische Entspannung anstreben: Der dringend notwendige
Paradigmenwechsel westlicher Iran-Politik
kann und darf nicht auf die eher technischen Seiten
eines möglichen Kompromisses beschränkt sein.
Hinzukommen muss ein politisches Umdenken von
ähnlichem Ausmaß wie bei der Entspannungspolitik
des Westens gegenüber der Sowjetunion Ende der
1960er Jahre oder wie bei der neuen Politik der USA
gegenüber China Anfang der 1970er Jahre. Denn
eine veränderte Bedrohungslage für den Iran und
eine veränderte Bedrohungsperzeption in Teheran
sind die besten Voraussetzungen dafür, dass der Iran
nicht die „rote Linie“ überschreitet und Atombomben
baut.
Empfehlungen an die deutsche Politik
Die Politik der Sanktionen und der Isolierung des Iran
haben nur tiefer in eine Sackgasse geführt. Statt auf
weitere Sanktionen zu setzen oder gar auf vermeintliche
militärische „Lösungen“ zu schielen, muss die
Diplomatie wieder in den Mittelpunkt gerückt werden.
Denn der Iran hat keine Atombombe und es ist nicht
unvermeidlich, dass er sich Atombomben anschafft.
-
Insbesondere sollte sich Deutschland dafür einsetzen,
dass auf das Angebot Ahmadinedjads zum
Stopp der Anreicherung von Uran auf 20 Prozent
im Gegenzug zur Lieferung von entsprechendem
Uran oder entsprechenden Kernbrennstäben für
die Produktion von medizinischen Isotopen im
Teheraner Forschungsreaktor eingegangen wird.
- Deutschland sollte prüfen, wie es die Produktion
von Kernbrennstäben im Iran technisch unterstützen
könnte.
- Ein Außenministerbesuch in Teheran, eventuell
in Absprache mit anderen EU-Staaten oder der
Türkei, Brasilien etc., könnte nützlich sein, um einer
weiteren Eskalation vorzubeugen und die Tür für
diplomatische Lösungen wieder zu öffnen.
- Deutschland sollte seine guten Beziehungen zu
den USA und den anderen EU-Ländern nutzen,
um einen Paradigmenwechsel in der Iran-Politik
anzustoßen.
- Deutschland sollte sich weiterer Sanktionen enthalten,
da sie bestenfalls nutzlos, schlimmstenfalls
eskalationsfördernd sind.
- Deutschland sollte erneut deutlich machen, dass
es jegliche militärische „Lösung“ ablehnt. Angesichts
der innenpolitischen Diskussionen in Israel
wie in den USA – dort im Zusammenhang mit
den kommenden Präsidentschaftswahlen – sollte
diese Positionierung unmissverständlich und klar
sein. Die militärische „Lösung“ gehört vom Tisch,
weil sie die Suche nach für beide Seiten akzeptable
Kompromisse behindert.
Auszüge aus: BICC Focus, Dezember 2011; www.bicc.de [externer Link]
Mit freundlicher Genehmigung des BICC.
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