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USA schüren Angst vor Irans Bombe

Washington will militärischen Druck im Persischen Golf erhöhen *

Während IAEA-Experten in Teheran versuchen, neue Atomverhandlungen in Gang zu bringen, schüren die USA die Angst vor einer iranischen Atombombe - sie könne schon binnen eines Jahres gebaut werden.

Vor einem Jahr waren die 16 USA-Geheimdienste zu dem Schluss gekommen, dass die Führung in Teheran noch keine Entscheidung getroffen habe und gespalten sei. Experten wiesen wiederholt darauf hin, dass zudem die technischen Voraussetzungen für eine einsatzfähige Nuklearwaffe längst nicht gegeben seien. Selbst der Mossad-Chef nannte unlängst im Londoner »Guardian« die Haltung israelischer Politiker in diesem Zusammenhang obsessiv; er schätze die iranische Gefahr keineswegs so groß ein.

Doch Pentagon-Chef Leon Panetta gießt in einem am Sonntagabend (Ortszeit) von CBS ausgestrahlten Interview Öl ins Feuer, wenn er behauptet, dass die Iraner »wahrscheinlich rund ein Jahr brauchen, um eine Bombe herstellen zu können, wenn sie sich dafür entscheiden«. Dann wären noch ein, zwei Jahre notwendig, um ein Trägersystem bereitzustellen. Stichhaltige Beweise präsentiert er allerdings ebenso wenig wie die IAEA, die im November den Verdacht geäußert hatte, Teheran lasse Kernwaffen entwickeln. Iran betont stets den zivilen Charakter seines Atomprogramms.

Wie der einstige IAEA-Direktor Hans Blix am Wochenende in einem Interview analysierte, »werden sich die Iraner davor hüten, irgendetwas zu unternehmen, was eine militärische Reaktion der Gegenseite rechtfertigen könnte«. Washington hingegen errichtet neben der Verschärfung der Sanktionen auch eine militärische Drohkulisse. Wie Präsident Barack Obama in seiner jüngsten Rede an die Nation betont auch Panetta, dass in Sachen Iran »alle Optionen« auf dem Tisch seien.

So wolle man laut »Washington Post« eine mobile maritime Operationsplattform in Nahost errichten, von der aus Spezialkräfte mit Hochgeschwindigkeitsbooten und Helikoptern zu Einsätzen starten sollen. Deshalb werde ein altes Kriegsschiff umgebaut, das ab diesem Sommer im Persischen Golf stationiert werden könnte. Zugleich drängt das Pentagon auf die Entwicklung konventioneller Bomben mit stärkerer Durchschlagskraft, sogenannte Bunkerbrecher. Diese »Massive Ordnance Penetrators« sollen stark befestigte Atomanlagen wie in Iran auch tief unter der Erde zerstören können.

* Aus: neues deutschland, 31. Januar 2012


Sackgasse

Von Olaf Standke **

Außenpolitik spielte in Barack Obamas jüngster Rede zur Lage der Nation angesichts der riesigen wirtschaftlichen und sozialen Probleme der Supermacht nur eine vergleichsweise marginale Rolle. Am Thema Iran allerdings kam der USA-Präsident nicht vorbei. Und mit der Formel, alle Optionen seien auf dem Tisch, hat auch er die Möglichkeit eines Militärschlags gegen iranische Atomanlagen nicht ausgeschlossen. Denn wenn ihn die republikanische Seite im Wahljahr 2012 auf dem Feld der internationalen Politik angreift, dann spielt Iran dabei die Hauptrolle. Zu lasch sei sein Umgang mit Teheran, man müsse viel aggressiver vorgehen, sei Irans angebliches Streben nach Nuklearwaffen doch die größte Bedrohung für die USA.

Das und die nach zähem Ringen vereinbarte aktuelle Visite von Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde in Teheran bilden den Hintergrund für das jüngste Fernsehinterview mit Leon Panetta. Darin schürt der Pentagon-Chef nicht nur die Angst vor einer iranischen Atombombe, die viel schneller als bisher gedacht, nämlich schon in einem Jahr, kommen könne; er droht auch mit militärischen Mitteln, um die Bombe zu verhindern. So steht in den nächsten Wahlkampfmonaten auch die Frage, ob sich Obama in eine politische Sackgasse drängen lässt, in der am Ende nur noch das Schwert in Frage zu kommen scheint, um den gordischen Knoten zu lösen.

** Aus: neues deutschland, 31. Januar 2012 (Kommentar)


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