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Iran will reden

Präsident Ahmadinedschad bietet Ende der Urananreicherung an

Von Knut Mellenthin *

Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat am Dienstag (4. Okt.) im staatlichen iranischen Fernsehen das Angebot erneuert, die Anreicherung von Uran auf 20 Prozent zu beenden, wenn sein Land Gelegenheit bekomme, das Material ganz normal im Ausland zu kaufen. Den gleichen Vorschlag hatte Irans Präsident bereits in einem Interview mit der New York Times gemacht, das am 21. September veröffentlicht wurde. Die US-Regierung reagierte auf die Offerte wie üblich mit provozierendem Desinteresse. Die Sprecherin des Außenministeriums, Victoria Nuland, ätzte, Ahmadinedschad mache »eine Menge leerer Versprechungen«, und »aus unserer Sicht sieht das wie ein Ablenken von den wirklichen Themen aus«.

Das Problem ist mittlerweile zwei Jahre alt. Im Sommer 2009 hatte Iran bei der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA sein dringendes Interesse angemeldet, Brennelemente aus 20prozentigem Uran zu erwerben. Benötigt werden sie für den Betrieb eines Reaktors in Teheran, den der Iran noch zur Zeit der Schah-Diktatur von den USA erhalten hatte. Iran hatte zuletzt in den 90er Jahren Brennmaterial aus Argentinien bezogen, aber dieses wird demnächst aufgebraucht sein. Einziger Zweck der unter ständiger Kontrolle der IAEA stehenden Anlage ist die Produktion von Isotopen, die zur Behandlung von mehreren hunderttausend Krebspa­tienten dienen.

Nach dem Atomwaffensperrvertrag und den Statuten der Behörde wäre es selbstverständlich gewesen, dem Iran bei dem angestrebten Geschäft behilflich zu sein. Statt dessen brachte die US-Regierung in enger Kooperation mit Rußland im Oktober 2009 den sogenannten Fuel Swap ins Gespräch: Iran sollte 1200 Kilogramm schwach, das heißt auf rund 3,5 Prozent angereichertes Uran im Tausch gegen 120 Kilogramm zwanzigprozentiges Uran liefern, und dieses sollte dann in Frankreich zu Brennplatten verarbeitet werden. Die geforderte Menge entsprach damals ungefähr 70 Prozent der Bestände, die Iran in der Anreicherungsanlage von Natanz produziert hatte. Aus 3,5prozentigem Uran werden Brennstäbe für den Betrieb von Atomkraftwerken hergestellt. Waffenfähiges Uran hat einen Anreicherungsgrad von ungefähr 90 Prozent.

Teheran war grundsätzlich zu dem Austausch bereit. Streitpunkt war lediglich die Forderung, daß Iran mit seiner Lieferung in Vorleistung treten und mindestens ein Jahr auf die Brennplatten warten sollte, ohne eine wirksame Garantie zu haben, diese am Ende auch wirklich zu erhalten, und nicht wieder einmal, wie so oft seit der islamischen Revolution von 1979, als Betrogener dazustehen. Die Gegenseite beharrte jedoch darauf, daß Iran den »Vorschlag« unverändert annehmen müsse.

Im Mai 2010 präsentierte Ahmadinedschad gemeinsam mit seinen Kollegen aus Brasilien und der Türkei ein neues Angebot: Das schwach angereicherte Uran sollte in die Türkei geschafft werden und dort unter Kontrolle der IAEA, aber als iranisches Eigentum, bis zum Abschluß des Tauschgeschäfts, also bis zur Lieferung der Brennplatten für den Teheraner Reaktor, gelagert werden. Auch dieser Vorschlag wurde von den USA und Rußland abgelehnt – und kurz darauf mit der vierten Sanktionsresolution des UN-Sicherheitsrats quittiert.

Im Februar 2010 begann Iran gezwungenermaßen selbst, Uran auf 20 Prozent anzureichern. Dem Vierteljahresbericht der IAEA vom 2.September zufolge wurden seither 70,8 Kilogramm des Materials produziert, aber noch nicht zu Brennplatten verarbeitet. Ob Iran diese Technik wirklich schon beherrscht, ist ungewiß.

* Aus: junge Welt, 7. Oktober 2011


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