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Iran: Chronik wichtiger Ereignisse

Dezember 2004

Mittwoch, 1. Dezember, bis Sonntag, 5. Dezember
  • Inspekteure der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) haben den Iran aufgefordert, ihnen Zugang zu zwei verdächtigen Militäranlagen zu gewähren. Auf Satellitenfotos sei zu sehen, dass auf den Geländen hochexplosive Sprengstoffe getestet wurden, wie sie auch zum Zünden von Atombomben genutzt werden, berichtete die "New York Times" am 2. Dez. unter Berufung auf Diplomaten in Wien. Dokumente belegten zudem den Kauf von Ausrüstung, die für die Anreicherung von Uran genutzt werden kann. Bei den verdächtigen Anlagen handele es sich um den Parschin-Militärkomplex südöstlich von Teheran und um Lawisan II nordöstlich von Teheran, hieß es in dem Zeitungsbericht.
  • Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) hat nach eigenen Angaben ausreichenden Zugang zu verdächtigen Militäranlagen im Iran. IAEA-Chef Mohamed ElBaradei sagte der Nachrichtenagentur AFP am 4. Dez., seine Behörde habe auf Anfrage Einlass in jede Einrichtung erhalten. Einzige Ausnahme sei der verdächtige Parschin-Militärkomplex südöstlich von Teheran. ElBaradei betonte jedoch: "Ich habe allen Grund zu der Annahme, dass der Iran uns Zutritt gewähren wird." IAEA-Inspekteure hatten den Iran Medienberichten zufolge jüngst um Zugang zu zwei verdächtigen Anlagen gebeten, darunter zum Parschin-Komplex.
  • In der Provinz Kurdistan im Westen Irans sind am 5. Dez. fünf mutmaßliche Mitglieder der Terrororganisationen El Kaida und Asar el- Islam festgenommen worden. Die Provinz grenzt an den Irak. Nach Angaben der Zeitung "Iran" sollen die Männer nun zur weiteren Vernehmung in die Hauptstadt Teheran gebracht werden. In Iran sind Berichten zufolge seit dem Sturz des Taliban-Regimes in Afghanistan 2001 mehr als 500 mutmaßliche El-Kaida-Mitglieder festgenommen worden. Iran lehnt es ab, die Verdächtigen an die USA zu übergeben.
  • Die iranische Regierung hat für die kommende Woche ein Treffen mit der EU-Troika zur Umsetzung des Atom-Abkommens angekündigt. Der iranische Sicherheitsbeauftragte und Atom-Verhandlungsführer Hassan Rohani sagte am 7. Dez., er werde sich "in einer europäischen Hauptstadt" mit den Außenministern Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens sowie dem EU-Außenbeauftragten Javier Solana treffen. Auch der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Mohamed ElBaradei, werde auf eigenen Wunsch hin teilnehmen. Die französische Regierung hatte das Treffen bereits in der vergangenen Woche angekündigt; demnach soll es "um den 15. Dezember herum" stattfinden.
  • Der Irak und Jordanien haben dem Iran Beeinflussung der für Ende Januar geplanten Wahlen vorgeworfen. Teheran wolle eine Islamische Republik Irak, daher beeinflussten sie die Wahlen, um eine möglichst Iran-freundliche Regierung in Bagdad zu bekommen, sagten der irakische Präsident Ghasi Jawar und der jordanische König Abdullah II. der "Washington Post" vom 8. Dez. Unter anderem überweise Teheran hohe Geldbeträge in das Nachbarland.
  • Die USA haben einem Zeitungsbericht zufolge die Telefonate des Chefs der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Mohamed ElBaradei, mit iranischen Diplomaten abgehört. Die Lauschaktionen seien Teil einer systematischen Kampagne zur Absetzung des IAEA-Chefs, berichtet die "Washington Post" am 12. Dez. unter Berufung auf US-Beamte mit Zugang zu den Abhörprotokollen. Grund für das Vorgehen sei, dass zahlreiche Mitglieder der US-Regierung ElBaradei einen zu weichen Kurs gegenüber Teheran vorwerfen. Die abgehörten Gespräche hätten keine Anhaltspunkte auf ein "Fehlverhalten" gegeben.
  • Wegen des Verdachts auf ein illegales Millionengeschäft mit dem Iran hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart eine Razzia beim Automobilkonzern DaimlerChrysler veranstaltet. Die Fahnder hätten am 30. November Büroräume in der Stuttgarter Konzernzentrale und im Lkw-Werk im rheinland-pfälzischen Wörth durchsucht, sagte eine DaimlerChrysler-Sprecherin am 12. Dez. und bestätigte damit einen entsprechenden Bericht des Magazins "Focus". 453 Lkw, die offiziell nach Saudi-Arabien verkauft wurden, sollen demnach tatsächlich in den Iran verschoben worden sein. Dort könnten sie nach Ansicht von Militärexperten für Kriegszwecke umgerüstet werden.
Montag, 13. Dezember, bis Sonntag, 19. Dezember
  • Die Außenminister von Deutschland, Großbritannien und Frankreich eröffneten am 13. Dez. in Brüssel Verhandlungen mit dem Iran über einen dauerhaften Stopp des iranischen Atomprogramms. Das EU-Trio will die Regierung in Teheran dazu bringen, anstelle der derzeitigen vorübergehenden Aussetzung einen vollständigen Verzicht auf die Urananreicherung zu erklären. Im Gegenzug für einen Verzicht auf die Anreicherung von Uran will die EU unter anderem die Bewerbung des Iran für die Welthandelsorganisation (WTO) unterstützen sowie den Austausch nicht-militärischer Nukleartechnologie fördern. Teheran schraubte die Hoffnungen auf eine baldige Einigung aber herunter: Eine dauerhafte Aussetzung der Urananreicherung stehe nicht zur Debatte, erklärte das Außenministerium. Die Verhandlungen in Brüssel sind auf mehrere Monate angesetzt.
  • Der iranische Verhandlungsführer Hassan Rohani hat den Beginn neuer Atom-Verhandlungen mit der europäischen Troika als "neues Kapitel" in den Beziehungen zwischen dem Iran und der EU begrüßt. Wenn beide Parteien die Verhandlungen "in gutem Glauben" fortsetzten, würden beide auch "eine neue Etappe" erreichen, sagte Rohani am 14. Dez. nach einem Treffen mit dem deutschen, dem französischen und dem britischen Außenminister in Brüssel.
  • Der irakische Verteidigungsminister Hasem Schaalan hat den Iran für Terroranschläge im Irak verantwortlich gemacht. Teheran sei "Drahtzieher eines großen Terrornetzwerks" im Irak, sagte der schiitische Minister am 15. Dez. auf einer Pressekonferenz in Bagdad. Das Nachbarland sei der "gefährlichste Feind des Irak und aller Araber". "Der Terrorismus im Irak wird vom iranischen und syrischen Geheimdienst sowie den Anhängern von Saddam Hussein in Zusammenarbeit mit (dem jordanischen Extremisten Abu Mussab) El Sarkawi gesteuert", fügte Schaalan hinzu. Für die "Finanzierung und Ausbildung der Terroristen" sei außer Iran auch Syrien verantwortlich.
    US-Präsident George W. Bush hat den Iran und Syrien gewarnt, sich in die "inneren Angelegenheiten" des Irak einzumischen. Beiden Ländern solle weiter deutlich gemacht werden, dass eine solche Einmischung "nicht in ihrem Interesse" sei, sagte Bush am 15. Dez. bei einem Treffen mit dem italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi in Washington. Der irakische Verteidigungsminister Hasem Schaalan hatte den Iran zuvor für Terroranschläge im Irak verantwortlich gemacht. Der Terrorismus im Irak werde vom iranischen und syrischen Geheimdienst gesteuert.
  • Der Iran hat nach Angaben der Vereinten Nationen vier Bankkonten des afghanischen Kriegsfürsten Gulbuddin Hekmatjar eingefroren. Zudem habe die Regierung in Teheran mehrere Al-Kaida-Mitglieder festnehmen lassen, teilte ein Komitee des UN-Sicherheitsrats zur Überwachung der Sanktionen gegen Al Kaida und die Taliban am 17. Dez. mit. Die Sanktionen richten sich gegen 115 Gruppen und 318 Einzelpersonen, die mit Al Kaida oder den Taliban in Verbindung stehen sollen.
  • Ein US-Angriff auf den Iran hätte nach Ansicht des ägyptischen Staatschefs Husni Mubarak einen Flächenbrand zur Folge. "Dann würden Terror und Gewalt überall im Nahen Osten - und wenig später auch in der Welt - alles Bisherige in den Schatten stellen", sagte Mubarak dem "Spiegel" am 18. Dez. Er warnte Washington eindringlich vor einer militärischen Intervention zur Zerstörung des Teheraner Atomprogramms. "Dies wäre ein Fehler von katastrophalem Ausmaß. Ich hoffe nicht, dass es dazu kommt."
Montag, 20. Dezember, bis Freitag, 31. Dezember
  • Ein Jahr nach dem schweren Erdbeben in der Region um die iranische Stadt Bam sind nach Angaben des Internationalen Roten Kreuzes noch immer tausende traumatisierte Menschen ohne psychologische Hilfe. Die Betroffenen litten unter Schlafstörungen und scheiterten teils an einfachen tägliche Arbeiten, heißt es in einer am 20. Dez. veröffentlichten Erklärung der Hilfsorganisation. Auch gebe es mehr häusliche Gewalt und Drogensüchtige. Bam liegt an der Drogen-Route von Pakistan und Afghanistan in den Westen.
  • Der Iran hat unter Hinweis auf die Sicherheitslage seine Grenze zum Irak geschlossen. Iranischen Pilgern sei es aus Sicherheitsgründen verboten, die heiligen Stätten im Irak aufzusuchen, meldete am 22. Dez. die amtliche iranische Nachrichtenagentur Irna unter Berufung auf die Sicherheitskräfte.
  • Der iranische Außenminister Kamal Charrasi hat den Vorwurf der Einmischung im Nachbarland Irak zurückgewiesen. "Der Iran hat nicht einen Soldaten im Irak", sagte Charrasi am 23. Dez. bei einem Besuch in der libanesischen Hauptstadt Beirut. Wenn der Iran Einfluss in irgendeinem Land habe, sei dies nicht gleichzusetzen mit Einmischung. "Der Irak ist ein arabisches Land und sein Schicksal liegt in den Händen des irakischen Volkes", betonte Charrasi.
  • Nach Protesten einer Menschenrechtsorganisation ist im Iran die Steinigung einer Ehebrecherin vorerst ausgesetzt worden. Zunächst solle nun die Entscheidung der Begnadigungskommission abgewartet werden, zitierte die reformorientierte Tageszeitung "Tossee" am 23. Dez. einen Justizmitarbeiter. Die Zeitung machte keine Angaben dazu, ob allein die Steinigung oder das Todesurteil an sich zeitweise aufgehoben wurde.


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