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Iran: Chronik wichtiger Ereignisse

Mai/Juni 2003

Mai 2003

Im Kampf gegen den Terrorismus haben die USA den Druck auf Iran erhöht und in Teheran ein entschiedeneres Vorgehen gegen mutmaßliche Mitglieder des Terrornetzwerks El Kaida angemahnt. Eine entsprechende Aufforderung sei in den vergangenen Tagen an Teheran übermittelt worden, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Richard Boucher, am 21. Mai. Der iranischen Führung sei deutlich gemacht worden, dass Washington El-Kaida-Aktivisten in Iran vermute und ein entsprechendes Vorgehen seitens der Regierung erwarte. Iran müsse sich an internationale Vereinbarungen halten und dürfe mutmaßlichen Terroristen keine Zuflucht bieten, sagte Boucher.

Die G-8-Außenminister forderten bei ihrem Trefen am 23. Mai in Paris Teheran auf, möglichst bald ein Zusatzprotokoll mit der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO zu unterzeichnen

Der iranische Außenminister Kamal Charrasi sagte am 24. Mai der in London erscheinenden arabisch-sprachigen Zeitung "Al-Hayat", er sehe keine Notwendigkeit mit den USA den Dialog über die Nachkriegsordnung im Irak unmittelbar fortzusetzen. "Wir hatten zur Bildung einer von der Mehrheit des Volkes gestützten Regierung im Irak mit den Amerikanern einen ehrlichen Dialog begonnen, aber sie haben immer wieder ihre Meinung geändert und auch ihre Vertreter im Irak", sagte Charrasi.
Die US-Regierung hat nach einem Bericht der "Washington Post" ihre Kontakte zum Iran abgebrochen und will möglicherweise eine Destabilisierung der Regierung der islamischen Republik herbeiführen. Unter Berufung auf Regierungskreise berichtet die Zeitung am 25. Mai, der US-Regierung lägen Geheimdienstinformationen vor, wonach El-Kaida-Mitglieder im Iran bei der Planung der Selbstmordanschläge von Riad am 12. Mai beteiligt waren. Offenbar sei die US-Regierung daher nun bereit, eine "aggressivere Politik zur Destabilisierung der iranischen Regierung" zu verfolgen. Eine Regierungssprecherin in Washington mochte sich zu dem Bericht nicht äußern. Die Iran-Politik ist der Zeitung zufolge auch Thema eines Treffens im Weißen Haus am kommenden Dienstag, den 27. Mai. Vor allem Vertreter des Verteidigungsministeriums forderten öffentliche und geheime Aktionen, die letztlich zum Sturz der Regierung durch einen Volksaufstand führen könnten, zitiert das Blatt die Regierungskreise weiter. Doch auch das Außenministerium, das ursprünglich für Kontakte zum Iran votiert hatte, sei offenbar bereit, eine solche Politik mitzutragen, sollte der Iran nicht bis zum 27. Mai Maßnahmen gegen die mutmaßlichen El-Kaida-Mitglieder unternommen haben. Allerdings fürchteten die Diplomaten, dass die Unzufriedenheit der Iraner mit ihrer Regierung nicht so hoch ist wie im Verteidigungsministerium angenommen. Somit könnten die möglichen US-Aktionen letztendlich eher die Reformer im Iran in der Bevölkerung diskreditieren, meldete die "Washington Post" weiter. Reuters berichtet weiter: Die USA und Iran haben seit 1979 keine diplomatischen Beziehungen mehr. Allerdings hat es im Zusammenhang mit dem Aufbau einer Nachkriegsordnung im Irak Kontakte zwischen den beiden Ländern gegeben, die nach dem Anschlag von Riad aber der Zeitung zufolge abgebrochen wurden. Vor allem die Führung der irakischen Schiiten steht dem Iran sehr nahe und war während der Präsidentschaft von Saddam Hussein vom Iran unterstützt worden. Erst vor wenigen Wochen war Ajatollah Mohammad Baker el Hakim, Chef der größten schiitischen Oppositionsgruppe im Irak, nach 23 Jahren iranischem Exil in seine Heimat zurückgekehrt.

Bundesaußenminister Joschka Fischer ist in der vergangenen Woche mit dem iranischen Außenminister Kamal Kharrazi zusammengetroffen. Das berichtete eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes am 26. Mai in Berlin. Auf eine Frage von Journalisten nach Berichten, die Vereinigten Staaten wollten die Teheraner Regierung destabilisieren, lehnte sie einen Kommentar ab. Allerdings wiederholte sie den Appell der Bundesregierung und der Europäischen Union an alle Kräfte im Nahen Osten, nichts zur Destabilisierung der Lage zu tun und verantwortungsvoll zu agieren. Die Beziehungen der EU und damit auch Deutschlands zu Iran seien "im allgemeinen gut", sagte sie. Deshalb könnten zwischen ihnen auch "für uns kritische Punkte" angesprochen werden. Das sei bei dem Treffen zwischen Fischer und Kharrazi am Rande des G-8-Außenministertreffens in Paris geschehen. Einzelheiten nannte die Sprecherin nicht.

Der iranische Präsident Khatami hat die islamische Welt zur Distanz von Terrorismus und Fanatismus aufgerufen. Der Terrorismus habe die respektablen Konzepte von Freiheit und Demokratie lächerlich gemacht, sagte Khatami zur Eröffnung eines dreitägigen Aussenminister-Treffens der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) am 28. Mai in Teheran. Khatami befürwortete, die Palästinenser in ihrem Widerstand gegen die israelische Besatzung weiter zu unterstützen. Dies sei ein klares Beispiel für eine "Befreiungsbewegung". Die Friedensgespräche zwischen Israel und den Palästinensern lehne Iran jedoch ab, sagte Khatami. Ein gerechter Friede könne nur nach der Rückkehr aller palästinensischen Flüchtlinge und einem Volksentscheid über die Zukunft Israels und Palästinas erreicht werden. Khatami rief die OIC und alle anderen "friedliebenden" Nationen auf, den Irak beim Wiederaufbau zu unterstützen und betonte das Recht der Iraker, ihre politisches System selbst zu bestimmen.

Der Iran hat am 28. Mai Vorwürfe der USA zurückgewiesen, er betreibe geheime Atomanlagen und verfüge über Verbindungen zur El Kaida des Moslemextremisten Osama bin Laden. Der Sprecher des Außenministeriums, Hamid Resa Asefi, warf den USA am Mittwoch vor, beim Kampf gegen den Terrorismus mit zweierlei Maß zu messen. Die USA hatten die vom Iran gemeldete Festnahme mutmaßlicher El-Kaida-Mitglieder als unzureichend bezeichnet und ihn erneut aufgefordert, alle Strukturen der Gruppe im Land zu zerschlagen. Der Sprecher im US-Präsidialamt, Ari Fleischer, hatte am 27. Mai gesagt, die berichteten Festnahmen änderten nichts an der Besorgnis darüber, dass sich ranghohe El-Kaida-Mitglieder im Iran aufhielten.

Die USA haben einem russischen Zeitungsbericht zufolge einen militärischen Angriff auf Iran vorbereitet. Der Militäreinsatz solle von Irak aus sowie von Stützpunkten in Georgien und Aserbaidschan aus geführt werden, berichtete die Zeitung "Nesawissimaja Gaseta" am 29. Mai unter Berufung auf Diplomatenkreise. Der Einsatz solle einen von Washington erwarteten Volksaufstand gegen die iranische Führung unterstützen. Bei einem Treffen im Weißen Haus sollte demnach noch am Donnerstag der Termin für den Beginn des Einsatzes festgelegt werden. Die USA hatten in den vergangenen Wochen den Druck auf Iran verstärkt. Washington wirft Teheran vor, Mitglieder des Terrornetzwerks El Kaida zu beherbergen und an der Atombombe zu arbeiten. (AFP)
US-Präsident George W. Bush hat Berichte über angeblich bereits geplante Angriffe auf Iran und Syrien als "reine Spekulation" zurückgewiesen. Auch in Irak hätten die USA schließlich erst "nach einer langen Phase der Diplomatie" militärische Gewalt angewendet, sagte Bush in einem am 30. Mai ausgestrahlten Interview mit dem staatlichen russischen Fernsehsender Rossija. "Die Leute lieben es, über die US-Ziele und unser Militär zu spekulieren", fügte der Präsident vor seinem Besuch in Polen und Russland hinzu. Die russische Zeitung "Nesawissimaja Gaseta" hatte am 29. Mai unter Berufung auf Diplomatenkreise berichtet, ein US-Angriff auf Iran sei bereits beschlossene Sache.

Die iranische Regierung hat amerikanische Vorwürfe über eine Einmischung im benachbarten Irak energisch zurückgewiesen. Im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" warf Außenminister Kamal Charrasi am 31. Mai Washington blanke "Unkenntnis" der Verhältnisse in Bagdad vor. Im Irak laufe es nicht so, wie sie es sich gewünscht hätten. Die USA suchten jetzt nach Schuldigen. Charrasi bezeichnete die US-Soldaten im Irak als Besatzer. Washingtons Anschuldigungen, sein Land beherberge führende El-Kaida-Mitglieder, wies er empört zurück.

1. bis 15. Juni 2003

In der Beurteilung des iranischen Atomprogramms sind sich US-Präsident George W. Bush und Russlands Präsident Wladimir Putin offenbar näher gekommen, ohne jedoch einen Durchbruch zu erzielen, meldete Reuters am 1. Juni. Nach Gesprächen in St. Petersburg sagte Putin am 1. Juni, in der Iran-Frage "sind sich beide Länder näher als es scheint." Allerdings bot er nicht an, wie von den USA gewünscht, die russische Hilfe beim Bau eines iranischen Atomkraftwerks zu stoppen. Bush sagte, beide Länder seien entschlossen, gegen die Gefahr der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen vorzugehen.

Die USA suchen beim G-8-Gipfel Unterstützung für ihre harte Linie gegen Iran. So bekräftigte kurz vor Beginn des Treffens am 1. Juni im französischen Evian US-Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice die Vorwürfe, Iran unterstütze den Terrorismus im Nahen Osten und entwickle Nuklearwaffen. "Wir müssen handeln. Wir dürfen nie wieder in die gleiche Situation kommen wie im Irak", sagte sie dem "Handelsblatt". Der Gastgeber des G-8-Treffens, der französische Staatspräsident Jacques Chirac, teilt die amerikanischen Bedenken. "Iran muss sich zu der Besorgnis der Welt äußern", sagte Catharina Colonna, die Sprecherin Chiracs am Sonntag in Evian. "Wir haben eine Botschaft, die sich der der USA nähert."
Die G-8-Staaten haben sich am 3. Juni beunruhigt über das "fortgeschrittene Atomprogramm" Irans geäußert. Uneinigkeit bestand aber offenbar über die möglichen Konsequenzen. US-Kreise sagten, die Erklärung des G-8-Gipfels schließe den Einsatz von Gewalt nicht aus. Ein hoher Regierungsvertreter in Washington ließ sich vernehmen, die G-8-Erklärung lasse "falls nötig" den Einsatz "anderer Mittel" bei Verstößen gegen die Vereinbarungen zur Nichtweiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen zu. Deutschland, Russland, Frankreich und Kanada widersprachen dieser Darstellung. Bundeskanzler Schröder sagte, nach Einschätzung des G-8-Gipfels werde es keinen zweiten "Fall Irak" in Nordkorea oder im Iran geben: "Nach Auskunft aller Teilnehmer ist das ausgeschlossen", sagte Schröder. Russland forderte den Iran auf, bis zum 16. Juni alle Zweifel über sein Atomprogramm zu zerstreuen und Kontrollen zuzulassen.

Das geistliche Oberhaupt Irans, Ayatollah Ali Khamenei hat die US-Vorwürfe gegen sein Land am 4. Juni als "schamlose Lüge" zurückgewiesen. Khamenei warnte die USA, ein Angriff auf Iran wäre ein "Akt des Selbstmords".

Die USA sind entschlossen, den Besitz und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen weltweit notfalls auch mit Gewalt zu unterbinden. "Unser Ziel ist nicht nur, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen zu verhindern, sondern auch, solche Waffen zu vernichten oder zurückzudrängen, die bereits im Besitz von Schurkenstaaten oder Terrorgruppen sind", sagte der Staatssekretär im US-Außenministerium, John Bolton am 5. Juni. Um diese Ziel durchzusetzen, würden die USA zu Wirtschaftssanktionen, Beschlagnahmungen und "wenn nötig Präventivschlägen" greifen.

Die USA haben den jüngsten Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zu Iran als "sehr beunruhigend" bezeichnet. Außenamtssprecher Richard Boucher sagte am 6. Juni, der Bericht biete "wichtige Einblicke" in das iranische Atomprogramm und müsse von allen Mitgliedstaaten sorgfältig geprüft werden. In einem von der IAEA am selben Tag in Wien veröffentlichten Bericht heißt es, Iran habe gegen den Atomwaffensperrvertrag verstoßen und die UN-Behörde nicht ausreichend über sein Atomprogramm unterrichtet. Teheran habe aber damit begonnen, die Berichte nachzureichen. Das IAEA-Direktorium will ab dem 16. Juni in Wien über Iran beraten.
Experten der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) sind am 6. Juni nach Teheran aufgebrochen, um mit der Bestandsaufnahme der iranischen Atomaktivitäten zu beginnen.

Iran ist bereit, ein Protokoll über die Rückgabe verbrauchter Uranbrennstäbe an Russland zu unterzeichnen. Das sagte der iranische Botschafter in Moskau, Gholam-Reza Schafei, nach Meldungen der staatlichen iranischen Nachrichtenagentur IRNA am 6. Juni. Iran möchte von Russland Brennstäbe für ein Atomkraftwerk geliefert bekommen. Im Gegenzug erwartet Moskau, dass sich Iran verpflichtet, die Brennstäbe nach Gebrauch zurückzugeben. So soll verhindert werden, dass daraus Plutonium für Atombomben gewonnen werden kann.
Die Internationale Atomenergie-Organisation soll nach dem Willen Irans ihren geheimen Bericht zum umstrittenen Atomprogramm der islamischen Republik offen legen. Sein Land habe nichts zu verbergen, sagte der Chef der iranischen Atomenergiebehörde, Gholam-Reza Aqazadeh am 8. Juni.

Die USA wollen die Bevölkerung Irans zu verstärkter Opposition gegen ihre Regierung ermuntern. Ein Angriff auf den islamischen Gottesstaat sei hingegen nicht geplant, sagte US-Außenminister Colin Powell am 8. Juni. "Ein Regimewechsel steht zurzeit nicht auf unserer Liste", sagte Powell dem Fernsehsender CNN. Es sei an der iranischen Bevölkerung, über die Zukunft ihres Landes zu entscheiden. "Was wir tun müssen, ist: Den Iranern zeigen, dass es da draußen eine bessere Welt gibt, die auf sie wartet."

Die Regierung in Teheran will sich zu allen Aspekten des geheimen Berichts der internationalen Atomenergiebehörde IAEO zum umstrittenen iranischen Atomprogramm äußern. "Wir haben keine Einwände gegen eine Veröffentlichung des Berichts der IAEO, da wir überzeugende Angaben zu jedem darin enthaltenen Punkt machen können", sagte Außenamtssprecher Hamid-Resa Assefi am 9. Juni in Teheran. Zu Vorwürfen, Iran habe die Einfuhr von Uran nicht gemeldet, sagte Assefi, das Uran sei vor zwölf Jahren importiert worden. Nach iranischer Auffassung sei dies nicht meldepflichtig. Der unveröffentlichte IAEO-Bericht habe keine Straftaten ans Licht gebracht. Bei der nicht gemeldeten Einfuhr von Uran handele es sich stattdessen um eine "Nachlässigkeit", über die man nun reden müsse.

Iranische Atomexperten sind einem Pressebericht zufolge mehrfach heimlich nach Nordkorea gereist, um sich dort Methoden des Verbergens von Atomprogrammen erklären zu lassen. Die iranischen Wissenschaftler hätten für das Erlernen von Tricks bezahlt, mit denen internationale Inspektorenteams getäuscht werden könnten, berichtete am 11. Juni die japanische Zeitung "Sankei", die für ihre guten Geheimdienstquellen über Nordkorea bekannt ist. Vermutlich sei es auch um eine "Zusammenarbeit bei der atomaren Entwicklung" gegangen. Zwei Iraner seien im März zu mehrtägigen Gesprächen in das kommunistische Land gereist. Ein Experte sei im April dort gewesen, zwei weitere hätten sich im Mai zehn Tage in Nordkorea aufgehalten.

Nach einer Großdemonstration iranischer Studenten in Teheran haben die Sicherheitsdienste des Landes rund 100 Demonstranten und Regimekritiker festgenommen. Mehr als 1.500 Iraner hatten in der Nacht zum 11. Juni auf der größten Demonstration seit Monaten Reformen in der Islamischen Republik gefordert. Die Demonstranten warfen den mächtigen Geistlichen vor, Freiheiten zu beschränken. Auch forderten sie den Rücktritt des moderaten Präsidenten Mohammad Khatami. Die Kundgebung, so berichtete die Frankfurter Rundschau (12.06.2003), begann als Versammlung von Studenten, die gegen die Privatisierung der Universitäten protestierten. Dann strömten immer mehr Menschen dazu. Viele der Demonstranten waren dem Protestaufruf von in den USA ansässigen Exil-Sendern gefolgt. Anwohner sagten, die Slogans, die die Demonstranten diesmal riefen, seien die radikalsten seit den Unruhen vor vier Jahren. "Die politischen Gefangenen müssen befreit werden", rief die Menge nahe der Universität. "Ich habe im Fernsehen gehört, dass sich die Studenten versammelt haben", sagte eine 46-jährige Frau. "Ich bin gekommen, um (US-Außenminister) Colin Powell zu sagen, dass wir einen Wandel wollen." Powell hatte am 8. Juni im US-Fernsehsender CNN gesagt, seine Regierung arbeite daran, die iranische Bevölkerung zu überzeugen, ihr Land von innen heraus zu verändern. Damit würde Iran ein weniger störendes Mitglied der Weltgemeinschaft. Unter den Verhafteten waren auch 19 Mitglieder einer angeblich von den USA unterstützten Gruppierung. Die Gruppe sei von den USA geschaffen und finanziert worden, um "Chaos" in politische Kreise des Iran zu bringen, sagte der iranische Informationsminister Ali Junesi. Das staatliche Fernsehen berichtete, US-Senatoren hätten die Proteste begrüßt. Irans Außenminister Kamal Kharrasi warnte die USA davor, die iranische Jugend gegen die Regierung aufzuhetzen. Beobachter rechnen mit weiteren Unruhen vor dem Jahrestag der Studentenunruhen 1999 Anfang Juli. Es herrsche ein enormer politischer und sozialer Druck in der iranischen Gesellschaft, hieß es.
Nach zweitägigen Studentenprotesten hat der geistliche Führer Irans, Ayatollah Ali Chamenei, am 12. Juni indirekt harte Schritte gegen die Demonstranten angedroht. In einer Rede bezog sich Chamenei auf die Unruhen im Jahr 1999, als Sicherheitskräfte und Anhänger des Ayatollahs mit harter Hand gegen demonstrierende Studenten vorgingen. Dabei kam mindestens ein Student ums Leben. "Wenn die iranische Nation sich entschließt, sich mit den (gegenwärtigen) Aufrührern zu befassen, wird es das in der Art des 14. Juli 1999 tun", sagte Chamenei.

Zwischen den USA und Europa droht nach Einschätzung des deutschen Botschafters in Washington, Wolfgang Ischinger, ein heftiger Streit über das Atomprogramm des Iran. "Wir brauchen hier dringend einen Dialog", sagte Ischinger am 13. Juni auf einer Veranstaltung der Alfred-Herrhausen-Gesellschaft in Berlin. "Ein Streit mit Amerika über Iran könnte die transatlantischen Beziehungen noch wesentlich stärker belasten als dies der Irak-Krieg bereits getan hat." Aus Sicht der amerikanischen Regierung müsse Europa darstellen, welchen Preis es zahlen wolle, um die Regierung in Teheran zu zwingen, ihr Atomprogramm offenzulegen. "Washington beobachtet beim Thema Iran jeden Schritt, den die Europäer tun oder nicht tun", sagte der Botschafter. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hatte dem Iran am 11. Juni vorgeworfen, sich in kurzer Zeit Atomwaffen verschaffen zu wollen. "Amerika will die Welt ändern und hat die Mittel dazu", so Ischinger. Besonders der NATO drohe eine Existenzkrise. Von den Europäern werde das Verteidigungsbündnis für gemeinsame politische Entscheidungen gesehen. "Die USA dagegen nutzen die NATO zur Umsetzung von strategischen Entscheidungen, die zuvor bereits in Washington getroffen worden sind", sagte der Botschafter.

Am Abend des 13. Juni kam es in Teheran erneut zu zahlreichen Zusammenstößen. Staatliche Sicherheitskräfte und regimetreue selbst ernannte Wachleute feuerten Schüsse in die Luft und setzten Tränengas und Schlagstöcke ein. Augenzeugen zufolge gingen Sicherheitskräfte gegen hunderte Menschen vor, darunter viele Schaulustige. Was die Zusammenstöße auslöste, war zunächst unklar. Im Unterschied zu den drei vorhergehenden Tagen waren keine organisierten Proteste zu sehen.
In der Nacht zum 14. Juni stürmten militante Anhänger von Ayatollah Ali Chamenei Studentenwohnheime in der iranischen Hauptstadt, wie Bewohner berichteten. Sie hätten schlafende Studenten angegriffen und mehrere von ihnen festgenommen. Mehr als 50 Studenten seien verletzt worden, zwei Dutzend Studierende seien seit dem Angriff verschwunden. Am Morgen beruhigte sich die Lage. Das Innenministerium nahm zu den Vorfällen nicht Stellung.
Ein in den USA ansässiger Fernsehsender von Exil-Iranern berichtete am 14. Juni von Zusammenstößen auch in der zentral-iranischen Stadt Isfahan. Der Zorn der Demonstranten richtet sich danach gegen den konservativen Klerus wie auch gegen die reformorientierte Regierung. Viele Iraner hätten den Glauben daran verloren, dass Präsident Mohammad Chatami seine angekündigten Reformen in der islamischen Republik durchsetzen kann.

Tausende Iraner haben am 15. Juni erneut gegen die geistliche Führung ihres Landes demonstriert. Bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Anhängern der konservativen geistlichen Führung in Iran ist laut Medienberichten ein Demonstrant getötet worden. Der Mann starb der Zeitung "Nasim-e-Saba" zufolge, nachdem er am 13. Juni in der Stadt Schiras von selbst ernannten Sicherheitskräften angegriffen worden war. Auch in Teheran eskalierte die Lage. Nach dem Sturm militanter Regime-Anhänger auf Studentenwohnheime griff die Justiz jedoch überraschend durch. Dutzende Personen wurden nach Berichten des staatlichen Rundfunks festgenommen. Damit wollte sich die ebenfalls von Hardlinern kontrollierte Justiz nach Ansicht von Beobachtern offenbar der Kritik entgegenstellen, sie decke die Gewalt von militanten Gefolgsleuten des Klerus. Der Rundfunk meldete, die festgenommenen Militanten würden für Angriffe auf die Studentenwohnheime verantwortlich gemacht. Bei den meisten handele es sich um Unruhestifter, die der Polizei bereits zuvor aufgefallen seien. Bislang sind Justiz und Polizei meist nicht gegen die selbst ernannten Sicherheitskräfte vorgegangen, die sich als Wächter der hergebrachten Ordnung betrachten.
In ungewöhnlich scharfer Form haben Anhänger der Reformbewegung in Iran die uneingeschränkte Macht der geistlichen Führung ihres Landes kritisiert und demokratische Grundrechte eingefordert. Fast 250 Reformanhänger veröffentlichten einen offenen Brief, in dem sie die Ausübung einer "göttlichen und absoluten Macht" als "Ketzerei" bezeichneten. Das Volk habe das Recht, die Handlungen seiner Führer zu überwachen, zu kritisieren und sie abzusetzen, "wenn es unzufrieden mit ihnen ist", heißt es in dem Brief. Die Einsetzung einer "göttlichen und absoluten Macht" und die damit verbundene Einschüchterung der Menschen bedeute eine "Unterdrückung der menschlichen Würde". Zu den insgesamt 248 Unterzeichnern des Schreibens zählen reformorientierte Geistliche, liberale Oppositionspolitiker, Intellektuelle, Universitätsangehörige und Journalisten.
US-Präsident George W. Bush bezeichnete die Proteste als "positiv". Sie seien der Beginn einer Bewegung hin zu mehr Freiheit in der Islamischen Republik, sagte er auf dem Wochenendsitz der Familie Bush in Kennebunkport. Die iranische Regierung wies die Kritik der USA am gewaltsamen Vorgehen gegen die seit Tagen demonstrierenden Studenten zurück. Teheran wirft Washington vor, die Studentenunruhen zu schüren, um die iranische Regierung zu destabilisieren.
In Zusammenhang mit den anhaltenden Studentenprotesten wurden die liberalen Oppositionspolitiker Taghi Rahmani und Resa Alidschani laut Isna inhaftiert. Die Nachrichtenagentur Fars meldete zudem die Festnahme des Oppositionellen Hoda Saber. Den drei Männern wird vorgeworfen, bei einem Geheimtreffen mit Studenten deren Proteste unterstützt zu haben.

16. bis 30. Juni

Rund 2.000 Menschen haben in der Nacht zum 16. Juni nach Angaben der Studenten-Nachrichtenagentur Isna in der Stadt Mesched demonstriert. In Teheran riefen am 16. Juni laut Augenzeugen etwa 200 meist jugendliche Demonstranten Parolen gegen Khatami, den Obersten Führer Ayatollah Ali Khamenei und das Oberhaupt der Justiz, Ayatollah Haschemi Scharudi. Studenten verlangten Khatamis Rücktritt und eine Volksabstimmung über die politische Zukunft des Landes. Sie warfen Khatami vor, sein Reformkurs sei gescheitert. Als die Polizei versuchte, die Kundgebung aufzulösen, sei es zu Zusammenstößen gekommen, meldeten einige Agenturen.
Mehr als 250 Professoren und Schriftsteller forderten Khamenei auf, von der Position abzurücken, dass er der Stellvertreter Gottes auf Erden sei. Außerdem müsse er akzeptieren, dass ihn das Volk für seine Entscheidungen zur Rechenschaft ziehen könne. Der Glaube, dass ein Mensch eine göttliche Position absoluter Macht innehaben könne, stehe im Widerspruch zur Allmacht Gottes, erklärten die Intellektuellen in einer Stellungnahme, die der Nachrichtenagentur AP am 16. Juni vorlag. "Die Menschen und ihre gewählten Abgeordneten haben das Recht, ihre Regierenden zu beaufsichtigen, zu kritisieren und sie von der Macht zu entfernen, wenn sie nicht zufrieden sind", hieß es weiter. Die Erklärung wurde in der reformorientierten Zeitung Jas-e-nu veröffentlicht. Zu den 252 Unterzeichnern gehörten der Dozent Haschem Aghajari, der im vergangenen Jahr wegen der Beleidigung des Islams zum Tode verurteilt worden war. Nach Massenprotesten war Aghajaris Todesstrafe im Februar zurückgenommen worden. Auch zwei Berater von Präsident Mohammed Khatami unterzeichneten die Erklärung.
Der iranische Außenamtssprecher Hamid-Resa Assefi warf den USA vor, sich offen in die inneren Angelegenheiten Teherans einzumischen. Eine entsprechende Protestnote sei den USA zugestellt worden.
Bundesaußenminister Joschka Fischer hob angesichts der anhaltenden Demonstrationen in Teheran das "große demokratische Potenzial" des Landes hervor. "Iran hat eine große Chance, einen friedlichen demokratischen Wandel herbeizuführen", sagte er am 16. Juni in Luxemburg.

In ungewöhnlich deutlichen Worten äußerten die EU-Außenminister am 16. Juni in Luxemburg ihre "große Besorgnis" über das Verhalten Irans. Vor dem Hintergrund wachsenden Drucks der USA auf das Land, das Präsident George W. Bush zur "Achse des Bösen" rechnet, fordert die EU Teheran auf, mit der Internationalen Atomenergie Organisation (IAEO) "lückenlos zusammenzuarbeiten". Einige Teile des iranischen Atomprogramms gäben Anlass zu der Sorge, dass es sich nicht um ein rein ziviles Unterfangen handele. Die EU drängt die iranische Regierung, "ohne Vorbehalte ein Zusatzprotokoll" über eine Ausdehnung der Inspektionen mit der IAEO in Wien abzuschließen. Es wäre ein "wichtiger Schritt" nachzuweisen, dass Iran nur "friedliche Absichten mit dem Nuklearprogramm verfolgt".

In der Hauptstadt Teheran gingen am späten Abend des 17. Juni erneut einige tausend Menschen gegen die Führungsspitze auf die Straße. Eingeschüchtert von dem großen Sicherheitsaufgebot und Anhängern der radikalen Bassidsch-Miliz waren die Demonstranten wie schon am Vorabend deutlich ruhiger als zu Beginn der Proteste in der vergangenen Woche.

Das iranische Atomprogramm gibt nach US-Einschätzung "Anlass zu ernster Sorge". Vieles deute darauf hin, dass Iran an einem Atomwaffenprogramm arbeite, sagte der US-Vertreter bei der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Kenneth Brill, am 18. Juni in Wien. Washington rechne damit, dass die weiteren Untersuchungen der IAEA in Iran "nur einen Schluss zulassen werden - dass Iran aggressiv ein Atomwaffenprogramm vorantreibt", betonte Brill bei der IAEA-Tagung in Wien. Teheran habe nicht ausreichend mit den IAEA-Inspektoren zusammengearbeitet. Insbesondere seien noch Fragen zum Import von atomarem Material, seiner Weiterverarbeitung und dem Ort seiner Lagerung offen, kritisierte der US-Vertreter.
Der Vertreter des Irans bei der IAEA, Ali Salehi, wies in Wien die Vorwürfe der USA und den Bericht der Organisation zu den Atomplänen des Landes zurück. Der Bericht wirft dem Iran vor, in den vergangenen zwölf Jahren mehrfach durch undeklarierte Einfuhr, Verarbeitung und Lagerung nuklearen Materials gegen IAEA-Auflagen verstoßen zu haben. Salehi sagte, der Bericht sei parteiisch, unfair und unausgewogen und machte dafür indirekt die USA verantwortlich. Die Unterzeichner des Atomwaffen-Sperrvertrags haben von der IAEA Sicherheitsauflagen, die die Umleitung von Nuklearmaterial in geheime Waffenprogramme verhindern sollen. Die Erklärung am Ende der Beratungen des IAEA-Führungsrats in Wien wird Diplomaten zufolge an den Iran appellieren, das Zusatzprotokoll zum Vertrag zu unterzeichnen. Damit würde der Iran weitergehendere und kurzfristigere Inspektionen zulassen.
"Es gibt durchaus Signale des Iran, den Sorgen (über ein mögliches Programm für Atomwaffen) zu begegnen", hieß es am 18. Juni in Regierungskreisen in Berlin. Dabei gehe es auch um die Forderung, der Iran solle ein Zusatzprotokoll zum Atomwaffen- Sperrvertrag unterzeichnen. In der Bundesregierung hieß es mit Blick auf den Gipfel der Europäischen Union (EU) in Griechenland am Wochenende, die EU werde sich für einen intensiven politischen Dialog mit dem Iran aussprechen, der auf vier Forderungen ziele: Der Iran müsse die Menschenrechte besser gewährleisten und sich am Kampf gegen den internationalen Terrorismus beteiligen, konkret die palästinensischen Extremisten von Hamas und Hisbollah nicht mehr unterstützen. Zudem müsse das Land den Friedensprozess im Nahen Osten grundsätzlich konstruktiv begleiten und die Bedenken gegenüber seinem Atomprogramm ausräumen. Angesichts der positiven Signale der iranischen Regierung sei es zu früh, über Sanktionen gegen das Land nachzudenken oder Ultimaten zur Erfüllung der Auflagen zu stellen, verlautete aus Berlin weiter. (Quelle: Reuters)

Ein deutsches Erkundungsteam zur Prüfung eines möglichen Bundeswehreinsatzes außerhalb der afghanischen Hauptstadt Kabul ist am 18. Juni im Westen des Landes eingetroffen. Die deutsche Delegation sei in Herat in der Nähe zur iranischen Grenze angekommen, teilte die US-Armee mit. Bei der Diskussion mit den US-Militärs vor Ort wolle das Team vor allem Informationen zur Sicherheitslage in der von dem Kriegsherren Ismail Khan beherrschten Provinz sammeln.

In Paris ist eine Iranerin an den Folgen einer Selbstverbrennung gestorben. Wie die Polizei am 18. Juni mitteilte, überlebte die Anhängerin der iranischen Volksmudschahedin die schweren Verletzungen nicht, die sie sich am Morgen aus Protest gegen eine Großrazzia am Sitz der Oppositionsgruppe Volksmudschahedin zugefügt hatte. Eine zweite Iranerin, die sich ebenfalls in Paris angezündet hatte, erlitt relativ leichte Verletzungen.

Bei erneuten Protesten gegen die iranische Führung haben sich am 18. Juni Demonstranten und Sicherheitskräfte in mehreren Städten gewaltsame Auseinandersetzungen geliefert. In Kerman im Südosten Irans setzte die Polizei Tränengas gegen Steinewerfer ein, wie die amtliche Nachrichtenagentur IRNA meldete. Mehrere Menschen seien verletzt, landesweit dutzende Menschen festgenommen worden. In Tabris wurden laut IRNA in den vergangenen zwei Tagen etwa 90 Menschen festgenommen. Aus Maschad im Nordosten des Landes wurden 30 Festnahmen gemeldet.
Der reformorientierte iranische Präsident Mohammed Chatami hat das Demonstrationsrecht in Iran verteidigt. "Wenn wir die Demokratie wollen, müssen wir solche Demonstrationen als selbstverständlich hinnehmen", sagte Chatami am 18. Juni in seiner ersten öffentlichen Stellungnahme zu den seit acht Tagen andauernden Protesten in zahlreichen Städten. Das Demonstrationsrecht werde in Iran geachtet, betonte er. Gleichzeitig verurteilte Chatami jegliche Gewalt am Rande der Proteste, "von welcher Seite auch immer".

US-Präsident George W. Bush will keine Atomwaffen in Iran tolerieren. Er warnte die Regierung in Teheran erneut scharf vor der Entwicklung von Nuklearwaffen, meldete dpa am 19. Juni. Die internationale Gemeinschaft müsse ihren Standpunkt klar machen, sagte Bush im Weißen Haus. Zugleich erklärte er seine Unterstützung für die regimefeindlichen Demonstrationen in Iran.

Mit ihrer schärfsten Mahnung seit Beginn des Streits um das iranische Atomprogramm hat die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) Teheran uneingeschränkte Kontrollen seiner Atomalanlagen abverlangt. Die Mitglieder der IAEA seien sich einig, dass Iran bedingungslose und strengere Kontrollen akzeptieren müsse, sagte IAEA-Chef Mohamed el Baradei am 19. Juni. Zur besseren Kontrolle seiner Atomanlagen müsse Teheran ein entsprechendes Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag unterzeichnen, sagte Baradei. Dieses würde IAEA-Inspekteuren den Zugang zu allen Atomanlagen des Landes ermöglichen. Baradei hatte dem Gouverneursrat der IAEA zuvor seinen Bericht vorgelegt. Darin warf er der Führung in Teheran Versäumnisse bei der Offenlegung seines Atomprogramms vor und verlangte die sofortige Unterzeichnung des Zusatzprotokolls. Das US-Außenministerium bezeichnete den IAEA-Beschluss als "sehr positiv". Die USA und andere Staaten werfen Iran vor, beim Bau seiner ersten Atomanlage insgeheim auch an der Entwicklung von Atomwaffen zu arbeiten. Auch der russische Vize-Außenminister Juri Fedotow begrüßte die IAEA-Erklärung als "ausgeglichen". Russland hilft Iran beim Aufbau seiner ersten Atomanlage in der südwestiranischen Hafenstadt Buschehr. Der iranische IAEA-Vertreter Ali Salehi lehnte die Unterzeichnung des Zusatzprotokolls ab. Unangemeldete Kontrollen würden nur akzeptiert, wenn der Westen im Gegenzug technologische Hilfe leiste, hatte zuvor der iranische Präsident Mohammed Chatami erklärt.

Mit Selbstverbrennungen, Kundgebungen und Hungerstreiks gegen die Razzia am Pariser Sitz der iranischen Volksmudschahedin protestierten am 19. Juni erneut Exil-Iraner in mehreren Städten Europas.
In Teheran protestierten erneut tausende Menschen gegen die konservative Führung, wie ein AFP-Korrespondent am 19. Juni berichtete.

Iran muss sein Atomprogramm nach Auffassung der Europäische Union (EU) vollständig offen legen. Nur so könne das Vertrauen wieder hergestellt werden, das schwer erschüttert worden sei, hieß es am 20. Juni im Entwurf für die Schlussfolgerungen des EU-Gipfels von Porto Karras. Die in Griechenland versammelten EU-Staats- und Regierungschefs appellierten an Teheran, das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag zu unterzeichnen, das Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA den Zugang zu allen Atomanlagen des Landes ermöglichen soll. Die Unterzeichnung müsse sofort und ohne Bedingungen erfolgen.
Im Streit um sein Atomprogramm hat Iran der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA) den Zugang zu einem einheimischen Energieunternehmen verweigert. Die Bitte der IAEA sei "illegal und inakzeptabel" gewesen, sagte der Chef der iranischen Atomenergie-Organisation, Gholam Resa Aghasadeh, am 20. Juni im iranischen Fernsehen. Die Einrichtungen der Elektrizitätsgesellschaft "Kalaye Electric Company" seien nicht-nuklearer Art und beträfen nicht die von der IAEA geforderten Inspektionen.
Iran will enger mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zusammenarbeiten, aber offenbar an seinem international kritisierten Programm zur Urananreicherung festhalten. Dies erklärte der Leiter der iranischen Atomenergiebehörde, Gholamresa Aghasadeh, am 21. Juni. Die Zusammenarbeit mit der IAEA werde umfassend und auf einem Niveau sein, das für die IAEA zufrieden stellend sei, sagte Aghasadeh. Auf die Frage, ob Iran wie von der IAEA angeregt, sein Programm zur Urananreicherung einstellen werde, sagte er aber nur, dies sei keine Forderung der IAEA gewesen, sondern die Meinung einzelner Mitglieder. Iran habe das Recht dazu, dieses Programm fortzusetzen. In der strittigen Anlage in Natans seien von der IAEA Kameras installiert und das Material dort versiegelt worden. IAEA-Leiter Mohamed ElBaradei begrüßte in Jordanien das iranische Angebot einer besseren Zusammenarbeit. Je umfassender diese Zusammenarbeit und je größer die Transparenz der iranischen Atompolitik sei, umso einfacher könne die IAEA in der internationalen Gemeinschaft Vertrauen schaffen, dass es sich um ein friedliches Programm handele, sagte ElBaradei der Fernsehnachrichtenagentur APTN.

Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul hat die USA vor einer Fortsetzung ihrer Irak-Politik im Iran gewarnt. Die Drohungen in Richtung Teheran wegen der iranischen Atompolitik beunruhigten sie, sagte die Ministerin dem "Tagesspiegel am Sonntag" am 22. Juni. Stattdessen müsse man auf den Dialog mit den Reformkräften und die Demokratisierung des Landes setzen.
Während sich Iran am Samstag weigerte, eine mutmaßliche Nuklearanlage überprüfen zu lassen, hat die Bundesregierung den dringenden Verdacht, daß Teheran versucht, sich Atomwaffen zu verschaffen. Dies verlautete jedenfalls aus einer "zuständigen Quelle" aus dem Auswärtigen Amt, wusste am 22. Juni die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" zu berichten. "Art und Dimensionierung" des Atomprogramms sowie Teherans Versuche, im Ausland Technologie zu beschaffen, deuteten "auf den Aufbau eines Nuklearwaffenprogramms" hin, heißt es in dem Bericht. Echte "Beweise" gebe es für die Vermutungen allerdings keine. Um Teheran zur Aufklärung zu bewegen, schlägt Berlin eine Kombination aus Druckausübung und Angeboten vor: Ein mögliches Handelsabkommen zwischen Iran und der Europäischen Union solle an die Bedingung geknüpft werden, dass Teheran ein Zusatzprotokoll über erweiterte Kontrollrechte der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) unterzeichnet. Falls Iran sich kooperativ zeige, müsse eine "Perspektive besserer Zusammenarbeit" hinzukommen. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin wollte den Bericht indessen nicht kommentieren.

Im Zuge der seit mehr als zwei Wochen andauernden regierungsfeindlichen Proteste sind in mehreren iranischen Städten offenbar hunderte Studenten festgenommen worden. "Viele wurden festgenommen und viele vorgeladen", sagte ein Studentenführer am 22. Juni der Nachrichtenagentur "Reuters".
Auf Protestkundgebungen - darunter einem Sitzstreik im iranischen Parlament - haben iranische Studenten am 22. Juni die Freilassung festgenommener Kommilitonen verlangt. Ihre Mitstudenten waren bei den mehrtägigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften vor rund einer Woche verhaftet worden. Laut Polizeiangaben wurden insgesamt 520 Personen festgenommen. Nur zehn von ihnen seien Studenten, bei den anderen handele es sich um Randalierer, sagte Polizeigeneral Mahmus Dschapalaki laut Berichten der staatlichen Zeitung "Iran". Studentenführer widersprachen den Angaben und erklärten, die meisten der Festgenommenen seien Studenten gewesen.

Die USA wollen nach den Worten ihres Außenministers Colin Powell die Opposition in Iran weiter zu Protesten ermutigen. Die regierungskritischen Demonstrationen in Teheran und anderen Städten zeigten, dass die USA "auf dem richtigen Weg" bei der Verbreitung von Freiheit und Demokratie seien, sagte Powell am 22. Juni bei einem Sondertreffen des Weltwirtschaftsforum in der jordanischen Stadt Schuneh. Die Menschen in Iran und der Nahostregion insgesamt forderten politischen Wandel und Bildung und wollten sich von Gewalt und intoleranten Ideologien abwenden. In Bezug auf Iran betonte Powell, die USA wollten das Land keinesfalls militärisch angreifen.

Die iranische Regierung hat am 23. Juni angekündigt, Demonstrationen anlässlich des Jahrestages der Studentenunruhen am 9. Juli 1999 zu verbieten. In den vergangenen beiden Wochen haben Iraner gegen die geistliche Führung in der Islamischen Republik protestiert, die Demonstrationen ebbten aber ab. "Das Innenministerium wird Versammlungen außerhalb der Universitäten nicht gestatten", sagte Regierungssprecher Abdollah Ramasansadeh auf einer Pressekonferenz in Teheran. Das Verbot gelte auch für Angehörige von Bürgerwehren, die zuletzt Demonstranten mit Knüppeln und Ketten angegriffen hatten.

Die Mehrheit der Amerikaner würden einen Krieg gegen Iran unterstützen, um Teheran an der Entwicklung von Atomwaffen zu hindern. Das ergab eine am 24. Juni veröffentlichte Umfrage der "Washington Post" und des Fernsehsenders ABC. Demnach sagten 56 Prozent der Befragten, sie seien in einem solchen Fall für eine Militäraktion. 38 Prozent waren gegen einen Krieg. US-Präsident George W. Bush hatte in der vergangenen Woche erklärt, die USA und ihre Verbündeten würden die Entwicklung iranischer Atomwaffen nicht tolerieren.

Der als Stellvertreter von El-Kaida-Chef Osama bin Laden geltende ägyptische Arzt Aiman el Sawahiri ist angeblich in Iran festgenommen worden. Neben Sawahiri seien auch ein Sohn Bin Ladens sowie der El-Kaida-Sprecher Sulaiman Abu Ghaith gefasst worden, berichtete der in den Vereinigten Arabischen Emiraten ansässige Satellitensender El Arabija am 27. Juni unter Berufung auf "westliche Diplomatenkreise". Zu der Gruppe der Festgenommenen zählten weitere Bürger aus arabischen Ländern. Der iranische Regierungssprecher Abdollah Ramesamsadeh hatte bereits am 23. Juni bekannt gegeben, dass einige der festgenommenen Mitglieder von Bin Ladens El-Kaida-Netzwerk identifiziert worden seien. Nähere Angaben hatte er allerdings nicht gemacht. - Iran hat Meldungen bestritten, wonach iranische Sicherheitskräfte den Ägypter Eiman el Sawahiri festgenommen hätten, den Stellvertreter von El-Kaida- Anführer Osama bin Laden. Wie der US-Nachrichtensender CNN am 27. Juni aus Teheran berichtete, bezeichnete Außenamtssprecher Hamid Resa Assefi den Bericht des arabischen Fernsehsenders El Arabija als falsch.

Der britische Außenminister Jack Straw trifft am 29. Juni zu Gesprächen mit seinem iranischen Amtskollegen Kamal Charrasi und Staatspräsident Mohammed Chatami in Teheran ein. Die Entwicklung im Nachbarland Irak und der Kampf gegen den Terrorismus stehen dabei im Mittelpunkt. Ein Außenamtssprecher kündigte an, Iran werde den sofortigen Abzug der amerikanischen und britischen Truppen aus dem Irak fordern. Straw wird vermutlich die amerikanischen Besorgnisse über das iranische Nuklearprogramm vorbringen.
Im Atomstreit mit dem Westen beabsichtigt der Iran, demnächst den Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Mohammed ElBaradei, zur "Klärung technischer Fragen" einzuladen. Wie die amtliche iranische Nachrichtenagentur IRNA am 30. Juni zum Abschluss des Besuchs des britischen Außenministers Jack Straw berichtete, bleibt die Regierung in Teheran aber vorläufig weiter bei ihrem Nein zu Forderungen nach verschärften Kontrollen seiner Atomanlagen. Dies habe der Generalsekretär des iranischen Obersten Nationalen Sicherheitsrats, Hassan Rohani, beim Treffen mit Straw deutlich gemacht.


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