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Falsches Spiel

Irak: UN-Diplomat fordert Sicherheitsrat zum Vorgehen gegen "Islamischen Staat" auf. Doch der ist ein Geheimdienstprojekt

Von Karin Leukefeld *

Der Leiter der UN-Mission für den Irak, Nikolai Mladenow, hat am Mittwoch den Sicherheitsrat aufgefordert, gegen den »Islamischen Staat« (IS) vorzugehen. Die Gruppe sei für schwerste Verbrechen verantwortlich, sagte der per Videolink aus Bagdad zugeschaltete Diplomat den versammelten Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates. Das Gremium müsse Sanktionen verhängen, die Verantwortlichen der Gruppe und ihre Unterstützer müßten zur Rechenschaft gezogen werden. »Ausländische Kämpfer zu rekrutieren und sie für Mord, Entführungen und schwere Menschenrechtsverletzungen einzusetzen«, müsse von der internationalen Gemeinschaft und dem Sicherheitsrat geahndet werden, so Mladenow. Die Bedrohung, die von der Gruppe ausgehe, betreffe nicht nur den Irak, dessen Existenz als Staat sie gefährde. Ausdrücklich warnte er vor einem Eingreifen ausländischer Truppen und sagte, »die Lösung dieser Krise kann nicht im Werkzeugkasten militärischer Operationen gefunden werden«. Nach UN-Angaben wurden allein im Juli 900 Personen von IS getötet, Zehntausende seien aus Mossul und Niniveh vertrieben worden.

Angriff auf Politikerinnen

Am Mittwoch griffen im nordwestlich von Bagdad gelegenen Sharkat IS-Kämpfer zwei bekannte Politikerinnen und deren Angehörige an. Sanaa Al-Juburi, die bei den Parlamentswahlen kandidiert hatte, wurde getötet, ihr Ehemann wurde entführt. Khawla Al-Juburi, die bei den »Frauen für Frieden im Irak« aktiv ist, wurde schwer verletzt, ihr Ehemann wurde ebenfalls verschleppt. Beide Frauen sind nicht verwandt, gehören aber zu dem Stamm Al-Juburi, der in der Region von Sharkat sehr einflußreich ist.

Nach Dokumenten des US-Geheimdienstes NSA, die Edward Snowden öffentlich gemacht hat, ist der »Islamische Staat« im Irak und in der Levante ursprünglich von Geheimdienstagenten der USA, Großbritanniens und Israels gegründet worden. Ob das Papier authentisch ist, läßt sich derzeit zwar nicht verifizieren, doch finden sich inzwischen auch im Internet zahlreiche Quellen, die bestätigen, daß es sich beim IS um ein Geheimdienstprojekt handelt. So sagte Anfang Juli in Beirut Nabil Naeem, ein ehemaliger Kommandeur der Al-Qaida, im arabischen Nachrichtensender Al-Mayadeen, daß alle heutigen Einheiten des Netzwerks einschließlich IS derzeit für die CIA arbeiteten. Der »Islamische Staat« sei Teil einer Strategie für den Mittleren Osten, die »Hornissennest« genannt werde. Demnach sollen Dschihadisten aus aller Welt nach Syrien geschleust werden, um den Eindruck zu vermitteln, daß Israel von Feinden an allen seinen Grenzen umgeben sei. Schon 1982 hatte das israelische Außenministerium in einem Strategiepapier den Vorschlag entwickelt, »daß alle arabischen Staaten in kleine Einheiten zerbrochen« werden sollten. Syrien, Irak und schließlich auch der Libanon sollten »in ethnische und religiöse Gebiete« aufgelöst werden.

Im Kontext des »Hornissennestes« soll auch der »Islamische Staat« agieren. Deren Anführer und selbst ernannter Kalif Abu Bakr Al-Baghdadi sei ein Jahr lang »intensiv militärisch vom Mossad ausgebildet worden«, hieß es in der in Bahrain erscheindenden Gulf Daily News. Al-Baghdadi war 2006/2007 im US-amerikanischen Gefangenenlager Camp Bucca im Südirak inhaftiert, das James Skylar Gerrond, ein ehemaliger Sicherheitsoffizier des Lagers, als »Dampfdrucktopf für Extremismus« bezeichnete.

Grünes Licht aus Istanbul

Das »grüne Licht« für die Operation von IS im Irak sei am Rande des Energiegipfeltreffens des der US-Administration nahestehenden »Atlantic Council« in Istanbul im November 2013 gegeben worden, berichtete ein Vertrauter des libanesischen Politikers und Multimilliardärs Saad Hariri, der an dem Treffen teilgenommen hatte, dem US-Nachrichtenportal NSNBC. Plan der Schöpfer des »Islamischen Staats« war demnach, daß sich die Gruppe, deren Einsatz aus der US-Botschaft in Ankara gesteuert werde, durch den Verkauf syrischen Erdöls selber finanzieren sollte. Das gestohlene Öl sollte demzufolge über den Irak und die kurdischen Gebiete in die Türkei zum Mittelmeerhafen Ceyhan transportiert und verkauft werden. Die Pläne scheiterten bislang offenbar an der Weigerung des irakischen Präsidenten Nuri Al-Maliki. Wäre Bagdad in der Sache »kooperativer« gewesen, hätte sich der Westen vielleicht nicht gegen den Regierungschef gewandt, so der Hariri-Vertraute. Der IS-Einsatz werde aus der US-Botschaft in Ankara gesteuert.

* Aus: junge Welt, Freitag 25. Juli 2014


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