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Maliki siegt im Irak

Partei des Premiers stärkste Kraft bei Parlamentswahlen. USA liefern weiter Waffen

Von Karin Leukefeld *

Drei Wochen nach den Parlamentswahlen im Irak hat die Wahlkommission am Montag die Ergebnisse bekanntgegeben. Die Partei für Rechtsstaatlichkeit von Ministerpräsident Nuri Al-Maliki gewann demnach 92 der 328 Sitze im Parlament. Für Maliki, der nach acht Jahren eine dritte Amtszeit anstrebt, stimmten den Angaben zufolge 721000 Wähler. Die Al-Ahrar-Bewegung von Muktada Sadr errang 33 Sitze und das Al-Muwatin-Bündnis unter Führung von Ammar Al-Hakim 29 Mandate. Wahlberechtigt waren 21,5 Millionen Iraker, die Wahlbeteiligung lag bei 62 Prozent. Insgesamt waren 276 Parteien mit 9000 Kandidaten angetreten. Derzeit werden noch 165 Wahlbeschwerden geprüft. Für Zehntausende Iraker, die durch Kämpfe in den Provinzen Anbar, Falludscha und Diyala vertrieben worden waren, lagen keine Wahlregister aus. Zudem wird die Unparteilichkeit der Wahlkommission angezweifelt, deren Mitgliedern Korruption und Vetternwirtschaft mit Maliki vorgeworfen wird. In der Provinz Kirkuk soll es zu Fälschungen gekommen sein. Außerdem sollen die erstmals eingesetzten elektronischen Wahlkarten vielerorts nicht funktioniert haben oder gar nicht vorhanden gewesen sein.

Maliki konnte zwar die meisten Parlamentssitze gewinnen, ist allerdings für die Regierungsbildung auf Koalitionen angewiesen. Da die Ablehnung gegen seinen autoritären Führungsstil parteiübergreifend weit verbreitet ist, dürften die Verhandlungen schwierig werden. Die Ablehnung des Amtsinhabers ist keineswegs auf bestimmte religiöse oder ethnische Gruppen beschränkt. In den kurdischen Autonomiegebieten im Nordirak wird Maliki dafür kritisiert, daß er seit Jahren ein in der Verfassung verankertes Referendum blockiert, mit dem in Kirkuk und »umstrittenen Gebieten« um Mossul abgestimmt werden soll, ob man zum Irak oder zu den kurdischen Autonomiegebieten gehören will. Kirkuk ist neben dem Süden des Landes das erdölreichste Gebiet im Irak.

Nach einer ungeschriebenen Regel folgt die Regierungsbildung neuerdings einem sektiererischen Modell, ähnlich wie im Libanon. Posten werden nicht nach Wahlergebnissen oder politischen Fähigkeiten für ein Amt entsprechend dem Wählerwillen sondern nach religiöser und ethnischer Zugehörigkeit verteilt. In den vergangenen Jahren ging der Posten des Ministerpräsidenten an einen schiitisch-muslimischen Araber, das Amt des Präsidenten an einen Kurden und das Amt des Parlamentssprechers an einen sunnitisch-muslimischen Araber. Als möglicher Gegenkandidat Malikis könnte Ahmed Al-Chalibi antreten, der von dem Parteienblock um den Geistlichen Al-Hakim nominiert worden ist. Chalibi war eine der großen Figuren des Irakischen Nationalkongresses (INC), der in den 1990er Jahren von der CIA und dem britischen Geheimdienst MI6 als Oppositionsbündnis gegen den damaligen Präsidenten Saddam Hussein ins Leben gerufen worden war. Chalibi hat – wie auch Maliki – gute Beziehungen sowohl zu Washington als auch zu Teheran. Iran gilt neben den USA als wichtiger politischer Akteur im »neuen« Irak. Unter Irakern wird die mögliche Kandidatur Chalibis mit einem Sprichwort quittiert: »Willst du eine Bande Diebe zügeln, ernenne einen Dieb, um sie zu führen.«

Wie immer eine zukünftige Regierung aussieht, sie wird sich mit der wachsenden sozialen Ungerechtigkeit und der Zunahme von staatlicher und krimineller Gewalt auseinandersetzen müssen. Bei Anschlägen wurden seit Beginn des Jahres mehr als 3500 Menschen getötet. Unklar ist, wieviele Menschen bei den Kämpfen zwischen Regierungstruppen und bewaffneten Gruppen im Westen des Landes ums Leben kamen. Die Regierung gebe keine Zahlen von gefallenen Soldaten und Offizieren bekannt, kritisiert Kareem A. in Bagdad. Allein seine Familie habe seit Anfang des Jahres vier Tote zu beklagen, sagte er gegenüber jW. Ohne auf die politische Diskriminierung der westirakischen Stämme einzugehen, bezeichnet Maliki die Kämpfe in Falludscha und Ramadi als »Anti-Terrorkampf«. Dafür gab es neben Lob bereits auch militärische Unterstützung von den USA. Kurz nach den Wahlen hat Washington angekündigt, die irakischen Streitkräfte weiterhin mit Rüstungslieferungen in Höhe von einer Milliarde US-Dollar zu unterstützen.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 21. Mai 2014


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