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ISIL und Jordanien

Dschihadisten rufen zum Marsch auf Amman. As-Safir: Gespräche über Allianz mit Bagdad und Damaskus gegen Islamisten

Von Gerrit Hoekman *

Nachdem der Richter in Amman vergangene Woche das Urteil verkündet hatte, brach Abu Qatada in Tränen aus. Das Gericht hatte ihn gerade vom Vorwurf der Konspiration gegen die staatliche Sicherheit in Jordanien freigesprochen. Auf freien Fuß kam der Fundamentalist dennoch nicht: Im September wartet in einer anderen Strafsache der nächste Prozeß auf ihn. Abu Qatada war im Juli letzten Jahres in London festgenommen und nach Jordanien ausgeliefert worden.

Der Ausgang der Gerichtsverhandlung überrascht viele Jordanier, denn der Palästinenser Abu Qatada, der eigentlich Omar Mahmoud Osman heißt, unterstützte lange die berüchtigte Nusra-Front in Syrien. Ob das heute noch gilt, ist unsicher. Viele seiner Anhänger seien inzwischen jedenfalls zum »Islamischen Staat im Irak und in der Levante« (ISIL/ISIS) übergelaufen, schreibt die arabische Tageszeitung Al-Hayat. Könnte das Urteil vom Vormarsch der Gotteskrieger im Irak beeinflußt sein, die seit kurzem an der jordanischen Grenze stehen? Will Jordanien die Islamisten im eigenen Land nicht weiter mit harten Strafen reizen?

Zwei Wochen vorher war bereits Scheich Isam Al-Barqawi nach vier Jahren aus der Haft entlassen worden. Der auch als Abu Muhammad Al-Maq­disi bekannte Salafisten-Prediger gehört zu den geistigen Führern des radikalen Fundamentalismus. Viele seiner Anhänger kämpfen ebenfalls auf der Seite der Nusra-Front gegen den syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad und für einen islamischen Staat.

Die den gemäßigten Muslimbrüdern nahestehende Wochenzeitung As-Sabil aus Amman glaubt, es sei nur eine Frage der Zeit, wann der Glaubenskrieg, der gerade im Nahen Osten tobt, auch auf Jordanien übergreift. Der »Islamische Staat« habe König Abdullah schon fest im Visier. Vorsichtshalber hat der Monarch die Armee an den Grenzen in Alarmbereitschaft versetzt und die internationale Gemeinschaft am Montag um Hilfe gebeten.

»Die Gefahr ist näher an unsere Schlafzimmer gekommen«, schreibt Oraib Al-Rantawi, Direktor des renommierten »Al Quds Center for Political Studies«, in einem Artikel für die jordanische Zeitschrift Khaberni. Genaugenommen steht sie schon an der Bettkante, wenn man das Bild des Nahostexperten aufgreifen will, denn der Einfluß der Islamisten ist auch in Jordanien groß. Rund 2000 von ihnen sollen jenseits der Grenze in Syrien kämpfen. Die jordanischen Truppen versuchen, den Zustrom zu unterbinden, einige Hundert Kämpfer sind verhaftet worden. »Wir unterhalten keine direkten Kontakte zur ISIL, aber sie hat zweifellos viele Anhänger in Jordanien«, versichert der inhaftierte Salafistenführer Abu Sayyaf gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.

Auf Youtube sind unlängst Videos aufgetaucht, in denen jordanische Dschihadisten ihre Pässe verbrennen und zum Marsch auf Amman aufrufen. Einige der Männer tragen Sprengstoffgürtel. Das Zentrum der Radikalen ist die Stadt Ma’an, wo es seit Jahren immer wieder zu Protesten gegen das Königshaus kommt. Vor 14 Tagen waren dort bei einem kleinen Demonstrationszug nach dem Freitagsgebet zum ersten Mal Fahnen des »Islamischen Staats« zu sehen, heißt es. »Wir in Jordanien können uns nicht den Luxus leisten abzuwarten und zu beobachten«, ist der Nahost-Experte Al-Rantawi überzeugt. »Die Zeit ist gekommen, die Koordination und Kooperation mit den Regimen in Damaskus und Bagdad zu verstärken.« Die libanesische Tageszeitung As-Safir will von ersten Gesprächen zwischen den drei Staaten über eine gemeinsame Allianz gegen die Islamisten erfahren haben.

Auch Israel und Jordanien beraten sich über die politische Situation im Nahen Osten, berichtet die israelische Gazette Yedioth Ahronoth. Sollte der »Islamische Staat« auch Jordanien in den Krieg stürzen, wäre die Sicherheit des jüdischen Staats in ernster Gefahr. Eines der wichtigsten Ziele der Fundamentalisten ist nämlich die Befreiung Jerusalems und Palästinas. »Meines Erachtens ist es unser gemeinsames Interesse sicherzustellen, daß ein gemäßigter, stabiler Staat wie Jordanien sich verteidigen kann«, erklärte der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu unlängst.

In Jordanien haben die Islamisten viele Anhänger in den palästinensischen Flüchtlingslagern, es könnte durchaus sein, daß sich auch in der Westbank Zellen des »Islamischen Staats« gebildet haben oder gerade dabei sind, sich zu organisieren. Auch wenn die israelische Regierung die radikale Hamas für den Mord an den drei Jeschiwa-Schülern verantwortlich macht, der einzige Bekennerbrief stammt von einer Gruppe, die behauptet, der palästinensische Zweig des »Islamischen Staats« zu sein. Sollte das Bekennerschreiben echt sein, dann steht dem Nahen Osten das Schlimmste wohl noch bevor.

* Aus: junge Welt, Donnerstag 3. Juli 2014


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