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Tod ohne Gnade

Der ehemalige irakische Außenminister Tariq Aziz ist nach langer Haft gestorben

Von Karin Leukefeld, Beirut *

Tariq Aziz, langjähriger Außenminister des Iraks, ist am vergangenen Freitag in einem Krankenhaus in der südirakischen Stadt Naseriya gestorben. Der 2010 zum Tode verurteilte Aziz war im dortigen Gefängnis inhaftiert. Wiederholte Aufrufe seiner Familie, den Schwerkranken freizulassen, blieben ungehört.

Nur einen Tag vor seinem Tod am vergangenen Freitag hatte sein Sohn Ziad einen verzweifelten Appell verfasst. Seine Mutter hatte ihren Mann an diesem Tag besucht und war geschockt über dessen schlechten Zustand. Tariq Aziz, der während seiner 13jährigen Haftzeit mehrere Herzinfarkte erlitten hatte, war wegen einer Lungenentzündung im örtlichen Krankenhaus behandelt, dann aber wieder ins Gefängnis verlegt worden. Er sei nicht mehr in der Lage gewesen, eigenständig zu laufen oder sich zu bewegen und im Rollstuhl zu dem Besuch gebracht worden, schrieb Ziad Aziz. »Wir befürchten das Schlimmste.« Er bitte um internationale Aufmerksamkeit und Hilfe, damit sein Vater endlich entlassen werde. »Ihn in diesem Zustand im Gefängnis festzuhalten, ist reine Folter«, hieß es in dem Appell. »Es gibt keine Rechtfertigung ihn gefangenzuhalten außer, dass man zusehen will, wie er langsam stirbt.«

Nach dem Besuch seiner Frau hatte Aziz einen weiteren Herzanfall erlitten und war am Freitag nach Angaben der örtlichen Gesundheitsbehörde erneut ins Al-Hussein-Krankenhaus in Naseriya gebracht worden. Dort sei er am frühen Nachmittag gestorben. Der irakische Ministerpräsident Haider Al-Abadi ordnete »aus humanitären Gründen« die Überführung des Leichnams nach Bagdad an, teilte ein Sprecher mit. Von dort soll er nach Jordanien gebracht werden, wo Aziz’ Familie lebt und wo er beigesetzt werden soll. Unter Berufung auf seinen Anwalt Badie Azzeh berichtete die jordanische Nachrichtenagentur Petra, dass es Aziz’ Wunsch gewesen sei, in Jordanien beerdigt zu werden.

Tariq Aziz wurde 1936 in Tel Kepe in der nordirakischen Niniveh-Ebene als Sohn einer christlich-chaldäischen Familie geboren und hieß eigentlich Tariq Mikhail Youhanna. Er studierte Englische Literatur in Bagdad, trat 1957 in die Baath-Partei ein und galt Zeit seines Lebens als Verfechter des Arabischen Nationalismus. 1979 bis 2003 war er stellvertretender Ministerpräsident, 1983 bis 1991 auch Außenminister des Irak. Nach der US-Invasion 2003 erschien Aziz auf dem von den Amerikanern verteilten Kartenspiel der meistgesuchten Iraker als Pik-Acht. Er stellte sich und wurde inhaftiert. 2009 wurde er zunächst zu 15 Jahren Haft verurteilt. Wenige Monate später folgte eine weitere Verurteilung zu sieben Jahren Haft wegen seiner Rolle bei der »Zwangsumsiedlung von Kurden« im Nordirak und dem Giftgasangriff von Halabja im Jahr 1988. Aziz wies die Anschuldigungen zurück und sagte, die Giftgasangriffe 1988 seien vom Iran verübt worden. 2010 folgte die Todesstrafe für seine Rolle bei der Verfolgung der irakischen Schiiten.

Neben Herz- und Atemproblemen litt Aziz unter Bluthochdruck und Diabetes. 2011 hatte er nach Auskunft seines Anwalts den damaligen irakischen Ministerpräsidenten Nuri Al-Maliki aufgefordert, endlich seine Todesstrafe zu vollziehen. Der damalige irakische Präsident, Dschalal Talabani, hatte allerdings den Hinrichtungsbefehl nicht unterzeichnet. Bei der letzten Begegnung mit seiner Frau am vergangenen Donnerstag habe Aziz nicht gesprochen, sagte seine Tochter Zeinab der Nachrichtenagentur AP. »Er sagte kein Wort, er hat sie nur angesehen.«

* Aus: junge Welt, Montag, 8. Juni 2015


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