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Schiitenpartei Vereinigte Irakische Allianz mit 48 Prozent klarer Wahlsieger

Geringes Vertrauen in Übergangsregierung: Irakische Liste des Ministerpräsidenten Allawi erhielt nur 13,8 Prozent

Die von Großayatollah Ali Sistani gestützte Schiitenpartei Vereinigte Irakische Allianz hat die Parlamentswahl vom 30. Januar 2005 klar gewonnen. Wie die Wahlkommission am 13. Februar mitteilte, kam die Partei auf 48,1 Prozent der Stimmen. An zweiter Stelle steht die gemeinsame Liste der größten Kurdenparteien, die auf 25,7 Prozent der Stimmen kam. Die Partei von Übergangsministerpräsident Ijad Allawi konnte 13,8 Prozent der Stimmen erzielen. Die Wahlbeteiligung lag bei 59 Prozent.
Für die Politik des Irak bedeutet das Wahlergebnis einen Wendepunkt: Nachdem die schiitische Bevölkerungsmehrheit über Jahrzehnte von der Macht ausgeschlossen war, wird sie künftig die Politik des Landes dominieren. Nie zuvor hatte der Irak eine schiitisch-religiös gefärbte Regierung mit Billigung des schiitischen Klerus. "Heute ist die Geburt eines neuen und demokratischen Irak", sagte Farid Ajar von der Wahlkommission bei der Bekanntgabe des Ergebnisses.
Angesichts der großen Beteiligung von mehr als hundert Parteien und Listen sind die Mehrheitsverhältnisse in der künftigen Bagdader Nationalversammlung überraschend eindeutig. Von den 275 Sitzen gehen laut Wahlkommission 132 an die Vereinigte Irakische Allianz, 71 an das Kurdenbündnis und 38 an die Partei von Allawi.

Insgesamt ziehen Abgeordnete von zwölf Parteien und Listenverbindungen in das Parlament im Irak ein. Das Endergebnis der Wahl vom 30. November, wie es am 13. Februar 2005 von der Irakischen Wahlkommission mitgeteilt wurde. (Die Anzahl der Sitze wurde später, am 17. Februar, bekanntgegeben):
  • Vereinigte Irakische Allianz: 48,2 Prozent - 4,075 Mio Stimmen - 140 Sitze
  • Kurdische Allianz: 25,7 Prozent - 2,175 Mio Stimmen - 75 Sitze
  • Irakische Liste: 13,8 Prozent - 1,168 Mio Stimmen - 40 Sitze
  • Partei der Iraker (Liste von Übergangspräsident Ghasi al-Jawir): 1,8 Prozent - 150.680 Stimmen - 5 Sitze
  • Turkmenische Irakische Front: 1,1 Prozent - 93.480 Stimmen - 3 Sitze
  • Partei der Nationalen Unabhängigen Eliten und Kader: 0,8 Prozent - 69.938 Stimmen - 3 Sitze
  • Kommunistische Partei: 0,8 Prozent - 69.920 Stimmen - 2 Sitze
  • Islamisch-Kurdische Gesellschaft: 0,7 Prozent - 60.592 Stimmen - 2 Sitze
  • Islamische Arbeiterbewegung im Irak: 0,5 Prozent - 43.205 Stimmen - 2 Sitze
  • Nationaldemokratische Allianz: 0,4 Prozent - 36.795 Stimmen - 2 Sitze
  • Nationale Liste Rafidain (Assyrische Christen): 0,4 Prozent - 36.255 Stimmen - 1 Sitz
  • Gemeinwesen für Versöhnung und Befreiung: 0,3 Prozent - 30.796 Stimmen - 1 Sitz
Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen: 8.456.266
Ungültige Stimmen: 94.305

Die exakte Sitzverteilung im Parlament war zunächst noch nicht klar. Schiitische Politiker betonten laut einer AP-Meldung vom 13. Februar, ein Gruppe allein könne die Regierung nicht stellen. Es werde eine echte Beteiligung aller Gruppen geben, versicherte der Nationale Sicherheitsberater Muwafak al Rubaie. Für die Wahl des Präsidenten ist ohnehin eine Zweidrittelmehrheit notwendig.

Die Einbindung der Sunniten in den politischen Prozess dürfte sich trotzdem schwierig gestalten. Sie folgten am 30. Januar weitgehend den Boykottaufrufen. In der Provinz Anbar, einer der Hochburgen des Widerstands, lag die Wahlbeteiligung bei nur zwei Prozent. Nur 17.893 Stimmen wurden hier abgegeben. In der Provinz Niniveh, zu der auch die drittgrößte Stadt Mossul gehört, waren es 17 Prozent. Landesweit kam die Liste von Präsident Ghasi al Jawer, einem Sunniten, auf 150.000 Stimmen, das sind zwei Prozent. Der sunnitische Politiker Adnan Patschatschi erhielt nur 12.000 Stimmen - 0,1 Prozent.

Dessen ungeachtet mahnte laut AP Patschatschi die Beteiligung der Sunniten an der Ausarbeitung der neuen Verfassung an, eine der Hauptaufgaben des neuen Parlaments. Es sei klar, erklärte er, dass einige Gruppen nicht angemessen in der Nationalversammlung vertreten seien. Aber die Wahl sei korrekt verlaufen. Nun müsse die Verfassung in der Vorbereitung umfassenderer Wahlen von allen Fraktionen erarbeitet werden.

Quelle: Verschiedene Nachrichtenagenturen (AP, AFP, dpa) am 13. Februar 2005


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