Streit um USA-Soldaten in Irak
Parlament in Bagdad uneinig über Total- oder Teilabzug der Truppen zum Jahresende
Von Karin Leukefeld *
Die Zukunft der USA-Truppen in Irak ist weiter in der Diskussion. Irak will über den Verbleib eines
kleineren Truppenkontingents nach dem geplanten Abzug der US-Soldaten zum Jahresende
verhandeln.
Von Stabilität ist Irak auch acht Jahre nach dem Sturz Sadsam Husseins weit entfernt. Erst in der
Nacht zum Donnerstag sind bei einem Doppelanschlag in der westirakischen Stadt Ramadi acht
Menschen getötet worden. Insgesamt sind aber die Aktivitäten von Terroristen in den letzten Jahren
deutlich zurückgegangen.
Bis zum Jahresende wollen die USA ihre noch im Land stationierten 47 000 Soldaten abziehen. Den
Verbleib von Restverbänden – mit einer Stärke bis 10 000 Mann – knüpfen sie an die Bedingung,
dass Bagdad einem Truppenstationierungsabkommen zustimmt, das den Soldaten weiterhin
Immunität vor Strafverfolgung gewährt und das vom irakischen Parlament ratifiziert werden müsste.
Ministerpräsident Nuri al-Maliki kündigte vor einigen Tagen in einem Telefonat mit US-Vizepräsident
Joe Biden eine baldige Entscheidung des irakischen Parlaments an. Biden wiederholte seinerseits
das Angebot, Irak dabei zu helfen, alle inneren und äußeren Herausforderungen des Staates zu
bestehen. Enge strategische Beziehungen zwischen beiden Staaten seien von großer Bedeutung.
Ende des Jahres läuft das amerikanisch-irakische Strategische Sicherheitsabkommen (SOFA) aus,
das den Truppenaufenthalt im Zweistromland bisher regelte. Die USA hatten in den vergangenen
Wochen Druck auf die irakische Regierung ausgeübt. Offenbar hat das Pentagon ein Interesse
daran, seine großen Militärbasen in Irak nicht aufzugeben. Scharfer Widerspruch gegen den
Verbleib von US-amerikanischen Truppen in Irak kommt jedoch aus der Bewegung des Predigers
Muktada Sadr, die inzwischen als tragende Säule der Maliki-Regierung gilt. Sadr hatte vor einigen
Wochen angekündigt, seine Milizen würden erneut den Kampf gegen die Besatzer aufnehmen,
sollten die Irak nicht bis Ende des Jahres verlassen.
Am vergangenen Dienstag nun scheinen sich zumindest einige der irakischen Parteiführer darauf
geeinigt zu haben, US-Truppen als »Ausbilder« auch nach dem 31. Dezember 2011 im Land zu
behalten. Die als »Ramadan-Treffen« bekannt gewordenen Diskussionen im Präsidentenpalast zu
Beginn des Fastenmonats sind seit einigen Jahren Gelegenheit, strittige Fragen zu debattieren und
nach Lösungen zu suchen. Am Ende des Treffens erhielt Ministerpräsident Nuri al-Maliki den
Auftrag, mit Washington über einen Truppenverbleib zu verhandeln. Unklar bleibt, ob die
»Ausbilder« vom US-Militär oder von einem der berüchtigten privaten Sicherheitsunternehmen
gestellt werden sollen.
Die Vertreter der Sadr-Bewegung und des Hohen Islamischen Rates in Irak (ISCI) hatten das
Ramadan-Treffen jedoch aus Protest gegen die Einigung verlassen. Beide Parteien gelten als enge
Verbündete Irans.
Untermauert werden die »engen strategischen Beziehungen« zwischen Irak und USA nun durch die
Lieferung von F16-Kampfjets, die Irak helfen sollen, Angriffe auf seine Grenzen abzuwehren. Maliki
kündigte an, die ursprüngliche Zahl von 18 Kampfjets auf 36 zu verdoppeln. Der gestiegene Ölpreis
und die damit verbundenen höheren Einnahmen ermöglichten diesse Ausgabe, argumentierte
Maliki. Anfang des Jahres noch hatte Maliki das Geschäft ausgesetzt und die vorgesehenen 900
Millionen US-Dollar für den Kauf von Nahrungsmitteln genutzt, die im Rahmen eines nationalen
Nahrungsmittelprogramms an die Iraker verteilt werden. Der Kauf der Kampfflugzeuge sei
keineswegs gegen die Nachbarstaaten gerichtet, beeilte sich der Abgeordnete Ahmed al-Abbasi von
der herrschenden Partei für Rechtsstaatlichkeit zu betonen.
Um die wuchernde Bürokratie einzugrenzen und auch damit Geld zu sparen, war Maliki Anfang der
Woche ins Parlament zitiert worden. Die erschienenen Abgeordneten – immerhin 183 von 275 –
entschieden schließlich, dass der Regierungschef von 15 den Ministerien untergeordneten
Staatsministerien alle bis auf drei auflösen müsse.
Unterdessen soll sich der irakische Präsident Dschalal Talabani nach dem Willen des Abgeordneten
Hussein Al Asadi (Partei für Rechtsstaatlichkeit) demnächst wegen verfassungswidrigen Verhaltens
vor einem Gericht verantworten. Al Asadi hat Talabani verklagt, weil der sich weigert, das
Todesurteil gegen zwei frühere Mitarbeiter Saddam Husseins zu unterzeichnen. Talabani ist ein
prinzipieller Gegner der Todesstrafe, die laut irakischer Verfassung jedoch zulässig ist. Bisherige
Todesurteile hatte Talabani stets von seinen Stellvertretern unterzeichnen lassen. Diese Posten
wurden allerdings inzwischen ebenfalls abgeschafft.
* Aus: Neues Deutschland, 6. August 2011
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