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"Überzeugt davon, dass Präsident Bush, Premierminister Blair und andere zur Verantwortung gezogen werden müssen"

Charta des Internationalen Tribunals der Völker über die Aggression gegen den Irak

Im Folgenden dokumentieren wir einen Entwurf für eine Charta zu einem Internationalen Irakkriegs-Tribunal. Der Text wurd im Januar 2004 von Lennox Hinds von der Internationalen Vereinigung Demokratischer Rechtsanwälte (IADL) ausgearbeitet und soll auch als Grundlage für ein deutsches (Teil-)Tribunal dienen.


CHARTA OF THE INTERNATIONAL PEOPLES TRIBUNAL ON IRAQ
Charta des Internationalen Tribunals der Völker über die Aggression gegen den Irak


Entwurf - Januar 2004

STATUT DES INTERNATIONALEN STRAFGERICHTSHOFES DER VÖLKER ZUM IRAK

PRÄAMBEL


Aufgrund der bisher bekannt gewordenen, öffentlich zugänglichen Informationen,

Ausgehend davon, dass am 20. März 2003 die USA und andere "Koalitionsstreitkräfte" ihre bewaffnete Invasion gegen den souveränen Staat Irak ohne Autorisierung durch die Vereinten Nationen begannen.

In der Erkenntnis, dass es keine legale Rechtfertigung für den von den USA / Großbritannien geführten Krieg durch die Charta der Vereinten Nationen oder die Resolution 1441 des Sicherheitsrates gab.

Eingedenk dessen, dass im Völkerrecht, in Artikel 2, Nummer 4 der Charta der Vereinten Nationen klargestellt ist: "Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt."

Artikel 51 verdeutlicht das Recht der Nationen Kriege zu ihrer Selbstverteidigung zu führen:
"Diese Charta beeinträchtigt im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen keineswegs das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat. Maßnahmen, die ein Mitglied in Ausübung dieses Selbstverteidigungsrechts trifft, sind dem Sicherheitsrat sofort anzuzeigen; sie berühren in keiner Weise dessen auf dieser Charta beruhende Befugnis und Pflicht, jederzeit die Maßnahmen zu treffen, die er zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit für erforderlich hält.

Da der Irak weder gegen die USA, Großbritannien noch sonst einen Staat eine Kriegshandlung begangen hat, da der internationale Frieden und die Sicherheit nicht vom Irak sondern von den USA, Großbritannien und anderen Koalitionspartnern bedroht wurde, treffen die Voraussetzungen für Selbstverteidigung nicht zu.

Ausgehend davon, dass die Bush-Regierung behauptete, vom Irak produzierte Massenvernichtungswaffen könnten Al Qaida übergeben und im Terrorangriff gegen die USA verwendet werden, und dass eine Verbindung zwischen der Regierung Saddam Husseins und Al Qaida nicht bewiesen wurde und

Im Wissen, dass präventive Selbstverteidigung, die den präventiven Gebrauch von Gewalt gegen einen möglichen gewaltsamen Angriff in der Zukunft beinhaltet, vom modernen Völkerrecht nicht anerkannt wird.

Ausgehend davon, dass die USA als juristische Rechtfertigung zur Gewaltanwendung die Sicherheitsrats-Resolution 1441 vom 8. November 2002 und auf die Resolutionen 678 und 687 aus dem Golfkrieg 1991 zitiert.

Eingedenk dessen, dass die Resolution 678 in ihrer Anwendung begrenzt war, Gewaltanwendung nur zuließ, um das irakische Militär aus Kuwait zu verdrängen, nicht aber um irakische Massenvernichtungswaffen zu beseitigen oder das Regime von Saddam Hussein zu stürzen. Tatsächlich sah Paragraph 34 der Resolution vor, dass der Sicherheitsrat entsprechende weitere Schritte unternimmt, die nötig sein würden um die Resolution zu implementieren.

Eingedenk dessen, dass Resolution 1441 die automatische Autorisierung von Gewaltanwendung nicht vorsieht und dass Paragraph 12 eindeutig feststellt, dass selbst im Fall einer irakischen Weigerung mit den Inspektoren zu kooperieren, der Sicherheitsrat die Verantwortung trägt, die Situation und die Notwendigkeit der vollständigen Einhaltung aller relevanten Sicherheitsrats-Resolutionen zu prüfen.

In Anerkennung dessen, dass die Opposition zu Saddam Husseins Regime die von den USA und ihren Koalitionspartnern geführte Invasion und Besatzung des souveränen Staates Irak weder unterstützt noch rechtfertigt.

Alarmiert davon, dass die USA und ihre Koalitionspartner die Zerstörung von Einrichtungen anordneten, die für das zivile Leben und die wirtschaftliche Produktivität im Irak lebensnotwendig sind. Unter den Einrichtungen, die im Visier waren und zerstört wurden befanden sich u. a..:
  • Elektrizitätswerke, Relaisstationen und Stromnetze;
  • Wasseraufbereitungsanlagen, Pump- und Verteilungsstationen, Reservoire;
  • Telefon und Radiozentralen, Relaisstationen, Antennen und Übertragungsanlagen;
  • Anlagen zur Verarbeitung, Lagerung und Verteilung von Lebensmitteln und Märkte, Anlagen zur Produktion von Kindermilch und Getränken, von Tierimpfstoff, Bewässerungssysteme;
  • Zugtransportmöglichkeiten, Busdepots, Brücken, Autobahnbrücken, Straßen, Straßenreparatureinrichtungen, Züge, Busse und andere öffentliche Verkehrsmittel, kommerzielle und private Verkehrsmittel;
  • Ölquellen und -Pumpen, Pipelines, Raffinerien, Öltanks, Tankstellen, Tanklastwägen, Kerosintanks;
  • Kläranlagen und Abwasserbeseitigungssysteme;
  • Anlagen für zivile Produktion z.B. Textil- und Automobilindustrie; und
  • Historische und antike Stätten und Denkmäler.
Eingedenk dessen, dass die USA und ihre Koalitionspartner verbotene Waffen einsetzten, die der Massenvernichtung fähig, Militärangehörigen und Zivilpersonen unterschiedslos Tod und unnötiges Leid zufügen.

Überzeugt davon, dass Präsident Bush, Premierminister Blair und andere individuell zur Verantwortung gezogen werden müssen für Verschwörung, Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschheit und schwerwiegende Verstöße gegen das humanitäre Kriegsvölkerrecht, und damit gegen die Charta der Vereinten Nationen, die Charta des Internationalen Nürnberger Militärtribunals, die Resolution 3314 (19740) der Vollversammlung der Vereinten Nationen, die Genfer Konvention von 1949 und ihre Protokolle von 1977 und andere völkerrechtliche Vorschriften; und

In Anerkennung dessen, dass es ein unveräußerliches Recht der Bürger jedes Staates ist, die Regierungen ihrer Wahl zu bestimmen, jede Ideologie und jegliches politisches und ökonomisches System anzunehmen; und dass fremde Einmischung - mit Ausnahme der von der Charta der Vereinten Nationen autorisierten - in die inneren Angelegenheiten eines jeden Staates ein Verstoß gegen die anerkannten Prinzipien des Völkerrechts ist.

Eingedenk dessen, dass jedes Mitglied der globalen Zivilgesellschaft moralische Verantwortung trägt und dass es die gemeinsame Aufgabe aller Freiheits- und Friedens liebenden Menschen der Welt ist, Gerechtigkeit herzustellen für die Opfer von Verbrechen gegen Frieden, gegen die Menschheit und Kriegsverbrechen.

Entschlossen, die Geltung des Rechts wiederherzustellen und die Praxis der Straflosigkeit zu beenden für Verbrechen, die von politischen Führern begangen werden, die meinen, vom Recht nicht erreichbar zu sein.

Schließen sich die ... Organisationen aus Deutschland... Internationale Vereinigung Demokratischer Rechtsanwälte dem Internationalen Organisationskomitee an, dem angesehene Wissenschaftler und Menschenrechtsaktivisten aus der ganzen Welt angehören, und nimmt die Charta des International Peoples Tribunal on Iraq an.

Zuständigkeit des Tribunals

Artikel 1.

Das Internationale Tribunal der Völker (Peoples Tribunal on Iraq) wird hiermit etabliert ("das Tribunal"). Es ist ermächtigt Gerichtsbarkeit über Individuen (in der englischen Charta zusätzlich: "und Staaten") auszuüben, gemäß den Bestimmungen dieser Charta. Es wird öffentliche Anhörungen durchführen, deren Datum und Ort und deren spezifische Inhalte vom Internationalen Organisationskomitee festgelegt werden.

Artikel 2. Verschwörung zum Angriffskrieg

Das Tribunal ist ermächtigt verantwortliche Regierungsvertreter zu verfolgen, und andere, die einverstanden waren und an der Entwicklung eines gemeinsamen Plans teilnahmen, um einen Aggressionskrieg gegen den souveränen Staat Irak zu führen.

Artikel 3. Verbrechen gegen den Frieden / Angriffskrieg

Das Tribunal ist ermächtigt Regierungsmitglieder zu verfolgen und zu untersuchen, ob sie verwickelt sind in:

a) der Verbreitung falscher Propaganda und Diffamierungskampagnen, die Existenz von Massenvernichtungswaffen betreffend, die als Rechtfertigung (englisch: Vorwand) für bewaffnete Feindseligkeiten gegen den souveränen Staat Irak dienten;

b) der Durchführung von Aggressionshandlungen gegen den souveränen Staat Irak durch Waffengewalt gegen die Souveränität, die territoriale Integrität und die politische Unabhängigkeit des Irak unter Verletzung der Charta der Vereinten Nationen;

c) der Invasion des und Angriffs gegen das irakischen Territorium und der militärischen Besatzung als Folge der Invasion und des Angriffs, unter Verletzung der Charta der Vereinten Nationen;

d) der Bombardierung des irakischen Territoriums durch die Koalitionsstreitkräfte ohne legale Rechtfertigung;

e) der Bewilligung durch Drittstaaten, ihr Territorium den USA, Großbritannien und ihren Koalitionspartnern zur Durchführung ihrer Aggressionshandlungen gegen den Irak zur Verfügung zu stellen.

Artikel 4. Kriegsverbrechen

4.1 Das Internationale Tribunal ist ermächtigt, Personen zu verfolgen, die schwerwiegende Verstöße gegen die Genfer Konventionen vom 12 August 1949 begangen oder angeordnet haben, namentlich die folgenden Handlungen gegen Personen oder Eigentum, die durch die Bestimmungen der relevanten Genfer Konvention geschützt sind:

(a) vorsätzliches Töten;

(b) Folter und unmenschliche Behandlung, einschließlich biologischer Experimente;

(c) vorsätzliche Verursachung großer Leiden oder schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder Gesundheit;

(d) Zerstörung und Aneignung von Eigentum in großem Ausmaß, die durch militärische Erfordernisse nicht gerechtfertigt sind und rechtswidrig und willkürlich durchgeführt wurden;

(e) Zwangsrekrutierung eines Kriegsgefangenen oder Zivilperson in eine feindliche Armee;

(f) vorsätzlicher Entzug des Rechts von Kriegsgefangenen oder Zivilpersonen auf ein unparteiisches ordentliches Gerichtsverfahren;

(g) widerrechtliche Vertreibung, Überführung oder rechtswidrige Gefangennahme einer Zivilperson;

(h) Geiselnahme von Zivilpersonen.

4.2 Das Internationale Tribunal ist ermächtigt Personen zu verfolgen, die andere schwere Verstöße gegen die innerhalb des bestehenden Rahmens des Völkerrechts im internationalen bewaffneten Konflikt anwendbaren Sätze und Gebräuche begangen oder angeordnet haben, nämlich jede der folgenden Handlungen:

(a) vorsätzliche Angriffe auf die Zivilbevölkerung als solche oder auf einzelne Zivilpersonen, die an den Feindseligkeiten nicht unmittelbar teilnehmen;

(b) vorsätzliche Angriffe auf zivile Objekte, d.h. Objekte, die nichtmilitärischen Ziele sind:

(c) vorsätzliche Angriffe auf Personal, Einrichtungen, Material, Einheiten oder Fahrzeuge, die an einer humanitären Hilfsmission oder friedenserhaltenden Mission in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen beteiligt sind, solange sie Anspruch auf den Schutz hatten, der Zivilpersonen oder zivilen Objekten nach dem internationalen Recht des bewaffneten Konflikts gewährt wird;

(d) vorsätzliche Führen eines Angriffs, in der Kenntnis, dass dieser auch Verlust an Menschenleben, die Verwundung von Zivilpersonen, die Beschädigung ziviler Objekte oder weitreichende, langfristige und schwere Schäden an der natürlichen Umwelt verursachen wird, die eindeutig in keinem Verhältnis zu dem erwarteten, konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen;

(e) der Angriff auf unverteidigte Städte, Dörfer, Wohnstätten oder Gebäude, die nicht militärische Ziele sind, oder deren Beschießung, gleichviel mit welchen Mitteln; (f) die Tötung oder Verwundung eines die Waffen streckenden oder wehrlosen Kombattanten, der sich auf Gnade oder Ungnade ergeben hat;

(g) der Mißbrauch der Parlamentärflagge, der Flagge oder der militärischen Abzeichens oder der Uniform des Feindes oder der Vereinten Nationen, sowie der Schutzzeichen der Genfer Abkommen, wodurch Tod oder schwere Verletzungen verursacht werden;

(h) die unmittelbare oder mittelbare Überführung durch die Besatzungsmacht eines Teiles ihrer eigenen Zivilbevölkerung in das von ihr besetzte Gebiet, oder die Vertreibung oder Überführung der Gesamtheit oder eines Teils der Bevölkerung des Gebietes innerhalb desselben oder aus diesem Gebiet;

(i) vorsätzliche Angriffe auf Gebäude, die dem Gottesdienst, der Erziehung, der Kunst, der Wissenschaft oder der Wohltätigkeit gewidmet sind, auf geschichtliche Denkmäler, Krankenhäuser und Sammelplätze für Kranke und Verwundete, sofern es nicht militärische Ziele sind;

(j) die körperliche Verstümmelung von Personen, die sich in der Gewalt einer gegnerischen Partei befinden, oder die Vornahme medizinischer oder wissenschaftlicher Versuche jeder Art an diesen Personen, die nicht durch deren ärztliche, zahnärztliche oder Krankenhausbehandlung gerechtfertigt sind oder in ihrem Interesse durchgeführt werden und die zu ihrem Tod führen oder ihre Gesundheit ernsthaft gefährden;

(k) die meuchlerische Tötung oder Verwundung von Angehörigen des feindlichen Volkes oder Heeres;

(l) die Zerstörung oder Beschlagnahme feindlichen Eigentums, sofern diese nicht durch die Erfordernisse des Krieges zwingend geboten ist;

(m) die Plünderung einer Stadt oder Ansiedlung, selbst wenn sie im Sturm genommen wurde;

(n) die Verwendung von Gift oder vergifteten Waffen;v (o) die Verwendung erstickender, giftiger oder gleichartiger Gase sowie aller ähnlichen Flüssigkeiten, Stoffe oder Vorrichtungen;

(p) die Verwendung von Waffen, Geschossen, Stoffen und Methoden der Kriegführung, die geeignet sind, überflüssige Verletzungen oder unnötige Leiden zu verursachen, oder die unter Verstoß gegen das internationale Recht des bewaffneten Konflikts ihrer Natur nach unterschiedslos wirken, vorausgesetzt, dass diese Waffen, Geschosse, Stoffe und Methoden der Kriegführung Gegenstand eines umfassenden Verbots sind;

(q) die Beeinträchtigung der persönlichen Würde, insbesondere eine entwürdigende und erniedrigende Behandlung;

(r) Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, Nötigung zur Prostitution, erzwungene Schwangerschaft, Zwangssterilisation oder jede andere Form sexueller Gewalt, die ebenfalls eine schwere Verletzung der Genfer Abkommen darstellt;

(s) Weitreichende, langfristige und schwere Zerstörung der natürlichen Umwelt, die die Gesundheit und das Überleben der Bevölkerung beeinträchtigen durch den Einsatz von abgereichertem Uran unter Verstoß gegen Artikel 55 des Protokoll I.

4.3 Das Internationale Tribunal kann sich auf das Zusatzprotokoll der Genfer Konventionen vom 12. August 1949 berufen, den Schutz der Opfer von internationalen bewaffneten Konflikten betreffend, angenommen am 8. Juni 1977, um die Definition von Kriegsverbrechen zu klären.

4.4 Das Internationale Tribunal ist ermächtigt, Personen zu verfolgen, die die Verpflichtungen und Pflichten einer Besatzungsmacht verletzen oder deren Verletzung anordnen, gemäß der Hager Konvention von 1907 und der Vierten Genfer Konvention über den Schutz der Zivilbevölkerung und dem Zusatzprotokoll I und II. Diese Verbote beinhalten sind aber nicht begrenzt auf:

(a) Zerstörung von Eigentum (Vierte Genfer Konvention, Artikel 53)

(b) Benutzung von Rohstoffen wie Öl, zugunsten der Besatzungsmacht und nicht zum Nutzen der lokalen Bevölkerung (Haager Konvention, Artikel 55)

(c) Beschlagnahmung von Privateigentum (Haager Konvention, Artikel 46)

(d) Plünderung (Haager Konvention, Artikel 47)

(e) Jede feindliche Handlung gegen historische Monumente, Kulturgüter und religiöse Einrichtungen und Orte (Haager Konvention, Artikel 56; Protokoll I (Artikel 53) und II (Artikel 16)

4.5 Verfolgung der Besatzungsmacht aufgrund der Verletzung seiner Pflichten, einschließlich aber nicht begrenzt auf:

(a) Wiederherstellung und Sicherstellung der öffentlichen Sicherheit (soweit möglich) (Haager Konvention, Artikel 43)

(b) Respektierung der gültigen Landesgesetze (Haager Konvention, Artikel 43) (c) Aufrechterhaltung der lokalen Gesetze und der Kompetenz der lokalen Gerichte (siehe Haager Konvention, Artikel 43 und Vierte Genfer Konvention, Artikel 64 und 66)

(d) Für faire und menschliche Behandlung von Gefangenen zu sorgen (Vierte Genfer Konvention, Artikel 76)

(e) Verpflegung und medizinische Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten (Vierte Genfer Konvention, Artikel 55)

(f) Hygiene und öffentliche Gesundheit sicherzustellen und aufrechtzuerhalten (Vierte Genfer Konvention, Artikel 56)

(g) Aktivitäten humanitärer Organisationen zu respektieren (Vierte Genfer Konvention, Artikel 63)

(h) Für die Rechte und das Wohlergehen der Kinder zu sorgen (Vierte Genfer Konvention, Artikel 50)

4.6 Das Internationale Tribunal ist ermächtigt Personen zu verfolgen, die Verpflichtungen und Pflichten verletzen oder deren Verletzung anordnen, die für die faire und humane Behandlung von Gefangenen bestehen, gemäß der Dritten Genfer Konvention über die Behandlung von Kriegsgefangenen.

Artikel 5. Verbrechen gegen die Menschheit

Das Internationale Tribunal ist ermächtigt jede der folgenden Handlungen zu verfolgen, die im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffes gegen die Zivilbevölkerung und in Kenntnis des Angriffs begangen werden,

(a) vorsätzliche Tötung
(b) Ausrottung
(c) Versklavung
(d) Deportation
(e) Gefangennahme
(f) Folter
(g) Vergewaltigung
(h) Verfolgung aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen.

Artikel 6. Persönliche strafrechtliche Verantwortung

6.1 Eine Person, die die Planung, Vorbereitung oder Ausführung eines Verbrechens nach Artikel 2,3,4 und 5 dieser Charta vorbereitet, angezettelt, angeordnet oder anderweitig unterstützt oder begünstigt hat, wird persönlich für dieses Verbrechen verantwortlich gemacht. Wer Verbrechen nach Artikel 2,3,4 und 5 verschleiert hat, wird persönlich dafür verantwortlich gemacht.

6.2 Die Tatsache, dass ein Verbrechen nach Artikel 2,3,4 und 5 dieser Charta von einem Untergebenen begangen wurde, entbindet seinen Vorgesetzten oder Militärkommandeur nicht von der strafrechtlichen Verantwortung, wenn dieser Vorgesetzte oder Kommandeur wusste, oder Grund hatte zu wissen, das sein Untergebener dabei war, derartige Handlungen zu begehen, oder sie begangen hat und wenn der Vorgesetzte es versäumte, notwendige und angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um deren Durchführung vorzubeugen oder zu verhindern oder die Angelegenheit den zuständigen Behörden zur Untersuchung und Verfolgung vorzulegen.

Artikel 7. Die staatliche Verantwortung

Staatliche Verantwortung ergibt sich aus Folgendem:

(a) Begehen von Verbrechen oder Handlungen betreffend Artikel 3,4 und 5 durch Militär- oder Regierungsbeamte und Personen in Ausübung ihrer Amtsgewalt.

(b) Handlungen oder Unterlassungen des Staates z.B.
  • (i) Verschleiern, Leugnen oder Verzerren von Tatsachen oder jede andere Art von Unterlassungen oder Nichtübernahme von Verantwortung um die Wahrheit zu finden oder aufzudecken über Verbrechen gemäß Artikel 2,3,4 und 5;
  • (ii) Unterlassung der Verfolgung und Bestrafung der Verantwortlichen genannter Verbrechen;
  • (iii) Unterlassung der Gewährleistung von Wiedergutmachung für die Opfer;
  • (iv) Unterlassung Maßnahmen zu ergreifen zum Schutz der Integrität, Unversehrtheit und Würde des Menschen
  • (v) Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Alter, Rasse, Farbe, nationaler, ethnischer oder sozialer Herkunft , Glauben, Gesundheitszustand, sexueller Orientierung, politischer und anderer Meinungen, Reichtum, Geburt oder jeden anderen Status.
Artikel 8. Offizielle Funktion und Befehle von Vorgesetzten

8.1 Die offizielle Funktion eines Angeklagten, ob Führer eines Staates oder einer Regierung, Militärkommandeur oder ein verantwortlicher Regierungsbeamter, entbindet diese Person nicht von strafrechtlicher Verantwortung, oder lindert seine Bestrafung.

8.2 Die Tatsache, dass Verbrechen nur in Ausführung eines Befehls eines Vorgesetzten oder einer Regierung geschehen, entbindet eine Person nicht von ihrer strafrechtlichen Verantwortung.

Artikel 9. Nichtanwendbarkeit der Verjährung

Verbrechen, die in die Zuständigkeit des Tribunals fallen, verjähren nicht.

Artikel 10. Territoriale und Zeitliche Gerichtsbarkeit

Die territoriale Zuständigkeit des Internationalen Tribunals erstreckt sich auf das Territorium des Irak, einschließlich seiner Landesoberfläche, seines Luftraums und seiner territorialen Gewässer. Die zeitliche Zuständigkeit des Internationalen Tribunals erstreckt sich auf die Zeit von September 2001 bis heute.

Artikel 11. Organisation des Tribunals

Das Tribunal besteht aus den folgenden Organen:

(a) Richter;
(b) Ankläger;
(c) Geschäftsstelle, die als Sekretariat handelt

Artikel 12. Rechte des Angeklagten

12.1 Alle Angeklagten haben das Recht über die gegen sie erhobenen Beschuldigungen und Behauptungen informiert zu werden und vor dem Tribunal zu erscheinen oder in anderer Weise gehört zu werden und ihre Verteidigung gegen die Anklagepunkte zu präsentieren. Auch wenn Angeklagte die Zuständigkeit des Tribunals bestreiten, können sie zu jedem Zeitpunkt an den Verhandlungen teilnehmen oder sich in allen relevanten Phasen vertreten lassen.

12.2 Die Angeklagten können sich von einem Anwalt ihrer Wahl vertreten lassen, oder das Tribunal kann einen Anwalt benennen, der die Interessen der Angeklagten vertritt und schützt, wenn die Umstände dies erfordern.

12.3 Angeklagte haben das Recht über die Ergebnisse und juristischen Folgerungen, auf die sich die Urteile des Tribunals gründen, schriftlich informiert zu werden.

12.4 Das Tribunal behält sich das Recht vor, jeden und alle Angeklagten in ihrer Abwesenheit zu verurteilen.

Artikel 13. Qualifikationen und Ernennung der Richter und Ankläger

Die Richter und Ankläger werden vom Internationalen Organisations-Komitee aus dem Kreis international, auf dem Gebiet der Menschenrechte bekannter Persönlichkeiten ernannt unter Beachtung folgender Gesichtspunkte:

(a) Geschlechter-Ausgewogenheit
(b) Regionale Ausgewogenheit
(c) Eintreten für den Schutz und die Förderung der Menschrechte.

Artikel 14. Regeln der Verhandlung und Beweisführung

Die Richter des Tribunals entscheiden über die Regeln der Verhandlung und Beweisführung zur Durchführung des Tribunals, den Schutz der Opfer und Zeugen und andere geeignete Maßnahmen des Tribunals, die sie für nötig halten. Folgendes soll als Beweismittel zugelassen werden:

(a) Dokumentationen; schriftliches Beweismaterial z.B. offizielle Dokumente, eidesstattliche Erklärungen/Aussagen, unterschriebene Aussagen, Tagebücher, Briefe/Notizen oder andere Dokumente: Aufnahmen/Fotos von Experten und andere visuelle Dokumente;

(b) Persönliche Beweisstücke; schriftliche oder mündliche Zeugenaussagen von Überlebenden und Aussagen von Experten; und

(c) Wesentliches Beweismaterial; andere relevante, physische und meßbare Beweise.

Artikel 15. Geschäftsstelle / Sekretariat

Das Internationale Organisations-Komitee etabliert ein Sekretariat für das Tribunal. Das Sekretariat ist verantwortlich für die Verwaltung und die Dienstleistungen des Tribunals einschließlich der Benennung von Verteidigern.

Artikel 16. Ankläger: Ermittlungen und Anklagen

16.1 Die Ankläger sind verantwortlich für die Ermittlung und Verfolgung von Verbrechen gemäß Artikel 2,3,4 und 5 der Charta und berücksichtigen dabei geschlechtliche, kulturelle und traumatische Hintergründe der Opfer.

16.2 Die Ankläger leiten Ermittlungen auf der Grundlage von Informationen von Personen, Überlebenden, Nichtregierungsorganisationen oder Untersuchungskommissionen ein und sind ermächtigt Verdächtigte, Opfer und Zeugen zu befragen, Beweise zu sammeln und Untersuchungen vor Ort durchzuführen um die Wahrheit zu festzustellen.

16.3 Die Ankläger präsentieren dem Tribunal Anklagen, wenn ihre Ermittlungen eine berechtigte Grundlage für strafrechtliche Verfolgung ergeben.

Artikel 17. Gerichtsverfahren

17.1 Der vorsitzende Richter des Tribunals verliest die Anklageschriften der Ankläger am Beginn des Verfahrens und sichert ein faires und zügiges Verfahren.

17.2 Die Anhörungen sind öffentlich.

Artikel 18. Urteile

18.1 Urteile werden öffentlich verkündet und durch die Mehrheit der Richter des Tribunals erlassen. Die Richter können zum Urteil gesonderte, zustimmende oder abweichende Meinungen äußern.

18.2 Das Urteil muss eindeutig feststellen, ob der Angeklagte der anklagten Taten schuldig gesprochen wird oder nicht und die Gründe für das besondere Urteil aufführen.

18.3 Das Urteil kann Empfehlungen äußern, dass eine Person oder ein Staat, verantwortlich für illegale Handlungen, den Opfern Wiedergutmachung anbietet, einschließlich, aber nicht begrenzt auf Entschuldigung, Rückerstattung, Entschädigung und Rehabilitierung.

18.4 Kopien des Urteils werden den Überlebenden, den Angeklagten oder ihren Verteidigern, internationalen Organisationen und dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und dem Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Menschenrechte übermittelt und weltweit als historisches Dokument verbreitet.

Artikel 19. Kooperation

19.1 Das Tribunal kann jede Person, NGO, Regierung, zwischenstaatliche Organisationen, Organe der Vereinten Nationen und internationale Verbände um Zusammenarbeit mit dem Tribunal in der Ermittlung und Verfolgung von Personen und Staaten, die für Handlungen gemäß Artikel 2,3,4 und 5 der Charta verantwortlich sind, bitten.

19.2 Das Tribunal kann jede Person, NGO, Regierung, zwischenstaatliche Organisationen, Organe der Vereinten Nationen und andere Internationale Verbände darum bitten, jeden Wunsch nach Hilfeleistung oder ein vom Tribunal gefälltes Urteil zu respektieren, einschließlich aber nicht beschränkt auf:

(a) Identifizierung und Aufenthalt von Personen oder die Lokalisierung von Gegenständen;

(b) Durchführung von Zeugenaussagen und die Beibringung von Beweismitteln für die Ziele des Tribunals, gemäß der Charta;

(c) Freiwilliges Erscheinen von Opfern, Zeugen oder Experten vor dem Gericht; (d) Untersuchungen vor Ort;

(e) Beschaffung von relevanten Informationen, Aufzeichnungen und Dokumenten, offiziellen oder anderweitigen und die uneingeschränkte Öffnung der Kriegsarchive;

(f) Opfer- und Zeugenschutz und Aufbewahrung von Beweismitteln;

(g) Erleichterung und Durchführung von Ermittlungen gegen und Verfolgung von Personen, die für Verbrechen verantwortlich sind, gemäß der respektiven internationalen Verpflichtungen

(h) Vorkehrung für Wiedergutmachung, einschließlich Entschuldigung, Entschädigung und Rehabilitierung gemäß der respektiven internationalen Verpflichtungen;

(i) Jede andere Art von Hilfestellung zur Erreichung der Ziele des Tribunals

Artikel 20. Sitz des International Peoples Tribunal on Iraq

20.1 Das Tribunal wird an einem Wochenende im Mai/Juni 2004 oder danach Hearings veranstalten, unter Beteiligung der Richter und Ankläger, die gemäß Artikel (13) ernannt wurden;

20.2 Diese Hearings finden in Berlin und an geeignetem Ort im angelsächsischen Raum und an anderen Orten statt.

Artikel 21. Finanzierung

Unter keinen Umständen wird finanzielle Unterstützung von Regierungsorganen angenommen. NGOs, die mit den Prinzipien der Charta des Tribunals einverstanden sind, werden jedoch ermutigt, dem Tribunal Personal und Finanzmittel zur Verfügung zu stellen.


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