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Steinmeier im Irak

Ausbau der Zusammenarbeit in Bereichen Wirtschaft und Kultur geplant

Von Karin Leukefeld *

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier ist am Dienstag vormittag (17. Februar) in Bagdad eingetroffen. Begleitet von einer Wirtschaftsdelegation will Steinmeier die Möglichkeiten deutscher Hilfe bei Infrastrukturprojekten ausloten. Seine Reise zeige, daß Deutschland »diesen neuen Irak auf dem Weg der demokratischen Konsolidierung und des friedlichen Ausgleichs zwischen Religionen und Ethnien unterstützen« wolle, sagte Steinmeier vor seiner Abreise. Zum Auftakt seines zweitägigen Aufenthalts sprach der SPD-Politiker am Dienstag in Bagdad mit Präsident Dschalal Talabani und mit Ministerpräsident Nuri Al-Maliki. Mit der Menschenrechtsministerin Wijdan Salim und Vertretern der Kirchen im Irak will Steinmeier über die Situation der rund vier Millionen Flüchtlinge sprechen. Zwei Millionen Inlandsvertriebene gibt es im Irak, weitere rund zwei Millionen Iraker sind in die arabischen Nachbarländer sowie in die Türkei geflohen. Deutschland will im Rahmen eines Europakontingents von 10 000 Flüchtlingen 2500 aufnehmen. Nach Angaben kurdischer Quellen will Steinmeier auch ein deutsches Konsulat in Erbil eröffnen, der Hauptstadt der kurdischen Autonomieregion.

Das letzte Mal war mit Heinz-Dietrich Genscher 1987 ein deutscher Außenminister im Irak. Als erstes deutsches Regierungsmitglied nach der US-Invasion hatte im Juli 2008 der damalige Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) das Land besucht. Am Dienstag mittag eröffnete Steinmeier ein »Servicebüro Wirtschaft Bagdad«, eine Initiative von Auswärtigem Amt und Bundeswirtschaftsministerium. Deutsche Unternehmen hoffen auf Aufträge beim Wiederaufbau der Infrastruktur, der Ölförderung und im landwirtschaftlichen Bereich.

Direkt nach der US-Invasion 2003 waren sowohl deutsche als auch französische Unternehmen von US-finanzierten Aufbaumaßnahmen ausgegrenzt worden, vermutlich als »Strafe«, weil beide Staaten den Krieg abgelehnt hatten. Mit dem Amtswechsel in Washington und der angekündigten neuen Irak-Strategie von US-Präsident Barack Obama hat sich das Blatt gewendet. US-Truppen und Unternehmen sollen sich künftig vor allem im Logistik- und Sicherheitsbereich engagieren, damit werden andere Bereiche frei, in denen sich sowohl Deutschland als auch Frankreich Marktchancen ausrechnen. Erst vor einer Woche hatte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy in Begleitung von Außenminister Bernard Kouchner in Bagdad verkündet, »unsere Zusammenarbeit kennt keine Grenzen«. Im Sommer werde eine Wirtschaftsdelegation kommen und hoffe auf Aufträge im Rüstungs-, Öl- und Wassergeschäft, so Sarkozy.

Deutschland werde in der Automobilindustrie und im Straßenbau, aber auch in der kulturellen Zusammenarbeit aktiv, erklärte Steinmeier nach seiner Ankunft in Bagdad. Dort starben am Montag 16 Personen bei Explosionen, nachdem sie von religiösen Feiern in Kerbala zurückgekehrt waren. Allein in der vergangenen Woche starben insgesamt 60 Personen durch Anschläge.

* Aus: junge Welt, 18. Februar 2009


Deutsche Unternehmer wittern Irak-Geschäft

Außenminister Steinmeier zu Besuch in Bagdad / Servicebüro Wirtschaft eröffnet

Von Karin Leukefeld **

Nach gut zwei Jahrzehnten ist mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier erstmals wieder ein deutscher Chefdiplomat nach Irak gereist. Steinmeier wird von deutschen Wirtschaftsvertretern begleitet.

Nur eine Woche nach Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy ist am Dienstag der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier in Bagdad eingetroffen. Sowohl Deutschland als auch Frankreich hatten sich dem Krieg der Bush-Administration gegen Irak im Februar 2003 verweigert. Nun wollen beide Staaten mit hochrangigen Besuchen am Tigris offenbar Unterstützung für die Irakstrategie des neuen US-Präsidenten Barack Obama signalisieren. Außerdem geht es den beiden europäischen Schwergewichten um Zugang zum irakischen Markt, was George W. Bush nach dem Irakfeldzug sozusagen als wirtschaftliche Strafmaßnahme verhindert hatte.

Während Sarkozy in Begleitung seines Außenministers Bernard Kouchner ganz offiziell die französisch-irakischen Beziehungen wieder normalisierte (»Unserer Zusammenarbeit sind keine Grenzen gesetzt«) und eine Wirtschaftsdelegation für den Sommer ankündigte, die sich im Bereich von »Verteidigung, Öl und Wasser« engagieren wolle, kam Steinmeier zwar ohne Kanzlerin Angela Merkel, dafür aber gleich mit einer großen Wirtschaftsdelegation.

Nach Angaben des Auswärtigen Amtes geht es bei dem zweitägigen Besuch vor allem um deutsche Investitionen in den Wiederaufbau der irakischen Wirtschaft, die nach einem 13-jährigen UNOEmbargo (bis 2003), Krieg und sechs Jahren Besatzung neu aufgebaut werden muss. Noch am Dienstag wurde in Bagdad ein »Servicebüro Wirtschaft« eröffnet, das durch die »Herstellung von Wirtschaftskontakten nach Deutschland helfen soll, die wirtschaftlichen Folgen des Krieges in Irak zu überwinden«, so Steinmeier.

Geplant sind Gespräche unter anderen mit Präsident Dschalal Talabani und Ministerpräsident Nuri al-Maliki. Steinmeier will auch die Ministerin für Menschenrechte, Wijdan Salim, treffen und mit Vertretern der christlichen Kirchen über die Situation der Flüchtlinge sprechen. Deutschland hatte sich kürzlich bereit erklärt, 2500 von den insgesamt zwei Millionen irakischen Flüchtlingen aufzunehmen. Kurdischen Angaben zufolge plant Steinmeier auch, ein Konsulat in Erbil zu eröffnen, der Hauptstadt der autonomen Kurdengebiete.

Abdul Husain al-Hakim freut sich über den Besuch des deutschen Außenministers. Der Experte im irakischen Landwirtschaftsministerium hatte schon seit Monaten eine lange Wunschliste für die deutsch-irakische Zusammenarbeit auf seinem Schreibtisch. Neben der Lieferung von Mähdreschern, Pflanz-, Ernte- und Verpackungsmaschinen für landwirtschaftliche Produkte wünscht Hakim sich vor allem Hilfe im Forschungs- und Ausbildungsbereich. Die Sicherheitslage sei besser, meint er. Das neue deutsch-irakische Investitionsgesetz erlaube »Joint Ventures und biete den Investoren gute Privilegien und Vergünstigungen«.

Auch der Unternehmer Sami Moussawi arbeitet seit Langem darauf hin, dass deutsche Wirtschaftsunternehmen wieder nach Irak kommen. Er organisiert im Auftrag der deutschen Industrie Anbahnungsgespräche mit irakischen Auftraggebern in Ministerien und Krankenhäusern, dafür wurde eigens in der »Grünen Zone« in Bagdad das »Rekrutierungsprogramm für den Wiederaufbau Iraks« eingerichtet.

Um deutsche Unternehmen bei Aktivitäten im Ausland zu unterstützen, beispielsweise bei Exporten oder dem Aufbau von Tochtergesellschaften, stellt das Bundeswirtschaftsministerium Garantien mit einer Laufzeit von bis zu 15 Jahren zur Verfügung. Voraussetzung dafür ist ein bilaterales Investitionsförderungs- und Schutzabkommen. Darauf gestützt, erwartet Axel Nitschke vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag zweistellige Wachstumsraten beim Irak-Geschäft.

** Aus: Neues Deutschland, 18. Februar 2009


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